JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0140 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Mag. J L in K, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 8/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 1. Juli 2024, KLVwG 709/8/2024, betreffend Aufforderung gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Kärnten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 22. Februar 2024, mit dem er gemäß § 24 Abs. 4 iVm § 8 Abs. 2 Führerscheingesetz 1997 (FSG) aufgefordert worden war, sich einer amtsärztlichen Untersuchung (betreffend die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen) zu unterziehen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber eine - seit dem Jahr 1998 aufgrund der Amputation seines linken Arms - eingeschränkte Lenkberechtigung für die Klassen AM und B besitze. Er habe im Rahmen einer aufgrund einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um 15 km/h erfolgten Lenker- und Fahrzeugkontrolle am 24. September 2023 einen außergewöhnlichen Erregungszustand entwickelt. Der Revisionswerber habe die einschreitende Polizistin beschimpft, er habe das Etui mit den Fahrzeugpapieren auf den Boden geworfen, er habe trotz der Aufforderung, sein Verhalten einzustellen und trotz mehrfacher Versuche seitens der Polizisten, ihn zu beruhigen, „herumgeschrien und mit der Hand gestikuliert“. Er habe sich körperlich gegen einen Polizisten gewehrt, als dieser ins Fahrzeuginnere gegriffen habe, um den Fahrzeugschlüssel an sich zu nehmen, den der Revisionswerber nicht freiwillig herausgegeben habe. Dies habe zur Festnahme und Anzeige des Revisionswerbers wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt (§ 269 Abs. 1 StGB) geführt; das Verfahren sei mit Diversion beendet worden. Der Revisionswerber sei letztendlich, weil er sich im Fahrzeuginneren „verkeilt“ habe, zwecks Abnahme des Fahrzeugschlüssels von den Polizisten aus dem Auto gezogen worden.

3 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht auf das Wesentliche zusammengefasst, dass die Erlassung eines Aufforderungsbescheides dann rechtens sei, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, es mangle wegen des Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Beim Revisionswerber bestünde dieser Verdacht aufgrund des anstandswidrigen und aggressiven Verhaltens und des daraus ableitbaren außergewöhnlichen Erregungszustands bei der polizeilichen Kontrolle. Ein ausreichender Bezug zu straßenverkehrsrechtlichem Fehlverhalten sei gegeben.

4 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 3. Die demnach allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es auf Basis des festgestellten Sachverhalts Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Revisionswerbers bejaht habe. Die Feststellung, der Revisionswerber habe sich in einem außergewöhnlichen Erregungszustand befunden, stehe zudem in Widerspruch zum Inhalt der Meldung der einschreitenden Beamtin. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die zur Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit des Revisionswerbers erforderliche Wertung der festgestellten Tatsachen anhand der Kriterien des § 7 Abs. 4 FSG, insbesondere hinsichtlich des seit der Tat verstrichenen Zeitraumes und des Verhaltens des Revisionswerbers während dieser Zeit, unterlassen. Schließlich erscheine die höchstgerichtliche Judikatur zu den §§ 7 und 24 FSG nicht einheitlich, weshalb es eines klarstellenden Erkenntnisses bedürfe.

9 Damit wird keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG dargelegt.

10 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG nur dann zulässig, wenn aktuelle begründete Bedenken in die Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. anstatt vieler VwGH 24.5.2023, Ra 2022/11/0119, mwN).

11 Das Vorliegen von begründeten Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG stellt dabei eine rechtliche Beurteilung der jeweils fallbezogenen Umstände dar, die in ihrer Bedeutung in der Regel über den Einzelfall nicht hinausgeht und deren Bekämpfung eine Zulässigkeit der Revision nur dann begründen kann, wenn die Revision aufzuzeigen vermag, dass dem Verwaltungsgericht bei dieser Beurteilung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die sich aus Gründen der Rechtssicherheit als korrekturbedürftig erweist (vgl. etwa VwGH 4.6.2024, Ra 2024/11/0068, mwN).

12 Fallbezogen legte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde, dass infolge des vom Revisionswerber am 24. September 2023 anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle gezeigten und im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Verhaltens begründete aktuelle Bedenken an seiner gesundheitlichen Eignung in Sinn von § 24 Abs. 4 FSG bestünden. Dass diese Einschätzung als krass fehlerhaft zu beurteilen wäre, zeigt die Revision mit dem nicht näher konkretisierten Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen (vgl. zu den Darlegungsanforderungen bei Geltendmachung einer Abweichung von Rechtsprechung bzw. von uneinheitlicher Rechtsprechung etwa VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225), nicht auf.

13 Eine Unschlüssigkeit der insbesondere auf die Ergebnisse der mündlichen Beschwerdeverhandlung, in der eine Einvernahme des Revisionswerbers, seiner Beifahrerin und des nach dem Vorbringen des Revisionswerbers „federführend“ einschreitenden Polizeibeamten erfolgte, gestützten verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung wird in der Zulässigkeitsbegründung ebenfalls nicht dargelegt (zum diesbezüglichen Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes vgl. etwa VwGH 27.10.2020, Ra 2019/11/0022, mwN).

14 Zur von der Revision vermissten Wertung des Verhaltens des Revisionswerbers iSd § 7 Abs. 4 FSG reicht der Hinweis, dass im Revisionsfall nicht die Verkehrszuverlässigkeit des Revisionswerbers zu beurteilen war, sondern die Frage, ob begründete Bedenken an seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestanden.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Oktober 2024

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