Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Dr. P D in I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 2024, Zl. W176 2286887 1/16E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Partei: M C in S; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Mit Schreiben vom 12. Jänner 2024 erhob die Mitbeteiligte eine Datenschutzbeschwerde gegen den Revisionswerber, mit welcher sie die Verletzung in ihrem Recht auf Auskunft geltend machte, weil der Revisionswerber sich geweigert habe, dem Antrag der Mitbeteiligten auf Auskunft vom 9. Jänner 2024 zu entsprechen.
2 Mit Bescheid vom 5. Februar 2024 gab die belangte Behörde der Beschwerde der Mitbeteiligten statt und stellte fest, dass der Revisionswerber die Mitbeteiligte im Recht auf Auskunft verletzt habe, weil er deren Auskunftsbegehren nicht entsprochen habe (Spruchpunkt 1). Dem Revisionswerber wurde aufgetragen, innerhalb einer Frist von vier Wochen bei sonstiger Exekution dem Antrag der Mitbeteiligten auf Auskunft gemäß Art. 12 Abs. 3 iVm Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu entsprechen (Spruchpunkt 2).
3 2. Die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides zu lauten habe:
„[Dem Revisionswerber] wird aufgetragen, innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei sonstiger Exekution dem Antrag von M[...] C[...] auf Auskunft über ihre in Art. 15 Abs. 1 lit. c), d), e), und g) DSGVO genannten Rechte bzw. Informationen gemäß Art. 12 Abs. 3 i.V.m Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu entsprechen.“
Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 In seiner Begründung traf das Verwaltungsgericht zusammengefasst die Feststellungen, der Revisionswerber sei Rechtsanwalt und habe im Auftrag eines Mandanten ein Zivilrechtsverfahren gegen die Mitbeteiligte geführt, das zwischenzeitlich durch einen Vergleich beendet worden sei. Die Mitbeteiligte habe am 9. Jänner 2024 unter Verwendung eines Formularmusters der belangten Behörde einen „Antrag gemäß § 44 DSG auf Auskunft“ an den Revisionswerber gerichtet. In diesem Formular werde der gesamte Wortlaut des § 44 DSG wiedergegeben, die Mitbeteiligte habe in diesem Formular mehrere Absätze und Ziffern des § 44 DSG farblich markiert. Sie habe um Antwort an ihre Postanschrift ersucht. Der Antrag habe kein darüber hinausgehendes, eigenes (frei formuliertes) Vorbringen enthalten. Es sei auch keine andere Rechtsnorm als § 44 DSG als Rechtsgrundlage angeführt, insbesondere nicht § 1 Abs. 3 DSG oder eine Bestimmung der DSGVO. Der Revisionswerber habe sich mit E-Mail vom 12. Jänner 2024 an den Rechtsvertreter der Mitbeteiligten im Zivilverfahren gewendet und darin ausgeführt, er gehe davon aus, der Mitbeteiligten aus standesrechtlichen Gründen nicht direkt antworten zu können, und ersuche ihren Rechtsvertreter, dieser auszurichten, „dass sie tun könne, was immer sie wolle“.
5 Der Revisionswerber habe der Mitbeteiligten bis zum Abschluss des Verfahrens vor der belangten Behörde keine Auskunft über die von ihm verarbeiteten personenbezogenen Daten erteilt. In seiner Bescheidbeschwerde habe er bekannt gegeben, welche Daten er betreffend die Mitbeteiligte speichere.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Mitbeteiligte habe ihr Auskunftsbegehren vom 9. Jänner 2024 an den Revisionswerber durch Verwendung des betreffenden Musterformulars der belangten Behörde auf § 44 DSG gestützt. Dieser regle das Auskunftsrecht der betroffenen Person lediglich im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten durch zuständige Behörden zu bestimmten Zwecken und stelle daher keine taugliche Rechtsgrundlage für ein Auskunftsbegehren der Mitbeteiligten an den Revisionswerber dar. Wenn der Revisionswerber jedoch in seiner Beschwerde vorbringe, die Mitbeteiligte habe in ihrem Auskunftsbegehren nicht erläutert, was sie vom Revisionswerber wissen wolle, sei dem zu entgegnen, dass sie in ihrem Schreiben den kompletten Wortlaut des § 44 DSG, samt dessen Überschrift „Auskunftsrecht der betroffenen Person“ wiedergegeben und dabei einzelne Bestimmungen farblich markiert habe. Wenngleich die Mitbeteiligte sich offensichtlich in der Rechtsgrundlage geirrt habe, sei durch Anführung und infolge der farblichen Markierung bekräftigenden Bezugnahme auf die Bestimmungen zum „Auskunftsrecht der betroffenen Person“ unmissverständlich, dass die Mitbeteiligte gegenüber dem Revisionswerber ihr Recht auf Auskunft darüber, welche Daten dieser über sie verarbeite, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt würden, geltend machen wolle, wie es ihr gemäß § 1 Abs. 3 DSG und Art. 15 DSGVO zustehe. Es sei daher der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgehe, dass bei „der Beurteilung, ob ein für den Verantwortlichen als auf ein bestimmtes Recht nach der DSGVO erkennbares Begehren vorliegt“, insbesondere „der Wortlaut und das Verständnis der Erklärung aus objektiver Sicht, nämlich so wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck bei objektiver Betrachtung verstehen konnte, zu betrachten“ seien, und dies im konkreten Fall dahingehend beurteilt habe, dass ausgehend vom Antrag der Mitbeteiligten klar gewesen sei, dass diese Auskunft über die sie betreffenden verarbeiteten personenbezogenen Daten haben wolle. Ein Vergreifen in der Rechtsnorm ändere daran nichts.
7 Soweit der Revisionswerber unter Verweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ergänzend vorbringe, er habe den auf § 44 DSG bezugnehmenden Antrag nicht umdeuten können, weil die Mitbeteiligte nur einen Rechtsgrund genannt habe, sei dem entgegenzuhalten, dass sich die betreffende Rechtsprechung auf die Bindung des Gerichts nach der ZPO an einen bestimmten in der Klage angeführten Rechtsgrund beziehe und daher für die Auslegung des gegenständlich interessierenden Auskunftsbegehrens nicht von Relevanz sei.
8 Es sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber das Auskunftsbegehren der rechtsunkundigen Mitbeteiligten nur so verstehen konnte, dass sie von ihm Auskunft iSd § 1 Abs. 3 DSG bzw. Art. 15 DSGVO begehre. Die Erteilung jeglicher Auskunft lediglich wegen Vergreifens in der Rechtsgrundlage zu verwehren, stehe in diametralem Widerspruch zu Erwägungsgrund 63 der DSGVO, wonach eine betroffene Person ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden seien, „problemlos [...] wahrnehmen können“ solle, „um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können“.
9 Der Revisionswerber sei seinen aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO erwachsenen Verpflichtungen in einzelnen Punkten nachgekommen. Hingegen habe er der Mitbeteiligten keine Auskunft über ihre Betroffenenrechte gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. e DSGVO (Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung bzw. das Widerspruchsrecht), die Empfänger bzw. Empfängerkategorien, gegenüber denen die Daten der MP offengelegt wurden (Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO), und die Herkunft der von ihm verarbeiteten personenbezogenen Daten erteilt. Allfällige Verschwiegenheitspflichten seien im Rahmen der Auskunftserteilung geltend zu machen.
10 Der Revisionswerber sei auch verpflichtet, zumindest die Kriterien für die Festlegung der Speicherdauer anzugeben. Dadurch, dass der Revisionswerber dies unterlassen habe, sei die Auskunft auch in Hinsicht auf Art. 15 Abs. 1 lit. d DSGVO als nicht vollständig erteilt zu betrachten.
11 Der Leistungsauftrag sei daher zu präzisieren.
12 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.
13 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 4.2. Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen:
„Bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens sind davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten und Beweggründe grundsätzlich ohne Belang (VwGH 95/03/0310, 94/04/0183, 2000/01/0057 uam). Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei, ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, auch wenn das Begehren, so wie es gestellt wurde, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein mag (VwGH 2004/04/0105, 2009/11/0269, VwSlg 10.179 A/1980). Dass es sich gegenständlich um einen völlig eindeutigen Antrag handelt, dürfte wohl außer Streit stehen, weil ein Rechtsgrund, nämlich der des § 44 DSG genannt wurde, aber kein anderer!“
17 4.3. Maßgeblich für die vorliegende Revision ist die Rechtsfrage, ob die Erklärung der Mitbeteiligten in ihrem an den Revisionswerber gerichteten Schreiben als Auskunftsbegehren über die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu verstehen war oder nicht.
18 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs begründet die in vertretbarer Weise vorgenommene fallbezogene Auslegung von Parteierklärungen in der Regel nicht die Zulässigkeit einer Revision, weil die Auslegung einer Parteienerklärung von den jeweiligen Erklärungsumständen abhängt und ihr aus diesem Grund keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall wäre nur dann als revisibel anzusehen, wenn diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 11.12.2023, Ra 2021/04/0095).
19 Die detaillierte Begründung des Verwaltungsgerichts, das hier im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass der Revisionswerber das Schreiben der Mitbeteiligten dahingehend verstehen musste, dass diese ein Auskunftsbegehren im Sinne des Art. 15 DSGVO an ihn richtet, ist vor dem Hintergrund der Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis jedenfalls nicht als unvertretbar zu beurteilen. Der Hinweis der Revision auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs geht insofern ins Leere, als sich diese Rechtsprechung wie das Verwaltungsgericht bereits richtig hervorgehoben hat auf die Beschränkung der Anspruchsgründe im zivilgerichtlichen Verfahren in bestimmten Konstellationen bezieht.
20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. Jänner 2025