Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Mag. Haunold und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision 1. der Dr. O R in L und 2. der S R in S, beide vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 5. Dezember 2023, LVwG 552586/21/Bz/GSc und LVwG 552587/21/Bz/GSc, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (belangte Behörde) vom 14. April 2023 wurde der Antrag der Revisionswerberinnen auf nachträgliche Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung von Bauten im 30 jährlichen Hochwasserabflussbereich auf der Liegenschaft EZ 790, KG S, zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Revisionswerberinnen hätten trotz mehrmaliger Aufforderung zur Mängelbehebung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 13 Abs. 3 AVG notwendige Unterlagen (2D Abflussberechnungen) nicht vorgelegt.
2 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerberinnen Beschwerde. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diese Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 In seiner Entscheidungsbegründung legte das Verwaltungsgericht soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren maßgeblich dar, die belangte Behörde habe den Antrag der Revisionswerberinnen vom 6. August 2021 auf nachträgliche Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung von näher genannten Bauten im 30 jährlichen Hochwasserabflussbereich auf der Liegenschaft EZ 790, KG S, im Vorprüfungsverfahren dem wasserbautechnischen Sachverständigen Ing. M übermittelt. Dieser habe mitgeteilt, dass die Projektunterlagen aus fachlicher Sicht nicht zur Beurteilung ausreichten; es sei erforderlich, dass von einem hierzu befugten Zivilingenieurbüro mittels entsprechender 2D Abflussberechnungen die Abflussverhältnisse bei einem HQ 30 und HQ 100 sowohl für den Zustand bei Erstellung des einschlägigen Gefahrenzonenplanes als auch für den Zustand mit den Gebäuden und Anschüttungen nach deren Errichtung ermittelt würden, wofür entsprechende genauere Vermessungen hinsichtlich der lage- und höhenmäßigen Situation der Gebäude und Anschüttungen erforderlich seien.
4 Die gutachterlichen Ausführungen des Ing. M seien den Revisionswerberinnen mit Schreiben vom 23. August 2021 mit der Aufforderung zur entsprechenden Projektergänzung bis zum 11. Oktober 2021 übermittelt worden.
5 Mit Schreiben vom 20. September 2022 hätten die Revisionswerberinnen unter Vorlage mehrerer Unterlagen mitgeteilt, dass auf die Erstellung der geforderten 2D Abflussberechnungen verzichtet werde. Dazu habe die belangte Behörde eine zweite Stellungnahme des Amtssachverständigen Ing. M (vom 11. Jänner 2023) sowie die Stellungnahme eines vermessungstechnischen Amtssachverständigen (vom 7. Februar 2023) eingeholt.
6 Nach weiteren Ermittlungsschritten seien die Revisionswerberinnen mit Mängelbehebungsauftrag vom 16. Februar 2023 neuerlich aufgefordert worden, das eingereichte Projekt entsprechend den Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen Ing. M bis zum 15. März 2023 zu ergänzen. Diesem Verbesserungsauftrag seien die Revisionswerberinnen bis zur Erlassung des Bescheides vom 14. April 2023 nicht nachgekommen.
7 Weiters ging das Verwaltungsgericht davon aus, die von den Revisionswerberinnen eingereichten Projektunterlagen seien für eine Beurteilung der tatsächlich auftretenden Abflussverhältnisse im Hochwasserfall aus wasserbautechnischer Sicht nicht ausreichend. Beweiswürdigend stützte es sich dabei auf die übereinstimmenden Gutachtensergebnisse des Ing. M und des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen Ing. L. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe Ing. L schlüssig dargelegt, dass im vorliegenden Fall nur auf Grundlage einer exakten, nachweislich rechnerischen Darstellung in Form der geforderten 2D Abflussberechnungen eine fundierte gutachterliche Aussage über die (geänderte) Abflusssituation im Hochwasserfall getroffen werden könne. Die Forderung nach solchen Berechnungen sei aus fachlicher Sicht dann, wenn wie vorliegend - die für die Erstellung der 2D Abflussberechnungen notwendige Datenbasis verfügbar sei, durchaus üblich und begründet. Ohne diese Berechnungen wären lediglich Abschätzungen möglich, anhand derer sich aus fachlicher Sicht nicht klären lasse, ob es sich bei den gegenständlichen Bauten bloß um marginale Veränderungen im Hochwasserabflussbereich handle.
8 Ob und inwieweit der von den Revisionswerberinnen beigezogene DI N die korrekten Datensätze nicht (im erforderlichen Umfang) habe abrufen können, sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes für die Frage der Notwendigkeit von 2D Abflussberechnungen unerheblich, zumal nicht behauptet worden sei, dass weitergehende Schritte wie etwa ein konkretes Anfordern der Daten bei der „Abteilung Geoinformation und Liegenschaft“ gesetzt worden seien. Der von den Revisionswerberinnen vorgelegten wasserfachlichen Stellungnahme des DI R komme kein relevanter Beweiswert zu, weil dieser die auf falschen Datensätzen beruhende Stellungnahme des DI N sowie eine künftige, nicht projektgegenständliche Sachlage (Entfernung der Anschüttungen) zugrunde gelegt sei.
9 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, die belangte Behörde habe rechtmäßigerweise aufgrund des Fehlens der geforderten Unterlagen, insbesondere der 2D-Abflussberechnungen, gemäß § 13 Abs. 3 AVG einen Mängelbehebungsauftrag unter Hinweis auf die entsprechenden Rechtsfolgen erteilt. Da die Revisionswerberinnen diesem Auftrag nicht fristgerecht entsprochen hätten, sei die mit Bescheid vom 6. August 2021 erfolgte Antragszurückweisung rechtmäßig gewesen.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
11 Der Verwaltungsgerichtshof führte ein Vorverfahren durch, in dessen Rahmen die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete und die Zurück-, in eventu Abweisung der Revision unter Zuspruch von Aufwandersatz an sich selbst beantragte.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision machen die Revisionswerberinnen zunächst geltend, ihnen sei keine Gelegenheit gegeben worden, um den von Ing. L in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erstatteten gutachterlichen Ausführungen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, und es sei über ihren Antrag auf Einräumung einer entsprechenden Frist nicht entschieden worden. Dieser Verfahrensfehler sei relevant, weil in einer Stellungnahme zu den gutachterlichen Ausführungen des Amtssachverständigen aufgezeigt hätte werden können, dass die 2D Abflussberechnungen im vorliegenden Fall nicht notwendig seien, sondern die vorgelegten Unterlagen ausreichten, um über den gestellten wasserrechtlichen Bewilligungsantrag meritorisch zu entscheiden.
16 Mit diesem Vorbringen machen die Revisionswerberinnen einen Verfahrensmangel geltend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch bei der Geltendmachung von Verfahrensmängeln in der Zulässigkeitsbegründung auch dessen Relevanz darzutun. Das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. 25.1.2018, Ra 2017/06/0257 und 0258, Rn. 6, mwN). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Revision nicht. Insbesondere werden keine Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten der in der mündlichen Verhandlung erstatteten gutachterlichen Äußerung aufgezeigt und es wird dieser auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (zur Notwendigkeit solcher Darlegungen bei Geltendmachung der Nichteinräumung einer Frist zur Erstattung eines Gegengutachtens vgl. etwa VwGH 27.3.2019, Ra 2017/06/0005, Rn. 6, mwN). Damit wurde aber schon die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargelegt, weshalb mit dem betreffenden Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt wird.
17 Weiters wenden sich die Revisionswerberinnen in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision gegen die dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegende Beweiswürdigung und machen in diesem Zusammenhang geltend, das Verwaltungsgericht habe sich mit der von den Revisionswerberinnen vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des DI R, wonach nach Abtrag der Aufschüttungen auf das Ursprungsgelände eine neuerliche Abflussuntersuchung kein geändertes Überflutungsbild erwarten lasse, weshalb eine 2D Abflussuntersuchung nicht erforderlich sei, nicht hinreichend auseinandergesetzt, sondern es sei unrichtigerweise und „ohne sachverständige Auseinandersetzung“ davon ausgegangen, die Stellungnahme des DI R beruhe auf falschen Datensätzen.
18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wirft eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG auf. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung vielmehr nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. VwGH 3.10.2024, Ra 2024/07/0011 , Rn. 18, mwN).
19 Fallbezogen hat das Verwaltungsgericht die Unbeachtlichkeit der gutachterlichen Stellungnahme des DI R auch damit begründet, dass dieser eine künftige, nicht projektgegenständliche Sachlage (Entfernung der Aufschüttungen) zu Grunde gelegt sei. Dieser Beurteilung des Verwaltungsgerichtes treten die Revisionswerberinnen in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision nicht entgegen. Damit kommt es aber auch auf die Frage der Richtigkeit der Datensätze, auf denen die Stellungnahme beruht, nicht mehr an. Folglich zeigen die Revisionswerberinnen mit ihrem ausschließlich darauf gerichteten Vorbringen nicht die Unvertretbarkeit der dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegenden Beweiswürdigung auf.
20 Weiters machen die Revisionswerberinnen in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision geltend, die Erkenntnisbegründung sei widersprüchlich, weil einerseits davon ausgegangen werde, dass die Forderung von 2D Abflussberechnungen üblich sei, wenn wie im vorliegenden Fall die dafür notwendige Datenbasis verfügbar sei, anderseits aber festgehalten werde, dass es für die Tatsachenfrage der Notwendigkeit von 2D-Abflussberechnungen nicht darauf ankomme, ob und inwieweit die korrekten Datensätze verfügbar gewesen seien.
21 Dieses Vorbringen ist vor dem Hintergrund der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht nachvollziehbar. Aus dem angefochtenen Erkenntnis und insbesondere den beiden von den Revisionswerberinnen angesprochenen Passagen ergibt sich unmissverständlich, dass das Verwaltungsgericht davon ausging, dass die notwendige Datenbasis für die Erstellung von 2D Abflussberechnungen verfügbar gewesen sei und es dabei aber entgegen dem von den Revisionswerberinnen im Verfahren erstatteten Vorbringen nicht darauf ankomme, ob der von den Revisionswerberinnen beigezogene DI N diese im erforderlichen Umfang habe abrufen können, zumal nicht behauptet worden sei, dass weitere Schritte wie etwa ein konkretes Anfordern der Daten bei der zuständigen Abteilung gesetzt worden seien. Erkennbar ging das Verwaltungsgericht somit jedenfalls von der grundsätzlichen Verfügbarkeit der für eine 2D Abflussberechnung notwendigen Daten aus. Die Unvertretbarkeit dieser Beurteilung zeigen die Revisionswerberinnen alleine mit dem Hinweis, die Daten seien über das „Open Data Portal“ des Landes Oberösterreich nicht abrufbar gewesen, nicht auf.
22 Soweit die Revisionswerberinnen in der Folge behaupten, der Annahme des Verwaltungsgerichtes, wonach 2D Abflussberechnungen „üblich“ seien, komme kein Begründungswert zu, sondern es komme vielmehr darauf an, ob solche Berechnungen nach dem Stand der Technik erforderlich seien, ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht nach den dem angefochtenen Erkenntnissen zu Grunde liegenden Feststellungen ausdrücklich davon ausgegangen ist, dass 2D Abflussberechnungen „erforderlich“ seien.
23 Soweit die Revisionswerberinnen im Übrigen darin einen Verfahrensmangel erblicken, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit der Frage befasst habe, ob die Vornahme von 2D Abflussberechnungen auch nach dem „Stand der Technik“ erforderlich sei bzw. es eine diesbezügliche Frage in der mündlichen Verhandlung rechtswidrig nicht protokolliert habe, haben sie es unterlassen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht die grundsätzliche Erforderlichkeit von 2D Abflussberechnungen bejaht hat, die Relevanz des von ihnen behaupteten Verfahrensmangels in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision darzulegen (zur Notwendigkeit einer solchen Relevanzdarstellung vgl. etwa VwGH 7.11.2024, Ro 2023/07/0028, Rn. 28).
24 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
25 Die Vollziehung des WRG 1959 erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung. Kostenersatzanspruch im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG hätte daher der Bund. Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz an sich selbst war daher abzuweisen (vgl. VwGH 1.6.2023, Ra 2022/07/0042, mwN).
Wien, am 21. Februar 2025