Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Mag. F G in W, vertreten durch Dr. Thomas Schweiger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Huemerstraße 1/Kaplanhofstraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2024, Zl. W176 2248629 1/17E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Partei: D Ges.m.b.H., W; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Mit Schreiben vom 28. September 2020 erhob die Revisionswerberin eine Datenschutzbeschwerde bei der Datenschutzbehörde (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) gegen die Mitbeteiligte wegen einer Verletzung im Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass im Zuge eines Heilverfahrens in einem Rehabilitationszentrum ohne ihre Zustimmung MRT Befunde bei der Mitbeteiligten angefordert worden seien. Die Mitbeteiligte habe diese Befunde ohne Zustimmung der Revisionswerberin an das Rehabilitationszentrum weitergeleitet. Von diesem Verstoß habe die Revisionswerberin am 25. Juni 2020 mündlich durch Ärzte des Rehabilitationszentrums erfahren.
2 Die belangte Behörde wies die Beschwerde als unbegründet ab.
3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid ab und erklärte die Revision für unzulässig.
4 Das Verwaltungsgericht ging dabei zusammengefasst von folgenden Feststellungen aus: Die Revisionswerberin absolvierte nach einer Hüftoperation im Zeitraum 16. Juni 2020 bis 17. Juli 2020 ein Anschlussheilverfahren gemäß § 65a B KUVG in einem Rehabilitationszentrum. Die Revisionswerberin war zum Zeitpunkt des Anschlussheilverfahrens 77 Jahre alt und ist seit zwei Gehirnoperationen im Jahre 2018 dement und kognitiv signifikant eingeschränkt. Dem ärztlichen Team des Rehabilitationszentrums war dies bekannt. Die Revisionswerberin trat die Rehabilitation ohne jegliche Befunde an und konnte keine Angaben zu ihren Medikamenten und Vorbefunden machen. Der von der Revisionswerberin bevollmächtigte MMag. Dr. P.R. legte einige Tage nach der stationären Aufnahme der Revisionswerberin ein Konvolut radiologischer Bilder vor. Das ärztliche Team des Rehabilitationszentrums sichtete diese radiologischen Bilder, ordnete sie, befundete sie radiologisch und interpretierte sie neurochirurgisch. Bei einem der vorgelegten radiologischen Bilder fehlte der entsprechende Befundteil. Dieser neurologische MRT Befund wurde vom ärztlichen Team des Rehabilitationszentrums für die Einschätzung des Gesundheitszustandes und des weiteren Behandlungsverlaufes der Revisionswerberin im physiotherapeutischen Anschlussheilverfahren als wichtig erachtet. Das ärztliche Team des Rehabilitationszentrums ersuchte daher die Mitbeteiligte am 22. Juni 2020 um Übermittlung eines Duplikats. Der angefragte Befundteil wurde noch am selben Tag von der Mitbeteiligten an das Rehabilitationszentrum gefaxt.
5 Ausgehend von diesem Sachverhalt folgerte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht, die Mitbeteiligte sei gemäß der Definition in Art. 4 Abs. 7 DSGVO als datenschutzrechtlich Verantwortliche zu qualifizieren. Gemäß § 1 Abs. 1 DSG habe jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran bestehe. Nach § 1 Abs. 2 DSG seien Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruchs nur zulässig, wenn die Verwendung personenbezogener Daten im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolge, oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur bei Vorhandensein einer qualifizierten gesetzlichen Grundlage. Würden besondere Kategorien von Daten iSd. Art. 9 Abs. 1 DSGVO verarbeitet, wozu ua. Gesundheitsdaten gehörten, müsse ein Erlaubnistatbestand des Art. 9 Abs. 2 DSGVO vorliegen. Ein Verstoß gegen Art. 5, 6 und 9 DSGVO führe zu einer Verletzung des § 1 Abs. 1 DSG. Es sei unbestritten, dass gegenständlich eine Verarbeitung einer besonderen Kategorie von Daten gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO vorliege. Als Gesundheitsdaten würden nämlich „personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person [...] beziehen und aus denen Informationen über den Gesundheitszustand hervorgehen“ (Art. 4 Z 15 DSGVO), gelten.
6 Eine Verarbeitung des MRT Befundes der Revisionswerberin wäre daher nur dann möglich, wenn eine Ausnahme des Art. 9 Abs. 2 DSGVO vom Verarbeitungsverbot des Art. 9 Abs. 1 DSGVO vorläge. Die Mitbeteiligte könne sich nicht auf eine ausdrückliche Einwilligung der Revisionswerberin zur Datenverarbeitung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO berufen, weil deren kognitive Einschränkung dem ärztlichen Team bekannt gewesen sei.
7 Des Weiteren sei gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. d DSGVO eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie erforderlich sei, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen. Würden besondere Kategorien von Daten iSd. Art. 9 Abs. 1 DSGVO verarbeitet, sei die Verarbeitung zulässig, wenn sie zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person erforderlich sei und die betroffene Person aus körperlichen oder rechtlichen Gründen außerstande sei, ihre Einwilligung zu geben (Art. 9 Abs. 2 lit. c DSGVO). Da die Voraussetzungen gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. c DSGVO strenger seien, erübrige sich die nähere Prüfung der dortigen Voraussetzungen, sofern die Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. d DSGVO nicht erfüllt seien.
8 Der Rechtfertigungsgrund gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. d DSGVO sei dabei eng auszulegen (Hinweis auf OGH 27.11.2019, 6 Ob 150/19f;). Zudem sei die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 lit. d DSGVO auf Fälle zu beschränken, in welchen eine konkrete Gefahrensituation vorliege, weshalb vorbeugende Datenverarbeitungen nicht erfasst seien. Der Schutz von lebenswichtigen Interessen betroffener Personen könne vor allem bei Unfällen oder in anderen Notsituationen vorliegen. Vor dem Hintergrund der Beispiele aus Judikatur und Literatur könne im vorliegenden Fall nicht von einem medizinischen Notfall als Rechtfertigungsgrund für die Datenverarbeitung gesprochen werden.
9 Die Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten iSd. Art. 9 Abs. 1 DSGVO sei ua. zulässig, wenn sie für die medizinische Diagnostik, die Versorgung oder Behandlung im Gesundheits oder Sozialbereich auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats oder aufgrund eines Vertrags mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs und vorbehaltlich der in Absatz 3 genannten Bedingungen und Garantien erforderlich sei (Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO). Gesundheitsdaten dürften zu diesen Zwecken verarbeitet werden, wenn diese Daten von Fachpersonal oder unter dessen Verantwortung verarbeitet werden und dieses Fachpersonal nach dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaats oder den Vorschriften nationaler zuständiger Stellen dem Berufsgeheimnis unterliege, oder wenn die Verarbeitung durch eine andere Person erfolge, die ebenfalls nach dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaats oder den Vorschriften nationaler zuständiger Stellen einer Geheimhaltungspflicht unterliege.
10 Die Mitbeteiligte sei gemäß § 1 Z 3 iVm. § 2 Abs. 3 MTD Gesetz als radiologisch technischer Dienst und folglich als gehobener medizinisch technischer Dienst zu qualifizieren. Sie führe auf Basis ärztlicher Anordnungen eigenverantwortlich Untersuchungen aus, die im Rahmen des medizinischen Untersuchungs , Behandlungs und Forschungsbetriebes erforderlich seien. Sie unterliege der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 11c Abs. 1 MTD Gesetz, sie sei allerdings gemäß § 11b Abs. 2 MTD Gesetz auch dazu verpflichtet, anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe, die die betroffenen Patienten oder Klienten behandeln oder pflegen, die für die Behandlung oder Pflege erforderlichen Auskünfte über von ihr getroffene Maßnahmen zu erteilen. Im Fall dieser Informationsweitergabe werde nicht gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen.
11 Es lägen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass die in Art. 9 Abs. 3 DSGVO genannten Bedingungen und Garantien nicht eingehalten worden seien. Aufgrund der Rechtsgrundlagen im MTD Gesetz sei die Mitbeteiligte ermächtigt gewesen, dem Rehabilitationszentrum als Sonderkrankenanstalt der BVAEB, wo die Revisionswerberin medizinisch behandelt worden sei, die für die Behandlung erforderlichen Auskünfte über die von ihr gesetzten Maßnahmen zu erteilen. Die Übermittlung des MRT Befundes an das Rehabilitationszentrum sei erforderlich gewesen, um den Gesundheitszustand und den weiteren Behandlungsverlauf der Revisionswerberin im physiotherapeutischen Anschlussheilverfahren einschätzen bzw. planen zu können. Angehörige der gehobenen medizinisch technischen Dienste hätten das Wohl und die Gesundheit der Patienten und Klienten unter Einhaltung der hiefür geltenden Vorschriften und nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zu wahren (§ 11 Abs. 1 MTD Gesetz). Auch habe die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde angeführt, dass der Befund zeitlich adäquat ohne Beeinträchtigung der Behandlung durch ihre Vertreter hätte erbracht werden können. Dieser Umstand und der pauschale Verweis, dass der Befund nicht medizinisch erforderlich gewesen sei, seien nicht geeignet, um die Begründung der Mitbeteiligten, welche sich auf die Einschätzung der behandelnden Ärzte im Rehabilitationszentrum beziehe, zu entkräften. Entsprechendes gelte für das Vorbringen der Revisionswerberin, dass der schriftliche Befund allenfalls sekundär sei und primär zur Befundung stets die Bilder herangezogen würden.
Das Vorbringen, dass private oder öffentliche Krankenversicherungen nicht unter Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO fielen, gehe ins Leere, weil sich die vorliegende Datenschutzbeschwerde nicht gegen den Sozialversicherungsträger richte. Die Ausführungen zur „gesetzlichen Interessensabwägung“ könnten keine unzulässige Verarbeitung begründen, da im vorliegenden Fall eine qualifizierte gesetzliche Grundlage iSd. DSGVO vorliege. Zusammengefasst sei die Übermittlung des MRT Befundes gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO zulässig gewesen, weil sie für die medizinische Diagnostik, die Versorgung bzw. Behandlung im Gesundheitsbereich auf der Grundlage des MTD Gesetz erforderlich gewesen sei. Im Ergebnis könne die Mitbeteiligte ihre Rechtfertigung hinsichtlich der gegenständlichen Verarbeitung von Gesundheitsdaten der Revisionswerberin auf die Bestimmungen über die Zwecke der medizinischen Diagnostik, der Versorgung oder Behandlung im Gesundheitsbereich gemäß § 11b Abs. 2 MTD Gesetz iVm Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO stützen.
12 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.
13 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 4.1. Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung wörtlich vor, es bestehe „in casu keine einheitliche Rechtsprechung des VwGH respektive weicht der Erkenntnis von dieser allenfalls bestehenden Rechtsprechung des VwGH ab; respektive die Rechtsprechung ist auf den konkreten Fall nicht übertragbar und der Erkenntnis des BVwG weicht davon bzw. von den Leitlinien des VwGH ab“. Im Anschluss daran gibt die Revision eine ganze Reihe von Geschäftszahlen des Verwaltungsgerichtshofs wieder.
17 4.2. Ein Revisionswerber , der entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, hat konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten Entscheidung gleicht, das Verwaltungsgericht im revisionsgegenständlichen Fall jedoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen reicht zur Darlegung des Abweichens von der Rechtsprechung ebenso wenig aus wie die bloße Zitierung aus Literaturfundstellen ohne jegliche Bezugnahme auf solche Rechtsprechung (VwGH 21.11.2017, Ra 2017/16/0157) oder die Zitierung von Erkenntnissen nach Zahlen ohne Eingehen auf die behaupteten inhaltlichen Abweichungen von dieser Rechtsprechung (VwGH 6.2.2024, Ra 2021/04/0199, mwN).
Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen reicht das Vorbringen der Revision zu ihrer Zulässigkeit, in der bloß die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anhand von Geschäftszahlen zitiert wird, ohne eine Rechtfrage zu benennen oder einen konkreten Fallbezug darzustellen, nicht aus, um dem Erfordernis der konkreten Darlegung der Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nach § 28 Abs. 3 VwGG zu genügen.
18 Dass das angefochtene und im Übrigen ausführlich begründete Erkenntnis laut Revision nicht auf einer verfahrens und materiell rechtlich einwandfreien Grundlage und nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt sei, ist ebenso wenig zu erkennen wie auch, welche Rechtsfrage die Revision als diejenige ins Treffen zu führen wünscht, die im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG geeignet wäre, die Zulässigkeit entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts zu begründen.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. November 2024