Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des R T in L, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in Leoben, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29. Juli 2024, LVwG 33.22 1102/202426, betreffend eine Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leoben), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestrafte das Landesverwaltungsgericht Steiermark den Revisionswerber in teilweiser Abänderung eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Leobenwegen einer Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG mit einer Geldstrafe von € 730 (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage und 16 Stunden), weil er es als zur Vertretung nach außen Berufener der B GmbH Co KG zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft den XC und die JF, bei denen es sich um in der Krankenversicherung pflichtversicherte Personen gehandelt habe, beschäftigt habe, ohne diese vor deren Arbeitsantritten am 1. Jänner 2023 beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen begründend zu Grunde, die - nunmehr nach einem Insolvenzverfahren aufgelöste - B GmbH Co KG habe im Jahr 2023 einen Gastronomiebetrieb geführt. Geschäftsführer der Komplementärin dieser Gesellschaft der B GmbH seien der Revisionswerber sowie der AB gewesen. Im betreffenden Restaurant seien die chinesischen Staatsbürger XC und JF bereits bis zum Ende des Jahres 2022 mit der Zubereitung von Speisen betraut und als Dienstnehmer einer früheren Pächterin des Restaurants angemeldet gewesen.
3 Ab Beginn des Jahres 2023 sei für die Tätigkeit des XC und der JF eine andere vertragliche Gestaltung gewählt worden. Dazu sei die FJ KG gegründet worden, deren Komplementärin nach dem Gesellschaftsvertrag JF und deren Kommanditist XC gewesen seien. Im Weiteren sei ein als „Mietvertrag“ bezeichneter Vertrag errichtet worden, in dem vorgesehen gewesen sei, dass ein Teil der Küche des Restaurantbetriebs der B GmbH Co KG an die FJ KG für die Zubereitung chinesischer und japanischer Speisen vermietet werde. XC und JF seien der deutschen Sprache nicht mächtig, sodass sie die auf Deutsch verfassten, ihnen vorgelegten Verträge - den Gesellschaftsvertrag der FJ KG und den „Mietvertrag“ nicht hätten lesen können. Der konkrete Inhalt der Verträge sei ihnen nicht bekannt gewesen. Den Mietvertrag habe für die FJ KG auch nicht die zur Vertretung der FJ KG befugte - Komplementärin JF, sondern der Kommanditist XC unterschrieben.
4 Ab dem Beginn des Jahres 2023 seien XC und JF somit im Restaurant der B GmbH Co KG ohne Anmeldung beim Krankenversicherungsträger als Köche tätig gewesen. Nach den tatsächlichen Verhältnissen habe sich ihre Tätigkeit gegenüber dem Jahr 2022 nicht maßgeblich geändert. XC und JF seien in den Betrieb des Restaurants der B GmbH Co KG integriert gewesen. Von ihnen seien die Geräte sowie die gesamte betriebliche Infrastruktur gemeinsam mit den Beschäftigten der B GmbH Co KG, die andere Speisen zubereitet hätten, genutzt worden. Der Bereich des Service insbesondere das Auftragen sämtlicher Speisen und das Inkasso bei den Kunden sowie auch der Abwasch seien von (angemeldeten) Dienstnehmern der B GmbH Co KG durchgeführt worden, sodass XC und JF von deren Tätigkeit abhängig gewesen seien. Von AB dem zweiten Geschäftsführer der B GmbH Co KG seien XC und JF im täglichen Geschäftsbetrieb auch tatsächlich Weisungen erteilt worden.
5 XC und JF hätten keinen Einfluss auf die Preisgestaltung und die Speisekarte, aus der sich auch die von ihnen zuzubereitenden Speisen ergeben hätten, gehabt. Laut „Mietvertrag“ habe sie eine Betriebspflicht innerhalb der von der B GmbH Co KG festgesetzten Öffnungszeiten getroffen. Sowohl der Arbeitsort als auch die Arbeitszeit seien daher vorgegeben gewesen. Sie seien zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen und hätten sich nicht durch frei gewählte Personen vertreten lassen können. Ihnen sei bei ihrer Tätigkeit daher kein maßgeblicher Gestaltungsspielraum verblieben.
6 Laut „Mietvertrag“ hätten die Einnahmen aus den von XC und JF zubereiteten Speisen ihnen bzw. der FJ KG verbleiben und lediglich 29 % des aus diesen Speisen erzielten Umsatzes als „Miete“ an die B GmbH Co KG abgeführt werden sollen. Die B GmbH Co KG habe es sich im Vertrag jedoch vorbehalten, die „Miete“ einseitig zu erhöhen, wenn sich die Führung des Restaurantbetriebs nicht als „kostendeckend“ erweise. In Hinblick auf diese Vereinbarung habe die B GmbH Co KG tatsächlich schließlich 50 % des Umsatzes aus den von XC und JF zubereiteten Speisen vereinnahmt. XC und JF sei es ohnehin aber auch nicht möglich gewesen, selbst eine Abfrage im Kassensystem durchzuführen und dadurch die mit den von ihnen zubereiteten Speisen erzielten Umsätze zu ermitteln.
7In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, bei der Beurteilung, ob XC und JF persönlich abhängig und daher Dienstnehmer nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG gewesen seien, sei im Sinn von § 539a ASVG eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzulegen und der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Ausgehend von der - näher zitierten - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG ergebe sich in einer Gesamtbetrachtung ein Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit. Dabei falle insbesondere die Einordnung des XC und der JF in den Betrieb der B GmbH Co KG, das Fehlen eines persönlichen Gestaltungsspielraums bei der Tätigkeit sowie die Bindung an Arbeitszeit und Arbeitsort ins Gewicht. Nach den Umständen sei davon auszugehen, dass XC und JF zumindest der stillen Autorität der B GmbH Co KG unterlegen seien. Diese Gesellschaft sei somit als Dienstgeberin anzusehen. Der Revisionswerber habe die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver und subjektiver Weise zu verantworten.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe den Rechtssatz aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zitiert, wonach dann, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen unter Umständen angetroffen werde, die auf ein Dienstverhältnis hindeuteten, von einem Dienstverhältnis ausgegangen werden könne, sofern im Verfahren kein gegen diese Annahme sprechendes substantiiertes Vorbringen erstattet werde. Vom Revisionswerber seien solche atypischen Umstände dargelegt worden. Dass eine Arbeit als Koch verrichtet werde, lasse nicht generell auf ein Dienstverhältnis schließen. Von XC und JF seien auch nicht etwa bloß Hilfstätigkeiten ausgeführt worden. Es sei ihnen ein „massiver Gestaltungsspielraum“ bei ihrer Tätigkeit zugekommen. Die Revision sei auch zulässig, weil die Frage, ob beim „gegenständlichen Geschäftsmodell“ vom Vorliegen von Dienstverhältnissen auszugehen sei, eine grundsätzliche Rechtsfrage darstelle.
12Die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 19.3.2021, Ra 2021/08/0031, mwN).
13 Das Verwaltungsgericht hat sich anders als von der Revision dargestelltim vorliegenden Fall nicht darauf beschränkt, allein aufgrund des äußeren Anscheins auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses zu schließen (vgl. dazu, aufgrund welcher Umstände vom Vorliegen eines Dienstverhältnisses ohne weitwendige Untersuchungen ausgegangen werden kann, zuletzt VwGH 13.5.2025, Ra 2024/08/0130, Rn. 13). Es ist vielmehr ohnehin davon ausgegangen, dass die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses einer näheren Auseinandersetzung unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteienbedürfe. Dazu hat das Verwaltungsgericht die in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Kriterien, anhand derer das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zu prüfen ist (vgl. dazu etwa VwGH 29.1.2020, Ra 2018/08/0028, mwN), zutreffend wiedergegeben und darauf aufbauend eine Abwägung der für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale vorgenommen. Im Weiteren hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass es für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG im Sinn des § 539a ASVG nicht (primär) auf die vertragliche Vereinbarung bzw. auf die Bezeichnung des Vertrages, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit ankommt (vgl. etwa VwGH 16.5.2017, Ra 2017/08/0047; sowie näher zur Bedeutung des Vertrages etwa VwGH 18.8.2015, 2013/08/0121).
14 Im Sinn dieser Grundsätze ist das Verwaltungsgericht auf Basis der von der Revision nicht konkret bestrittenen Sachverhaltsfeststellungenzum Ergebnis gelangt, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen bei den Tätigkeiten von XC und JF zumindest ein Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber denjenigen persönlicher Unabhängigkeit vorgelegen sei und somit Beschäftigungsverhältnisse im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zu bejahen seien. Dass diese Beurteilung fallbezogen unvertretbar gewesen wäre, vermag die Revision mit ihren insoweit nicht näher konkretisierten Ausführungen nicht aufzuzeigen.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. Juli 2025