JudikaturVwGH

Ra 2024/06/0133 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des T S in O, vertreten durch die Berlin Partner Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Aigner Straße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 21. März 2024, Zl. LVwG-2023/22/1784-10, betreffend Benützungsuntersagung nach der TBO 2022 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Oberndorf; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 20. Februar 2023, mit welchem ihm gemäß § 46 Abs. 6 lit. g Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) die weitere Benützung der Wohnung TOP X in einem näher bezeichneten Wohnungseigentumsobjekt in O. als Freizeitwohnsitz untersagt worden war, als unbegründet ab. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine Revision nicht zulässig sei.

Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, bei gebotener Gesamtbetrachtung sowie im Lichte näher angeführter höchstgerichtlicher Rechtsprechung ergebe sich, dass die verfahrensgegenständliche Wohnung dem Revisionswerber nicht zur Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses diene, sondern von diesem als Freizeitwohnsitz gemäß § 13 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz genutzt werde.

Dabei stützte sich das LVwG unter anderem auf die Feststellungen, dass der Revisionswerber zwar in der verfahrensgegenständlichen Wohnung mit Hauptwohnsitz gemeldet sei, aber auch an einer Adresse in München, an der seine Ehefrau und seine Kinder gemeldet seien. Sein Unternehmen (eine „Einmanngesellschaft“) habe den Sitz in München [laut Verfahrensakten am Wohnsitz seiner Familie], sein PKW habe ein deutsches Kennzeichen, der Revisionswerber sei steuerlich in Deutschland veranlagt; er arbeite zusätzlich für die B.S., welche ebenfalls zur Gänze in Deutschland etabliert sei; der Revisionswerber habe keinerlei soziale Bindungen zu O. und sei bei 20 behördlichen Kontrollen nur zwei Mal (seine Ehefrau drei Mal) angetroffen worden.

Beweiswürdigend führte das LVwG zu den vom Revisionswerber vorgebrachten Beziehungsproblemen mit seiner Ehefrau aus, diese seien nicht nachvollziehbar, denn er könnte auch ohne Wohnsitzmeldung in München seine Familie besuchen; offenkundig bestünden engere soziale Bindungen [zur Ehefrau] als mit den vorgebrachten Beziehungsproblemen glaubhaft gemacht werden sollten. So habe der Revisionswerber vor dem LVwG für seine Adresse in München den Begriff „zuhause“ verwendet und erst auf Intervention seiner Rechtsvertreterin versucht, diesen eindeutigen Begriff zu relativieren.

5 In der Zulässigkeitsbegründung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision bringt der Revisionswerber zunächst vor, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege vor, wenn deren Lösung von großer Bedeutung für die Rechtsordnung so etwa für weite Teile der Bevölkerung von unmittelbarer rechtlicher oder wirtschaftlicher Bedeutung sei. Dies sei fallbezogen gegeben, weil die Kontrollorgane der Gemeinden ihre Kompetenzen erheblich überschritten, in Privatrechte eingriffen und „nahezu willkürliche“ Ermittlungen durchführten.

Mit dieser pauschalen Rüge wird keine konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, die der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. zu den Anforderungen an die Zulässigkeitsbegründung etwa VwGH 3.7.2024, Ra 2024/06/0096 0097, Rn. 7, mwN).

6 In weiterer Folge rügt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung eine Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts und wendet sich gegen die Beweiswürdigung. Das LVwG habe angebotene Beweise nicht berücksichtigt und wesentliche Sachverhaltsfeststellungen nicht getroffen; der festgestellte Mittelpunkt der Lebensbeziehungen in München stütze sich auf bloße Mutmaßungen. Das LVwG habe sich „mit der spezifischen Art des Arbeitens des Revisionswerbers“ (kein Büro vorhanden, nur Home Office Verträge) nicht auseinandergesetzt und die Trennung von seiner Ehefrau und den Kindern nicht berücksichtigt.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG sein, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem unvertretbaren Ergebnis geführt hätte, wobei in den Zulässigkeitsgründen auch die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden muss, das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 4.3.2024, Ra 2024/06/0027, Rn. 6, mwN).

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung etwa im Zusammenhang mit der jeweils einzelfallbezogen vorzunehmenden Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist läge darüber hinaus nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte und auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in der Zulässigkeitsbegründung dargelegt wurde (vgl. etwa VwGH 13.1.2023, Ra 2022/06/0246, Rn. 7, mwN).

8 Eine solche Unvertretbarkeit zeigt die Revision nicht auf. Den in Rn. 4 wiedergegebenen Feststellungen des LVwG tritt der Revisionswerber nicht entgegen. Er lässt offen, aus welchen Gründen er trotz „seiner spezifischen Art des Arbeitens“ im Home Office bei den behördlichen Kontrollen nur sehr selten in der verfahrensgegenständlichen Wohnung angetroffen wurde. Das LVwG setzte sich auch mit den Beziehungsproblemen des Revisionswerbers und seiner Ehefrau auseinander und beurteilte dieses Vorbringen als nicht nachvollziehbar; darauf geht die Revision in der Zulässigkeitsbegründung nicht ein. Die Relevanz allfälliger Verfahrensmängel wurde mit den allgemeinen Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung jedenfalls nicht dargelegt.

9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. September 2024

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