JudikaturVwGH

Ra 2024/04/0389 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
05. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision 1. der E H und 2. des R K, beide in F, beide vertreten durch Dr. Helmut Blum und Mag. Andrea Blum, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. April 2024, Zl. LVwG 851916/3/HW 851917/2, betreffend Parteistellung im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 24. August 2023 wies die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (belangte Behörde) die Anträge der Revisionswerber, die belangte Behörde möge sie über den Stand eines näher bezeichneten Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens informieren und ihnen (allenfalls) eine behördliche Entscheidung in diesem Verfahren zustellen, zurück.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gegen diese Entscheidung unzulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht stellte soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz fest, die A GmbH habe unter Vorlage von Projektunterlagen um die Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer (näher bezeichneten) Betriebsanlage angesucht. Im Genehmigungsverfahren sei eine mündliche Verhandlung anberaumt worden. Die Verhandlung sei an der Amtstafel der Gemeinde F angeschlagen und auf der Internetseite der Behörde verlautbart worden. Auf die Rechtsfolge der Präklusion sei in der Kundmachung hingewiesen worden. Die Revisionswerber seien nicht persönlich verständigt worden und hätten im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren keine rechtzeitigen Einwendungen erhoben. Ihre Liegenschaft sei über 1 km von der geplanten Betriebsanlage entfernt.

4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, im gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren habe eine mündliche Verhandlung stattgefunden, wobei eine Kundmachung gemäß § 356 Abs. 1 Z 1 und 2 GewO 1994 erfolgt sei. Im vorliegenden Fall sei festzuhalten, dass die Liegenschaft der Revisionswerber weder an das Betriebsgrundstück angrenze noch von diesem lediglich durch eine Straße (oder in einer vergleichbaren Weise) getrennt sei. Vielmehr sei die Liegenschaft der Revisionswerber über 1 km von der geplanten Betriebsanlage entfernt. Weder der Anschlag auf dem Betriebsgrundstück noch der Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern diene der Verständigung der Nachbarn von weiter entfernten Häusern. Ein (allfälliger) die Revisionswerber betreffender Kundmachungsmangel liege somit jedenfalls nicht vor, sodass die Revisionswerber mangels Erhebung von Einwendungen ihre Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG verloren hätten. Die belangte Behörde habe daher zu Recht dem Antrag auf Zustellung einer allenfalls ergangenen behördlichen Entscheidung nicht stattgegeben.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B VG. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2024, E 1777/2024, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 In der Folge erhoben die Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revisionswerber bringen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision vor, die Auslegung des § 356 Abs. 1 GewO 1994 sei umstritten. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig und nenne alle vier Kundmachungsformen kumulativ. Eine gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei zu dieser Frage soweit ersichtlich nicht vorhanden. Darüber hinaus hätte eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht stattfinden müssen.

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und herrschender Lehre bedarf es zwecks Aufrechterhaltung der Parteistellung (§ 42 AVG) grundsätzlich der Kundmachung auf jede Weise der in § 356 Abs. 1 Z 2 bis 4 GewO 1994 vorgesehenen besonderen Form (vgl. etwa VwGH 23.1.2023, Ro 2019/04/0015, Rn. 16, mwN).

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch auch wiederholt ausgesprochen, dass weder der „Anschlag auf dem Betriebsgrundstück“ noch der „Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern“ der Verständigung der Nachbarn von weiter entfernten Häusern dient, zumal gemäß § 356 Abs. 1 letzter Satz GewO 1994 statt durch Anschlag im Sinn der Z 3 und 4 die Bekanntgabe aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit auch durch persönliche Verständigung des engeren Nachbarkreises erfolgen kann (vgl. erneut VwGH 23.1.2023, Ro 2019/04/0015, hier Rn. 17 bzw. VwGH 15.12.2020, Ra 2018/04/0198, Rn. 22).

13 Mängel der Kundmachung wirken sich nur gegenüber jenen Personen aus, die von ihnen auch tatsächlich betroffen sind. Personen, auf die sich der Kundmachungsmangel nicht auswirkt, werden daher trotz des Mangels von der Präklusionswirkung des § 42 Abs. 1 AVG erfasst. Die durch die Kundmachung jeweils adressierten Nachbarkreise können gegen ihre Präklusion nicht einwenden, dass der jeweils andere (engere oder weitere) Nachbarkreis nicht ordnungsgemäß verständigt wurde, denn diese fehlende Verständigung hat ihre Informationslage nicht verschlechtert (vgl. erneut VwGH 15.12.2020, Ra 2018/04/0198, nunmehr Rn. 23, mwN).

14 Im vorliegenden Fall werden die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, dass die Liegenschaft der Revisionswerber über 1 km von der geplanten Betriebsanlage entfernt sei und damit weder an das Betriebsgrundstück angrenze noch von diesem lediglich durch eine Straße oder in einer vergleichbaren Weise getrennt sei, von der Revision in der Zulässigkeitsbegründung nicht bestritten. Den damit zum weiteren Nachbarkreis zu zählenden Revisionswerbern gegenüber wurde die mündliche Verhandlung unstrittig sowohl durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde als auch durch Verlautbarung auf der Internetseite der belangten Behörde ordnungsgemäß kundgemacht. Ausgehend davon liegt nach dem Gesagten ein die Revisionswerber betreffender Kundmachungsmangel nicht vor.

15 Da somit Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur von der Revision aufgeworfenen Frage der Auslegung des § 356 Abs. 1 GewO 1994 besteht, von der das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall auch nicht abgewichen ist, zeigt die Revision in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG auf.

16 Soweit die Revisionswerber darüber hinaus das Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beanstanden, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Verhandlung entfallen kann, wenn wie im vorliegenden Fall der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 8.7.2021, Ra 2021/03/0094, Rn. 7). Die Revision legt mit ihrem insoweit nur kursorischen Vorbringen auch nicht dar, auf Grund welcher Umstände die Durchführung einer Verhandlung trotz Erfüllung des Tatbestandes des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des Verwaltungsgerichts geboten gewesen wäre (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0341, 0342, Rn. 19, mwN).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 5. März 2025

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