Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Austria Campus in 1020 Wien, Lembergstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2024, W209 2296790 1/10E, betreffend Arbeitslosengeld (mitbeteiligte Partei: M S MA, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid vom 4. Juni 2024 wies die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) den Antrag des Mitbeteiligten vom 1. Juni 2024 auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab. Begründend führte das AMS aus, der Mitbeteiligte sei von April bis Mai 2024 bei der FS GmbH vollversichert beschäftigt gewesen. Infolgedessen gelte auch die gleichzeitig bestehende geringfügige Beschäftigung bei der JM GmbH als arbeitslosenversichert. Das Dienstverhältnis mit der JM GmbH sei nicht beendet, sondern lediglich ab 1. Juni 2024 karenziert worden, weshalb der Mitbeteiligte weiterhin nicht als arbeitslos anzusehen sei.
2 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und sprach aus, dass ihm aufgrund seines Antrages ab 1. Juli 2024 Arbeitslosengeld in der Höhe von täglich € 41,03 zustehe.
3 In seiner Entscheidungsbegründung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, der Mitbeteiligte sei von 1. Jänner bis 31. Mai 2024 vollversichert bei der FS GmbH beschäftigt gewesen. Das Dienstverhältnis habe durch Zeitablauf geendet. Bereits seit 1. Mai 2021 sei der Mitbeteiligte in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei der JM GmbH gestanden. Dieses geringfügige Dienstverhältnis sei ab 1. Juni 2024 karenziert worden. Das monatliche Einkommen des Mitbeteiligten aus der Beschäftigung bei der JM GmbH sei zuvor im Jahr 2024 stets unter der Geringfügigkeitsgrenze gelegen.
4 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, das Vorliegen von Arbeitslosigkeit setze voraus, dass das Beschäftigungsverhältnis, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpfe, gelöst sei. Arbeitslosigkeit sei daher zwar bei einer Unterbrechung, nicht aber einer bloßen Karenzierung eines Arbeitsverhältnisses, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpfe, gegeben. Das AMS vertrete die Ansicht, in Folge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 2023, G 296/2022, stehe nunmehr auch das Fortbestehen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses, durch das zuvor gemeinsam mit einem oder mehreren anderen Beschäftigungsverhältnissen die Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung begründet worden sei, der Annahme von Arbeitslosigkeit entgegen. Dies treffe jedoch aus näher dargestellten Gründen nicht zu. Das Fortbestehen des (bloß karenzierten) geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses zur JM GmbH schließe daher die Arbeitslosigkeit des Mitbeteiligten nicht aus. Es sei daher in Abänderung der Entscheidung des AMS Arbeitslosengeld zuzuerkennen gewesen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des AMS. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9Zur Zulässigkeit der Revision macht das AMS geltend, in Folge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 2023, G 296/2022, unterlägen nunmehr mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, durch die insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze überschritten werde, sowie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, die parallel zu vollversicherten Beschäftigungsverhältnissen bestünden, der Arbeitslosenversicherung. Das habe auch auf das geringfügige Dienstverhältnis des Mitbeteiligten zur JM GmbH infolge Parallelität mit der vollversicherten Beschäftigung bei der FS GmbH zugetroffen. In Folge dessen stehe das Fortbestehen der Beschäftigung bei der JM GmbH dem Eintritt von Arbeitslosigkeit entgegen. Bei bloßer Karenzierung eines Arbeitsverhältnisses, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpfe, bestünde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Arbeitslosigkeit im Sinn von § 12 AlVG.
10Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 19. November 2024, Ra 2024/08/0103, mit der in der Revision aufgeworfenen Frage, ob das Fortbestehen einer geringfügigen Beschäftigung, die zuvor parallel zu einer vollversicherten Beschäftigung ausgeübt wurde, dem Eintritt von Arbeitslosigkeit entgegensteht, auseinandergesetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Demnach genügt es, dass gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 AlVG (zumindest) eine anwartschaftsbegründende Erwerbstätigkeit beendet wird und gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mehr besteht sowie mit dem/den verbleibenden oder/und neu hinzukommenden Entgeltanspruch/Entgeltansprüchen insgesamt nicht (mehr) die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird (also gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 6 lit. a AlVG keine der Arbeitslosigkeit entgegenstehende „neue oder weitere“ Beschäftigung ausgeübt wird). Auf eine Konstellation, in der eine vollversicherte Beschäftigung aufgegeben, eine geringfügige Beschäftigung bei einem anderen Dienstgeber aber aufrechterhalten wird, ist § 12 Abs. 3 lit. h AlVG (weiterhin) nicht anzuwenden. Die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung beim selben Dienstgeber also eine bestimmte vertragliche Gestaltung kann nicht mit dem Wegfall der Vollversicherungspflicht wegen des Nichtüberschreitens der Geringfügigkeitsgrenze infolge der Beendigung einer anderen Beschäftigung gleichgesetzt werden.
11 Im vorliegenden Fall hat der Mitbeteiligte die vollversicherte Beschäftigung nämlich das Dienstverhältnis zur FS GmbH aufgegeben. Die geringfügige Beschäftigung bei der JM GmbH wurdeebenso wie in dem dem genannten Erkenntnis vom 19. November 2024, Ra 2024/08/0103, zugrunde liegenden Fall nicht beendet.
12Anders als in jenem Verfahren wurde hier die geringfügige Beschäftigung allerdings nicht unverändert fortgesetzt, sondern karenziert. Dies führt aber zu keinem anderen Ergebnis. Durch die Aufgabe der Beschäftigung bei der JM GmbH liegt nämlich auch im vorliegenden Fall im Sinn der dargestellten Grundsätze keine anwartschaftsbegründende Beschäftigung mehr vor und besteht gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mehr. Zwar stellt eine bloße Karenzierung eines dem Eintritt der Arbeitslosigkeit entgegenstehenden Beschäftigungsverhältnisses keine Beendigung der Erwerbstätigung im Sinn von § 12 Abs. 1 Z 1 AIVG dar und führt daher nicht zum Eintritt der Arbeitslosigkeit (vgl. grundlegend VwGH 29.11.1984, 83/08/0083). Der aufrechte Bestand eines bloß geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses steht nach dem Gesagten dem Eintritt der Arbeitlosigkeit aber nicht entgegen, sodass auch die Karenzierung dieses Dienstverhältnisses nicht schädlich ist (vgl. idS bereits VwGH 20.09.2006, 2005/08/0160).
13 Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts steht daher im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs.
14 In der Revision werden somit nunmehr keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
15Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. Dezember 2024