Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2024, Zl. W274 2265096 1/5E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Parteien: 1. T W in W, 2. S P in W und 3. M D in W; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Den Gegenstand des behördlichen Verfahrens bildete eine (gemeinsame) Datenschutzbeschwerde der Mitbeteiligten wegen der Verletzung im Recht auf Geheimhaltung. Diese Datenschutzbeschwerde gründete auf dem insoweit unstrittigen Vorbringen, die Mitbeteiligten hätten beim Revisionswerber im Rahmen eines von diesem geführten Verfahrens zur Erstellung eines Stadtentwicklungsplans jeweils per E Mail eine Stellungnahme eingebracht. Die Stellungnahmen der Mitbeteiligten seien in der Folge auf der Webseite des Revisionswerbers samt Angabe der Namen, der Adressen, der Telefonnummern und der E Mail Adressen der jeweiligen Verfasserinnen der Stellungnahmen veröffentlicht worden.
2 2. Mit Bescheid vom 15. November 2022 gab die belangte Behörde der Datenschutzbeschwerde statt und stellte fest, dass der Revisionswerber die Mitbeteiligten „im Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, indem er deren Stellungnahmen zum [Stadtentwicklungsplan] und ihre darin enthaltenen personenbezogenen Daten vom 03.03.2022 bis 05.03.2022 auf der Webseite www.w.at veröffentlicht“ habe.
3 3. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde.
4 4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Spruch insgesamt zu lauten habe:
„Der Beschwerdeführer Magistrat der Stadt Wiener Neustadt hat die Mitbeteiligten 1. T[...], 2. S[...], 3. M[...], im Recht auf Geheimhaltung dadurch verletzt, indem er die in deren Stellungnahmen zum [Stadtentwicklungsplan] enthaltenen personenbezogenen Daten, und zwar
betreffend die Mitbeteiligte 1. T[...] die Wohnadresse sowie die E Mail Adresse,
betreffend die Mitbeteiligte 2. S[...] den Namen und die Wohnadresse und
betreffend den Mitbeteiligten 3. M[...] den Namen verknüpft mit der Parteiadresse
vom 03.03.2022 bis 05.03.2022 auf der Webseite www.w.at veröffentlicht hat.“
5 Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
6 Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
7 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, die verfahrensgegenständlichen Stellungnahmen der Erst- und Zweitmitbeteiligten seien auch auf der Webseite „Die Grünen Bezirk W S[...] (gruene.at)“ als „Eingabe STEP Frau W. (3) 2021 08 09“ bzw. „Eingabe STEP Frau P. 2021 08 05“ insofern veröffentlicht worden, als diese bis 4. April 2022 auf der genannten Homepage abrufbar gewesen seien. Beim Herunterladen und Öffnen der PDF Dokumente seien die personenbezogenen Daten der Verfasserinnen ausgenommen der Name der Erstmitbeteiligten und der Adressteil W geschwärzt und unkenntlich gewesen. Im Fall des Kopierens der Dokumente bzw. des Konvertierens in ein Word Dokument hätten die geschwärzten Daten sichtbar gemacht werden können.
8 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, gemäß § 1 Abs. 1 DSG habe jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung des Privat und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran bestehe. Das Bestehen eines solchen Interesses sei ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich seien.
9 Es sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die generelle Annahme des Nichtvorliegens einer Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen für zulässigerweise veröffentlichte Daten nicht mit den Bestimmungen der DSGVO vereinbar sei. Daraus folge, dass nicht alle Daten, die veröffentlicht würden oder öffentlich zugänglich seien, von einem Verantwortlichen für beliebige eigene Zwecke verwendet werden dürften.
10 Sofern zulässigerweise veröffentlichte Daten nicht bloß reproduziert würden, sondern ein neues Element mit diesen Daten verknüpft werde, handle es sich bei dieser Verknüpfung um eine Verarbeitung gemäß Art. 4 Z. 2 DSGVO. Eine Kombination von öffentlich zugänglichen Daten mit anderen Daten sei vor diesem Hintergrund völlig neu zu überprüfen und bedürfe stets eines Erlaubnistatbestands nach Art. 6, 9 oder 10 DSGVO. Die verfassungsrechtliche Ausnahme für veröffentlichte Daten gem. § 1 Abs. 1 habe daher unionsrechtlich zurückzutreten.
11 Die Stellungnahmen der Erst und Zweitmitbeteiligten seien auf der Webseite der „Grünen W“ veröffentlicht worden, wobei die persönlichen Daten geschwärzt gewesen seien. Betreffend die Erstmitbeteiligte seien lediglich deren Name und Wohnort ohne Angabe einer Adresse ersichtlich gewesen. Der Umstand, dass die Schwärzung durch allfällige Konvertierungen aufgehoben hätte werden können, sei nicht als von den Mitbeteiligten intendiert vorauszusetzen. Von einer „allgemeinen Verfügbarkeit“ im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG der geschwärzten Teile könne keine Rede sein, wenn wie hier die Daten aufgrund von Schwärzungen erst durch Kopieren in ein Word Dokument sichtbar gemacht werden könnten. Diese indirekte „Verfügbarkeit“ sei nicht mit dem Fall zu vergleichen, dass der Betroffene selbst Daten zuvor in sozialen Medien veröffentliche.
12 Aufgrund des Umstandes, dass die Erstmitbeteiligte auf eine gänzliche Anonymisierung bei der Veröffentlichung ihrer Stellungnahme auf der Homepage ihrer Partei verzichtet habe, sei davon auszugehen, dass es sich dabei um einen bewussten Akt gehandelt habe. Ein informationeller Mehrwert sei demgegenüber durch die Veröffentlichung durch den Revisionswerber nicht zu erkennen, sodass diese persönlichen Daten in Bezug auf eine Verknüpfung der Stellungnahme der Erstmitbeteiligten mit ihrem Namen und dem Wohnort (ohne nähere Adresse) zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Veröffentlichung als allgemein verfügbar zu betrachten gewesen seien und in diesem Umfang keine Geheimhaltungspflichtverletzung vorliege.
13 Die belangte Behörde habe sich auf die Verneinung eines Eingriffstatbestandes im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG beschränkt. Dem halte der Revisionswerber entgegen, eine Rechtfertigung bestehe aufgrund der gesetzlichen Grundlagen des § 24 Abs. 9 NÖ RaumordnungsG sowie des § 24 NÖ StadtrechtsorganisationsG (NÖ STROG). Dem sei nicht zu folgen: Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, im Rahmen der Erlassung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes Stellungnahmen abgeben zu können, sowie die Verpflichtung des Gemeinderates, diese in Erwägung zu ziehen, impliziere nicht die allfällige Veröffentlichung der abgegebenen Stellungnahmen. Die Bestimmungen des NÖ StadtrechtsorganisationsG betreffend die Möglichkeit zur Veröffentlichung einer Tagesordnung im Internet, bezögen sich grundsätzlich nur auf die „Tagesordnung“ der öffentlichen Gemeinderatssitzung selbst, nicht aber auf die in der betreffenden Sitzung zu behandelnden Dokumente. Gemeinderatssitzungen seien grundsätzlich öffentlich, die Bestimmung des § 26 NÖ STROG enthielten aber diesbezüglich zahlreiche Einschränkungen und Verpflichtungen zur Behandlung in nicht öffentlichen Sitzungen bzw. darüber hinaus auch der Vertraulichkeit der Beratung und Beschlussfassung. Zudem seien vorliegend nicht datenschutzrechtliche Fragen der Abhaltung von Gemeinderatssitzungen zu beurteilen, sondern vielmehr die Frage der Zulässigkeit der Vorabveröffentlichung von Dokumenten im Rahmen der Veröffentlichung der Tagesordnung im Internet.
14 Beim Revisionswerber handle es sich um eine staatliche Behörde; die gegenständliche Veröffentlichung sei im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit der Erlassung einer Verordnung erfolgt. Eine Veröffentlichung der festgestellten personenbezogenen Daten der Mitbeteiligten habe nur auf Basis eines Gesetzes erfolgen dürfen. Ein solches Gesetz müsse zudem ausreichend bestimmt sein und den Eingriff in das Grundrecht in einer für jedermann vorhersehbaren Weise regeln. Dem Revisionswerber gelinge es nicht, Umstände aufzuzeigen, nach denen die Möglichkeit der Veröffentlichung der Tagesordnung auch zur Veröffentlichung von Dokumenten berechtigen würde, ohne auf datenschutzrechtliche Verpflichtungen Rücksicht nehmen zu müssen. Die Ermächtigung zur Veröffentlichung der Tagesordnung einer öffentlichen Gemeinderatssitzung könne vor diesem Hintergrund nicht als gesetzlich geregelte Rechtfertigung eines Eingriffs einer staatlichen Behörde zur Beschränkung des Anspruchs auf Geheimhaltung im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG gesehen werden. Insofern habe der Revisionswerber durch die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten der Mitbeteiligten gegen die Verpflichtung zur Geheimhaltung verstoßen.
15 Gegen die Veröffentlichung der Stellungnahmen selbst ohne Bezugnahme auf persönliche Daten der Mitbeteiligten bestünden insoweit keine datenschutzrechtlichen Bedenken, als aus diesen keine Rückschlüsse auf die Verfasserinnen abzuleiten seien: Soweit ersichtlich, enthielten die Stellungnahmen der Mitbeteiligten abgesehen von den personenbezogenen Daten am Beginn lediglich inhaltliche Argumente, die keine Rückschlüsse auf die Verfasserinnen erlaubten. Die Veröffentlichung der Stellungnahmen selbst erscheine daher datenschutzrechtlich unbedenklich.
16 Im Ergebnis sei die bereits von der belangten Behörde festgestellte Verletzung der Geheimhaltungsverpflichtung mit Ausnahme des Namens und des Wohnortes der Erstmitbeteiligten, weil diesbezüglich zum Veröffentlichungszeitpunkt von einer allgemeinen Verfügbarkeit auszugehen gewesen sei zu bejahen.
17 4. Gegen dieses Erkenntnis erkennbar in seinem der Datenschutzbeschwerde der Mitbeteiligten stattgebenden Umfang richtet sich die außerordentliche Revision.
18 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen , die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
21 5.1. Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt (vgl. etwa VwGH 5.6.2020, Ro 2018/04/0023).
22 Dies ist vorliegend nicht der Fall: Soweit die Revision zur Begründung der Zulässigkeit vorbringt, es gelte zu beurteilen, ob eine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG vorliege, wenn bei einer Veröffentlichung personenbezogener Daten diese bereits auf der Homepage einer anderen Organisation ersichtlich seien, übersieht sie zunächst, dass sich die fallbezogen festgestellten Rechtsverletzungen nicht auf die bloße Veröffentlichung des Namens und der Adresse der Mitbeteiligten bezogen, sondern vielmehr auf die in Verbindung mit deren personenbezogenen Daten erfolgte Veröffentlichung der Stellungnahmen der Mitbeteiligten im Rahmen des Verfahrens zur Erstellung des Stadtentwicklungsplans, woraus jeweils die Urheberschaft der jeweiligen Stellungnahme ersichtlich war, was im Vergleich zur bloßen Kenntnis des Inhalts der Stellungnahme in datenschutzrechtlicher Hinsicht einen informationellen Mehrwert darstellt. Insoweit dieser Mehrwert betreffend die personenbezogenen Daten der Erstmitbeteiligten nicht als gegeben angesehen wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht die Datenschutzbeschwerde ohnehin abgewiesen.
23 Führt die Revision ferner das „Beschwerdethema ‚Schutzwürdigkeit von allgemein verfügbaren Daten‘“ und die Erforderlichkeit einer Auseinandersetzung in diesem Zusammenhang mit der Besonderheit einer öffentlich bekannten Person ins Treffen, zeigt sie keine konkrete Rechtsfrage auf, die der Verwaltungsgerichtshof zu klären hätte. Zudem ist angesichts der Feststellungen betreffend die Schwärzung der personenbezogenen Daten für die das Bundesverwaltungsgericht eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung angenommen hat im Zusammenhang mit der von den Verfasserinnen gestatteten Veröffentlichung der Stellungnahmen und der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, die geschwärzten Daten seien von vornherein nicht als allgemein verfügbar im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG anzusehen, keine Maßgeblichkeit für den vorliegenden Fall ersichtlich, weil sich die Revision in diesem Punkt von den zugrundeliegenden Feststellungen und der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es sich bei diesen Daten gerade nicht um „allgemein verfügbare“ Daten im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG gehandelt habe, entfernt.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2024