JudikaturVwGH

Ra 2024/03/0068 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer, die Hofräte Dr. Faber, Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Wvereins in V, vertreten durch Dr. Alexander Pflaum, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rechte Bahngasse 10/19D, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 23. April 2024, Zl. LVwG 552903/18/Fi/SW, betreffend Ausnahme von einer Schonzeit nach dem Oö. Jagdgesetz 2024 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Ö AG in P, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1010 Wien, Singerstraße 17 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 1.1. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2023 wurde bei der Oberösterreichischen Landesregierung (der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht) ein formularmäßiger Antrag auf Erteilung einer „Ausnahmebewilligung zur selektiven Entnahme einzelner Birkhahnen während der Schonzeit“ für das Jagdjahr 2024/25 gestellt. Unter der Rubrik „Antragsteller/ in“ sind als Jagdausübungsberechtigte die „Jagdgesellschaft Z“ (im Folgenden: Jagdgesellschaft) und als Bezeichnung des Jagdgebietes die mitbeteiligte Partei mit „Jagdgebiet Z“ angeführt. Der Antrag lautet auf „Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Schonzeit innerhalb eines dreiwöchigen Zeitraumes im Mai zur Entnahme von 1 Stück Birkhahn/en gemäß § 48 Abs. 3 lit e Oö. Jagdgesetz zur selektiven Entnahme zu privaten Zwecken“ ohne weitere Angaben. Er wurde „i.V.“ von einem Mitarbeiter der mitbeteiligten Partei unter Anbringung eines Stempels mit deren Firmenwortlaut unterzeichnet.

2 1.2. Darüber erließ die belangte Behörde am 27. Dezember 2023 einen Bescheid, dessen Vorspruch und Spruchpunkt I. wörtlich lauteten:

„Mit Eingabe vom 27.10.2023 hat die [mitbeteiligte Partei] für die [Jagdgesellschaft] die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Schonzeit innerhalb eines dreiwöchigen Zeitraumes im Mai zur Entnahme von einem Birkhahn für das Jagdjahr 2024/25 gemäß § 48 Abs. 3 lit. e Oö. Jagdgesetz beantragt. Über diesen Antrag ergeht von der Oö. Landesregierung als Organ der Landesverwaltung nachstehender

SPRUCH:

I. Dem Antrag wird Folge gegeben und der Jagdausübungsberechtigten die Bewilligung zur Bejagung von einem Birkhahn (männliches Exemplar) im Jagdgebiet [...] gemäß § 48 Abs. 3 lit e Oö. Jagdgesetz unter folgenden Auflagen, Bedingungen und Befristungen erteilt:

1. Die Bewilligung gilt ab dem Ende der Hauptbalzzeit für die Dauer von maximal drei Wochen im Mai 2024. Der Beginn der Schusszeit ist vom Jagdausübungsberechtigten bis längstens 26. April 2024 der Bezirkshauptmannschaft [...] schriftlich bekannt zu geben.

2. Dominante Hahnen sind zu schonen.

3. Die Entnahme hat mittels Abschusses zu erfolgen, wobei Kugelkaliber ab .22 aufwärts oder Schrotgrößen von mindestens 3,5 mm in den gängigen jagdlichen Kalibern zu verwenden sind. Als Jagdmethoden sind die Ansitz- und die Pirschjagd zulässig. Die Jagd mit Stöberhunden ist verboten.

4. Die Durchführung des Abschusses ist der Bezirksverwaltungsbehörde binnen dreier Tage zu melden und das erlegte Tier über Aufforderung der Behörde dem Bezirksjägermeister vorzulegen (Grünvorlage).“

3 1.3. Die revisionswerbende Partei ist eine gemäß § 19 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 zur Ausübung der Parteienrechte im gesamten Bundesgebiet anerkannte Umweltorganisation. Sie erhob gegen den genannten Bescheid (und weitere 44 gleichlautende, hier nicht verfahrensgegenständliche Bescheide betreffend andere Jagdgebiete) Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht). Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass das verwendete Antragsformular den gesetzlichen Vorgaben nicht entspreche, weil eine Darlegung fehle, zu welchen privaten Zwecken eine Entnahme erfolgen solle, warum eine solche erforderlich sei, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gebe und der günstige Erhaltungszustand aufrechterhalten werde. Der Antrag sei daher als unschlüssig abzuweisen gewesen. Weiters könne eine Grünvorlage keinesfalls als „strenge Überwachung“ der Einhaltung des Spruchpunktes (I.) 2. des Bescheids, wonach die „dominanten Hahnen“ zu schonen seien, angesehen werden, weil dabei die soziale Stellung des vorgelegten Tieres nicht kontrolliert werden könne.

4 1.4. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht diese Beschwerde (in Bezug auf den oben angeführten Bescheid) als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision dagegen nicht zulässig sei.

5 Als Partei zog das Verwaltungsgericht seinem Verfahren neben der (nunmehr) revisionswerbenden Partei als beschwerdeführende Partei und der belangten Behörde ausschließlich die (nunmehr) mitbeteiligte Partei nicht jedoch die Jagdgesellschaft (also die im Antrag vom 24. Oktober 2023 angeführte Jagdausübungsberechtigte, der mit dem bekämpften Bescheid die Bewilligung erteilt wurde) bei.

6 Als Sachverhalt stellte das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis zunächst fest, die mitbeteiligte Partei habe einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Schonzeit innerhalb eines dreiwöchigen Zeitraumes im Mai zur Entnahme von einem Birkhahn gemäß § 48 Abs. 3 lit. e Oö. Jagdgesetz [1964] (nunmehr: § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024) zur selektiven Entnahme zu privaten Zwecken gestellt.

7 Grundlage für die Erteilung der Ausnahmebewilligung seien Bestandszählungen durch die Jagdausübungsberechtigten. Gleich wie die Zählungen erfolge auch die Biotoppflege, die bei einer Untersagung der Jagd nicht mehr durch die Jagdausübungsberechtigten durchgeführt werden würde, durch diese. Die Bestände des Birkhuhns seien in Oberösterreich trotz Bejagung weitgehend stabil, sie könnten (anhand näher angeführter Zahlen) keinesfalls als abnehmend zu qualifizieren sein. Die Managementstrategie unter Einbeziehung der Jagd sei dem Ziel der Vogelschutz-Richtlinie dienlich. In Oberösterreich erfolge das praktische Wildtiermanagement des Birkhuhns primär über die Jagd (Nutzung, Hege und Habitatgestaltung, Monitoring und Kontrolle) und die Grundeigentümer (Lebensraumgestaltung). Das flächendeckende Management erfolge über die Jagdgebiete, für die die Jagdleiter und Jagdaufsichtsorgane verantwortlich seien. Die Zählung an Balzplätzen zur Bestandserfassung sei in Birkhuhngebieten die günstigste Zählmethode.

8 Die Birkhuhnjagd habe in Zentraleuropa für Jäger immer schon eine große kulturelle, weniger eine ökonomische Bedeutung gehabt. Die Jagd im Gebirge habe seit Jahrhunderten einen besonderen gesellschaftlichen und kulturellen Stellenwert in der österreichischen Jagd. Dementsprechend hoch sei immer noch der ideelle Wert von Trophäen. Der besondere Wert der Trophäen liege in der besonderen Symbolik, die sich aus der beschwerlichen Beschaffung der Trophäe im alpinen Gelände ergebe.

9 Insgesamt ergäben sich für Österreich folgende Schlussfolgerungen:

- „Bestände in Österreich sind bei bestehender Bejagung weitgehend stabil

- In anderen europäischen Gebieten kam es nach Einstellung der Jagd zu Bestandsabnahmen

- Nachhaltige Bejagung entspricht der internationalen Naturschutzpolitik

- Flächendeckendes Monitoring in Österreich notwendig

- Jäger als wichtiger Mitarbeiter im flächendeckenden Raufußhuhn-Monitoring

- Jäger als Mitarbeiter für ein ökonomisches Habitat-Management

- Jagd als Motivation zur Habitatpflege durch Grundbesitzer.“

10 Im „österreichischen System“ sei ohne Mitarbeit von Jägern und Grundbesitzern bei Monitoring, Management und Habitatpflege kein zufriedenstellendes Management im Hinblick auf die Arterhaltung beim Birkhuhn möglich. Insgesamt ergebe sich, dass für Österreich eine Einstellung der Jagd auf das Birkhuhn keine zufriedenstellende Lösung im Hinblick auf das Ziel der Erhaltung der Art sei.

11 Bezüglich Störungsintensität und häufigkeit ergebe sich bei der Bejagung am Balzplatz im Frühjahr nach der Hauptbalz die schonendste Möglichkeit der Entnahme. Bei der Herbstjagd sei eine weiträumigere Störung zu erwarten.

12 Das Birkhuhn besitze ein spezielles Paarungssystem („Lek Paarungssystem“ oder „Männliche Dominanz Polygynie“). Hahnen fänden sich im Frühjahr zu Balzgruppen (so genannten „Leks“) zusammen, welche von den Weibchen nur zum Zweck der Paarung aufgesucht würden. Die Männchen verteidigten keine Ressourcen, sondern konkurrierten um Status und die Gunst der Weibchen. Typisches Kennzeichen sei, dass sich die Weibchen die besten Männchen aussuchten und sich ein Großteil der Weibchen mit nur wenigen (meist 1 2) Männchen verpaare. Beim Birkhuhn sei beobachtet worden, dass ältere Hahnen, dominante Hahnen, Hahnen, die am meisten gekämpft oder sich am längsten am Balzplatz aufgehalten oder aber zentrale Positionen eingenommen hätten, als Kopulationspartner ausgewählt worden seien.

13 Das Gutachten „zur Anwendung der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten“ des Forschungsinstitutes für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien vom 31. Jänner 2008 betreffend Auerhuhn und Birkhuhn sei zum Schluss gekommen, dass die geringe Entnahme von nur männlichen, nicht dominanten Exemplaren empfohlen werde, diese aber selektiv erfolgen müsse. Der beste und sicherste Nachweis eines dominanten Hahnes erfolge durch Beobachtung, welche Hahnen die Kopulationen durchführten. Auch durch die Beobachtung weiteren Territorial und Sozialverhaltens sei es möglich, die Dominanzstruktur zu erkennen. Eine Bejagung nach Art. 7 der Vogelschutz Richtlinie sei somit nicht zweckmäßig, sondern es sei in Österreich eine Bejagung im Rahmen einer Ausnahme nach Art. 9 der Richtlinie erforderlich. Die Bejagung von Birkhahnen am Balzplatz im Frühjahr sei am selektivsten und für den österreichischen Lebensraum am schonendsten für die Bestände.

14 Der (vom Verwaltungsgericht) beigezogene jagdfachliche Amtssachverständige sei zum Ergebnis gekommen, dass sich die Birkhuhnpopulation in Oberösterreich seit Jahren auf annähernd gleichem Niveau befinde und die Entnahme von 1 % des gesamten jährlichen Ausfalls des Birkhuhnbestands keine Gefahr für den Erhaltungszustand darstelle. Zudem sei die Bejagung von Birkhahnen erforderlich. Nur wenn eine flächendeckende Zählung erfolge, kenne man den Bestand und erfolge eine Pflege des Biotops. Werde das Biotop zerstört, dann finde keine Balz/Reproduktion statt und das Birkwild werde dort abwandern und dann Schritt für Schritt aussterben. Bei der Grünvorlage könne unterschieden werden, ob es sich um einen jüngeren oder einen älteren Hahn handle.

15 In seinen rechtlichen Erwägungen gab das Verwaltungsgericht zunächst den Inhalt der einschlägigen Bestimmungen des oberösterreichischen Jagdrechtes wieder. Sodann führte es aus, es sei nicht ersichtlich, inwieweit das verwendete Antragsformular nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche, weil gesetzliche inhaltliche Anforderungen bzw. Vorgaben für einen Antrag wie den vorliegenden nach (nunmehr) § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024 nicht ersichtlich seien.

16 Auch dem Beschwerdevorbringen, wonach eine Grünvorlage keinesfalls als streng überwachte Bedingung anzusehen sei, könne nicht gefolgt werden. Nach den Ausführungen des jagdfachlichen Amtssachverständigen könne bei der Grünvorlage unterschieden werden, ob es sich um einen jüngeren oder älteren Birkhahn handle. Die besondere Bedeutung, die das Oö. Jagdgesetz 2024 einer Grünvorlage beimesse, zeige sich insbesondere bei der Überprüfung der Abschussplanerfüllung durch die Behörde. Werde eine solche angeordnet und diese Anordnung nicht befolgt, stelle dies in der Regel eine schwerwiegende Verfehlung dar. Zudem erfolgten bereits die Zählungen des Birkwildes (sowie die Biotoppflege, die bei einer Untersagung der Jagd nicht mehr durch die mitbeteiligte Partei durchgeführt werden würde) durch die Jagdausübungsberechtigten, sodass diese einordnen könnten, welche Hahnen dominant seien. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks könne davon ausgegangen werden, dass solche geschont würden.

17 Wie die belangte Behörde zutreffend ausführe, sei das genannte Gutachten des Forschungsinstitutes für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien eingeholt worden, um die wesentlichen Kriterien, die eine Erteilung einer Ausnahmebewilligung rechtfertigen könnten, auf wissenschaftlicher Basis zu beurteilen. Dieses Gutachten bilde die fachliche Grundlage für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen in Österreich. In ihm sei umfangreich und schlüssig dargestellt worden, dass eine Entnahme von Birkhahnen im Frühjahr einerseits selektiver, andererseits für die Gesamtpopulation schonender sei. Darüber hinaus ergebe es eindeutig, dass diese selektive Entnahme im Frühjahr den Grundsätzen einer nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen in weitaus höherem Maße als eine Entnahme im Herbst/Winter, die aufgrund der Vogelschutz-Richtlinie ohne geschlechtsspezifische oder mengenmäßige Beschränkung erlaubt wäre, entspreche. „Nachhaltig“ sei eine Bewirtschaftung dann, wenn nicht mehr Exemplare einer Art entnommen würden als nachwachsen.

18 Nach der schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Stellungnahme des jagdfachlichen Amtssachverständigen sei die Bejagung von Birkhahnen zur Erhaltung des Biotops erforderlich. Der Birkhahnbestand sei in Oberösterreich stabil, dies sei aus den regelmäßigen Bestandserhebungen durch Zählungen der Jagdausübungsberechtigten und den darauf basierenden Berechnungen gut ersichtlich. Durch eine flächendeckende Zählung kenne man den Bestand, und es erfolgte eine Pflege des Biotops. Werde das Biotop nicht mehr gepflegt und auf Sicht zerstört, dann finde keine Balz/Reproduktion statt. Das Birkwild werde dort abwandern und dann Schritt für Schritt aussterben. In Oberösterreich erfolge die Bejagung von Birkhahnen nicht jährlich, sondern nur alle zwei Jahre (in geraden Jahren). Weibliche Tiere würden nicht bejagt.

19 Die von der belangten Behörde berechnete Stückzahl entspreche dem vom EuGH (in seiner näher dargestellten Rechtsprechung) geforderten Kriterium der „geringen Menge“ im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung, sie sei auf die örtlichen Bestände des Birkhuhns (Gesamtpopulation) abgestimmt und bewege sich unter der 1% Marke der natürlichen Gesamtsterblichkeit.

20 Die beantragte Entnahme von geringen Mengen von Birkhähnen zur Zeit der Balz stelle die einzige zufriedenstellende Bejagungsart, die zudem den günstigen Erhaltungszustand des Birkhuhns aufrechterhalte, dar. Die Birkhuhnbestände seien seit vielen Jahren stabil, somit sei der Erhaltungszustand stabil und werde unter streng überwachten Bedingungen aufrechterhalten. Dieser bisher stabile Zustand belege auch die Effektivität des gewählten Systems.

21 1.5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

22 1.6. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof haben die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei Revisionsbeantwortungen eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 2. Während des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist mit 1. April 2024 das Oö. Jagdgesetz 2024, LGBl. Nr. 20, in Kraft getreten und damit das Oö. Jagdgesetz, LGBl. Nr. 32/1964 in der zuletzt geltenden Fassung, außer Kraft getreten, sodass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf der Grundlage des Oö. Jagdgesetzes 2024 zu treffen hatte (vgl. § 90 Abs. 1, § 91 Abs. 1 und 2 Oö. Jagdgesetz 2024).

24 Das demnach maßgebliche Landesgesetz über die Regelung des Jagdwesens in Oberösterreich (Oö. Jagdgesetz 2024), LGBl. Nr. 20, lautet auszugsweise:

§ 11 Jagdberechtigte; Jagdausübungsberechtigte

(1) Das Jagdrecht steht mit den in diesem Landesgesetz bestimmten Beschränkungen der Grundeigentümerin oder dem Grundeigentümer bzw. der Gesamtheit der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer zu. Als selbständiges dingliches Recht kann das Jagdrecht nicht begründet werden. Jagdberechtigte im Sinn dieses Landesgesetzes sind:

1. in Eigenjagdgebieten: die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer (Eigenjagd);

2. in genossenschaftlichen Jagdgebieten: die Jagdgenossenschaft (Genossenschaftsjagd).

(2) Jagdausübungsberechtigte sind nach Maßgabe der Abs. 3 und 4 in Eigenjagdgebieten die Eigentümerinnen und Eigentümer, die Pächterinnen und Pächter oder die Jagdverwalterinnen und Jagdverwalter. In genossenschaftlichen Jagdgebieten sind Jagdausübungsberechtigte die Pächterinnen und Pächter oder die Jagdverwalterinnen und Jagdverwalter.

...

§ 42 Schonzeiten

(1) Zum Zweck der Wildhege (§ 4 Abs. 2) ist das Wild unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Land- und Forstwirtschaft im erforderlichen Ausmaß zu schonen. Die Landesregierung hat für die einzelnen Wildarten, erforderlichenfalls gesondert nach Alter und Geschlecht, die Schonzeiten nach Anhörung des Landesjagdausschusses durch Verordnung festzusetzen oder die Jagd auf bestimmte Wildarten gänzlich einzustellen.

(2) Während der Schonzeit dürfen Tiere der geschonten Wildarten weder gejagt, noch gefangen, noch absichtlich getötet werden. ...

...

§ 43 Ausnahmen von den Schonzeiten

...

(2) Die Landesregierung kann auf Antrag oder von Amts wegen Ausnahmen von den Verboten gemäß § 42 Abs. 2 mit Bescheid bewilligen bzw. verfügen, wenn dies

1. im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit,

2. zur Abwendung von Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Kulturen, in der Tierhaltung, an Wäldern, an Fischwässern und an Gewässern,

3. zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume,

4. zu Zwecken der Wissenschaft und des Unterrichts, der Aufstockung der Bestände, der Wiederansiedlung sowie der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht von Tieren oder

5. zu sonstigen öffentlichen oder privaten Zwecken im Rahmen einer vorübergehenden Beunruhigung, einer selektiven Entnahme oder der Haltung bestimmter Tierarten in geringen Mengen unter streng überwachten Bedingungen

erforderlich ist.

...

(5) Ausnahmen von der Schonzeit gemäß Abs. 2 bis 4 dürfen für Wild, welches der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. Nr. L 20 vom 26.1.2010, S 7 ff., in der Fassung der Verordnung (EU) 2019/1010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 zur Angleichung der Berichterstattungspflichten im Bereich der Rechtsvorschriften mit Bezug zur Umwelt und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 166/2006 und (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/49/EG, 2004/35/EG, 2007/2/EG, 2009/147/EG und 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 338/97 und (EG) Nr. 2173/2005 des Rates und der Richtlinie 86/278/EWG des Rates, ABl. Nr. L 170 vom 25.6.2019, S 115 ff. (in der Folge ‚Vogelschutz Richtlinie‘), unterliegt oder im Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. Nr. L 206 vom 22.7.1992, S 7 ff., in der Fassung der Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Umwelt aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien, ABl. Nr. L 158 vom 10.6.2013, S 193 ff. (in der Folge ‚FFH Richtlinie‘), angeführt ist, überdies nur bewilligt werden, wenn es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und der günstige Erhaltungszustand der betroffenen Wildarten aufrechterhalten wird. Wird die Ausnahmebewilligung aus Gründen des Abs. 2 Z 2 erteilt, muss diese auf die Abwendung erheblicher Schäden gerichtet sein.

(6) Bescheide gemäß Abs. 2 bis 4 haben insbesondere Angaben über

1. die Wildart, für welche die Ausnahme bestimmt ist,

2. den Ausnahmegrund,

3. die zugelassenen Fang-, Vergrämungs- oder Tötungsmittel, einrichtungen und methoden,

4. die Kontrollmaßnahmen und

5. erforderlichenfalls zeitliche und örtliche Umstände der Ausnahme

zu enthalten.

...

§ 84 Zugang von berechtigten Umweltorganisationen zu den Gerichten

(1) Berechtigte Umweltorganisationen im Sinn dieses Landesgesetzes sind Vereine oder Stiftungen, die gemäß § 19 Abs. 7 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP G 2000), BGBl. Nr. 697/1993, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 26/2023, zur Ausübung von Parteienrechten in Oberösterreich befugt sind.

...

(3) Berechtigte Umweltorganisationen haben das Recht, gegen Bescheide gemäß § 43 Abs. 5 und 7, § 44 Abs. 3 sowie § 56 Abs. 2 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben, und zwar wegen der Verletzung von Vorschriften dieses Landesgesetzes, soweit sie Bestimmungen der Vogelschutz Richtlinie oder der FFH Richtlinie umsetzen.

...“

25 Nach § 1 Abs. 1 der Oö. Schonzeitenverordnung 2007, LGBl. Nr. 72 idF LGBl. Nr. 38/2012, durfte das Birkwild ganzjährig weder gejagt noch gefangen noch getötet werden.

3.1. Zur Revisionsberechtigung nach Art. 133 Abs. 6 und 8 B VG:

26 Nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Wer in anderen als den in Art. 133 Abs. 6 B VG genannten Fällen wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben kann, bestimmen nach Art. 133 Abs. 8 B VG die Bundes oder Landesgesetze.

27 Die belangte Behörde bringt in ihrer Revisionsbeantwortung vor, bei der revisionswerbenden Partei als anerkannter Umweltorganisation handle es sich im Hinblick auf die ihr in § 84 Oö. Jagdgesetz 2024 eingeräumten Parteienrechte (insbesondere das Recht auf Beschwerde an das Verwaltungsgericht) um eine sogenannte Formalpartei. Einer solchen kämen nach der näher angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (darunter VwGH 9.8.2021, Ra 2021/03/0128, zum Oö. Jagdgesetz [1964]) abgesehen von hier nicht in Rede stehenden prozessualen Rechten keine subjektive Rechte zu, die zur Revisionserhebung im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG berechtigten. Weil eine Berechtigung zur Erhebung einer Revision auch nicht im Oö. Jagdgesetz 2024 (also im Sinne des Art. 133 Abs. 8 B VG) normiert worden sei, sei die vorliegende Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

28 Das Beschwerderecht von Umweltorganisationen nach § 84 Abs. 3 Oö. Jagdgesetz 2024, welches beschränkt ist auf die Geltendmachung der „Verletzung von Vorschriften dieses Landesgesetzes, soweit sie Bestimmungen der Vogelschutz-Richtlinie oder der FFH Richtlinie umsetzen“, dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention iVm Art. 47 GRC (vgl. VwGH 3.9.2024, Ra 2023/03/0154, Rn. 19 bis 21, mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien zum Oö. Jagdgesetz [1964]).

29 Art. 9 Abs. 3 Aarhus Konvention verpflichtet die Mitgliedstaaten in Verbindung mit Art. 47 GRC dazu, für Mitglieder der Öffentlichkeit im Sinn dieser Bestimmung der Aarhus Konvention einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten (vgl. etwa VwGH 1.9.2022, Ra 2022/03/0168, und 18.12.2020, Ra 2019/10/0081, je mwN). Demnach müssen Umweltverbände zwingend die nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie die unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der Union geltend machen können (vgl. VwGH 28.3.2022, Ra 2020/10/0101, mwN, EuGH 8.11.2016, C 243/15, Lesoochranárske zoskupenie VLK , Rn. 59, und 20.12.2017, C 664/15, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation , Rn. 39). Soweit eine Umweltorganisation als „Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit“ iSd Art. 9 Aarhus Konvention ihre Beschwerdelegitimation im Sinne dieser Rechtsprechung unmittelbar auf das Unionsrecht stützt, ist sie jedoch auch darauf beschränkt, im Verfahren die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen (vgl. je mwN VwGH 30.6.2022, Ra 2019/07/0112, Rn. 20, sowie VwGH 25.3.2023, Ra 2021/10/0139: nicht auch Verstöße gegen bloß nationales Umweltrecht).

30 Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 3 Aarhus Konvention konkret zur Umsetzung dieser Bestimmung in der damaligen unionsrechtlichen Regelung der Umweltverträglichkeitsprüfung durch Art. 10a der Richtlinie 85/337 bereits ausgesprochen, dass es dem nationalen Gesetzgeber zwar freistehe, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 10a der Richtlinie 85/337 (Art. 9 Abs. 3 Aarhus Konvention) geltend machen kann, auf subjektiv öffentliche Rechte zu beschränken, doch kann eine solche Beschränkung nicht als solche auf Umweltverbände angewandt werden, weil dadurch die Ziele dieser Bestimmung missachtet würden. So widerspräche es zum einen dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit „einen weiten Zugang zu Gerichten“ zu gewähren, und zum anderen dem Effektivitätsgrundsatz, wenn die betreffenden Verbände nicht auch eine Verletzung von aus dem Umweltrecht der Union hervorgegangenen Rechtsvorschriften geltend machen können, nur weil Letztere Interessen der Allgemeinheit schützen. Dies nähme den Umweltverbänden weitgehend die Möglichkeit, die Beachtung der aus dem Unionsrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen, die in den meisten Fällen auf das allgemeine Interesse und nicht auf den alleinigen Schutz der Rechtsgüter Einzelner gerichtet sind (EuGH 12.5.2011 , Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland , C 115/09, Rn. 45, 46; vgl. in diesem Sinne in der Folge auch EuGH 15.10.2015, Kommission/Deutschland , C 137/14, Rn. 91, zu Art. 11 der Richtlinie 2011/92).

31 Soweit daher der Landes bzw. Bundesgesetzgeber einer Umweltorganisation nicht ausdrücklich auf Grundlage des Art. 133 Abs. 8 B VG das Recht auf die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof einräumt, ist im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 Aarhus Konvention iVm Art. 47 GRC zur Herstellung einer unionsrechtskonformen Rechtslage anzunehmen, dass einer Umweltorganisation ein subjektiv öffentliches Recht auf Einhaltung jener nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie der unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der Union, zukommt, sodass sie in diesem Umfang gestützt auf Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG Revision erheben können (so bereits im Ergebnis VwGH 11.5.2021, Ra 2020/07/0058, Rn. 37, zum Wasserrechtsgesetz 1959 unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu [nunmehr] § 3 Abs. 9 UVP G 2000, beginnend mit VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117, Rn. 14 bis 17; vgl. weiters VwGH 28.3.2022, Ra 2020/10/0101, wonach es sich verbietet, die Legitimation einer Umweltorganisation [zur Beschwerde an ein Verwaltungsgericht] aus Gründen eines aus dessen subjektiven Rechten abgeleiteten Rechtsschutzinteresses einzuschränken, und sich deren Rechtsstellung insofern von jener sonstiger Formalparteien unterscheidet; vgl. schließlich zur Einräumung eines subjektiven Rechtes auf „Einhaltung von Umweltschutzvorschriften“ beispielsweise § 19 Abs. 4 UVP G 2000). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die betreffende Umweltorganisation etwa aufgrund einer ihr ausdrücklich eingeräumten oder unionsrechtlich begründeten Beschwerdeberechtigung dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Partei tatsächlich zugezogen worden war (vgl. die zu § 26 Abs. 2 VwGG ergangene Rechtsprechung, etwa VwGH 22.1.2021, Ro 2020/02/0005 bis 0007, mwN).

32 Die vom Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 9. August 2021, Ra 2021/03/0128, zur Revisionslegitimation einer Umweltorganisation vertretene gegenteilige Rechtsansicht ist damit als überholt anzusehen. Schon weil dieser Beschluss zu einer früheren Rechtslage (dem inzwischen außer Kraft getretenen Oö. Jagdgesetz [1964]) ergangen ist, liegt hier auch kein Fall des § 13 VwGG vor (vgl. VwGH 9.11.2004, 2003/01/0447, und 4.12.2003, 2002/16/0246, mwN, im Hinblick auf das Vorliegen eines formell neuen Gesetzes, selbst bei inhaltlicher Übereinstimmung).

33 Wenngleich § 84 Abs. 3 Oö. Jagdgesetz 2024 der revisionswerbenden Partei, die dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Partei beigezogen war, nicht gemäß Art. 133 Abs. 8 B VG die Revisionslegitimation einräumt, ist diese daher im vorliegenden Verfahren berechtigt, gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG Revision zur Geltendmachung der Verletzung des Oö. Jagdgesetzes 2024, soweit es die Vogelschutz-Richtlinie (Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten) umsetzt, zu erheben. Dies ist hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Bewilligung gemäß § 43 Abs. 2 und 5 Oö Jagdgesetz 2024 der Fall, weil die Bejagung des Birkwildes ( Lyrurus tetrix, Tetrao tetrix ) der Vogelschutz-Richtlinie unterliegt (vgl. dessen Anführung in Anhang II Teil B der Vogelschutz Richtlinie).

3.2. Zur fehlenden Gegenstandslosigkeit

34 Die mit der Revision bekämpfte Bewilligung war im Zeitpunkt der Revisionserhebung (am 7. Juni 2024) aufgrund ihrer zeitlichen Befristung auf maximal drei Wochen im Mai 2024 bereits erloschen.

35 Dennoch kommt eine Zurückweisung der Revision einer Umweltorganisation aus dem Grund eines fehlenden Rechtsschutzinteresses nicht in Betracht (vgl. VwGH 3.9.2024, Ra 2023/03/0154, Pkt. 4.9, zur Fortführung des Revisionsverfahrens trotz zwischenzeitigen Ablaufes der bekämpften Anordnung unter Hinweis auf VwGH 28.3.2022, Ra 2020/10/0101, zum Beschwerdeverfahren).

36 3.3. Die Revision ist auch im Hinblick auf Art 133 Abs. 4 B VG zulässig, weil sie insofern zutreffend erkennbar u.a. vorbringt, es fehle Rechtsprechung zur notwendigen Angabe des konkreten „privaten Zwecks“ zur Erlangung einer Ausnahmebewilligung nach § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024.

37 4. Sie ist im Ergebnis auch begründet.

4.1. Zur Angabe des Zwecks, dem die Ausnahme dient (Ausnahmegrund)

38 Die Revision erblickt eine Rechtsverletzung darin, dass lediglich die Verfolgung eines privaten Zweckes durch die mitbeteiligte Partei behauptet werde, ohne diesen privaten Zweck näher darzulegen, womit eine Prüfung der Vereinbarkeit der Ausnahme mit dem gesetzlichen Schutzstandard ausgeschlossen sei.

39 Die mitbeteiligte Partei bringt in ihrer Revisionsbeantwortung vor, dass „die Jagd“ auch als „privater Zweck“ iSd § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024 anzusehen sei. Die belangte Behörde verweist in der Revisionsbeantwortung darauf, dass nach der in § 39 Abs. 2 AVG verankerten Offizialmaxime der rechtserhebliche Sachverhalt amtswegig zu ermitteln sei und nach § 45 Abs. 1 AVG notorische Tatsachen keines Beweises bedürften. Bei den mit dem Antrag verfolgten privaten Zwecken handle es sich um solche notorischen Tatsachen.

40 Allerdings haben gemäß § 43 Abs. 6 Z 2 Oö. Jagdgesetz 2024 u.a. Bescheide, mit denen Ausnahmen nach § 43 Abs. 2 Oö. Jagdgesetz 2024 bewilligt bzw. verfügt werden, insbesondere „Angaben über den Ausnahmegrund“ zu enthalten. Dabei zeigt der Blick auf die übrigen Ziffern des § 43 Abs. 6 Oö. Jagdgesetz 2024, dass es sich dabei um verbindliche, die Ausnahme konstituierende Angaben handelt, die deshalb in den Spruch des Bescheides (bzw. verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses) aufzunehmen sind.

41 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei ohne Modifikation abgewiesen und damit ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides übereinstimmendes Erkenntnis erlassen (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0018, Rn. 30, mwN). Die Angabe eines Ausnahmegrundes lässt sich aus dem behördlichen Bescheidspruch jedoch nur insofern ableiten, als die Bewilligung ausdrücklich auf § 48 Abs. 3 lit. e Oö. Jagdgesetz [1964] (entspricht nunmehr § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024) gestützt wird, ihr also ein nicht näher spezifizierter sonstiger öffentlicher oder privater Zweck zu Grunde liegt.

42 Eine Ausnahme darf im vorliegenden Fall gemäß § 43 Abs. 5 Oö. Jagdgesetz 2024 u.a. nur dann erteilt werden, wenn es „keine anderweitige zufriedenstellende Lösung“ gibt. Dieses Erfordernis ist von Art. 16 Abs. 1 FFH Richtlinie und im vorliegenden Fall maßgeblich Art. 9 Abs. 1 Vogelschutz Richtlinie für eine Abweichung von bestimmten Bestimmungen der Richtlinien im Einzelfall vorgegeben.

43 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des Vorliegens einer „anderweitigen zufriedenstellenden Lösung“ iSd Art. 16 Abs. 1 FFH Richtlinie unter dem Gesichtspunkt des „verfolgten Zieles“ vorzunehmen; eine „andere zufriedenstellende Lösung“ kann somit nur dann vorliegen, wenn das mit dem Vorhaben angestrebte Ziel als solches erreichbar bleibt (vgl. VwGH 13.6.2024, Ra 2022/10/0119 bis 0121, Rn. 29, unter Hinweis auf EuGH 10.10.2019, C 674/17, Tapiola , Rn. 47). Nichts anderes gilt für die insoweit inhaltsgleiche Vorgabe des Art. 9 Abs. 1 Vogelschutz Richtlinie und damit für § 43 Abs. 5 Oö. Jagdgesetz 2024 insgesamt.

44 Daraus ergibt sich, dass im Falle einer Ausnahme nach § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024, also zu einem sonstigen öffentlichen oder privaten Zweck, der betreffende konkrete Zweck als Ausnahmegrund iSd § 43 Abs. 6 Z 2 Oö. Jagdgesetz 2024 in den Bescheid (bzw. das Erkenntnis) aufzunehmen ist, kann das für eine Ausnahmebewilligung erforderliche Fehlen anderer zufriedenstellender Lösungen nach § 43 Abs. 5 Oö. Jagdgesetz 2024 doch nur anhand des konkreten, im Einzelfall verfolgten Ziels (also Zwecks der Ausnahme) beurteilt werden.

45 Im vorliegenden Fall kann der der Ausnahme zu Grunde liegende Zweck (und die daran zu messende Alternativenprüfung) auch nicht aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zweifelsfrei abgeleitet werden. So wird die Ausnahme etwa mit der kulturellen Bedeutung der Jagd, dem ideellen Wert von Trophäen, aber auch insofern wohl (auch) öffentliche Zwecke darstellend mit der erforderlichen Habitatpflege, Bestandszählung und Arterhaltung insgesamt gerechtfertigt. Dementsprechend wird etwa einerseits (sinngemäß) ausgeführt, dass es für das Ziel der Erhaltung der Art keine andere zufriedenstellende Lösung als die Erlaubnis zur Jagd gebe, andererseits aber auch, dass es keine andere zufriedenstellende, den Erhaltungszustand aufrechterhaltende Art der Jagd gebe als die Entnahme von geringen Mengen von Birkhahnen zur Zeit der Balz.

46 Indem das Verwaltungsgericht somit in Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde entgegen § 43 Abs. 6 Z 2 Oö. Jagdgesetz 2024 den konkreten Ausnahmegrund nicht in den Spruch seiner Entscheidung aufgenommen hat, hat es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

47 Im Hinblick darauf, dass § 43 Abs. 2 Z 5 iVm Abs. 5 Oö. Jagdgesetz 2024 der Umsetzung des Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Vogelschutz Richtlinie dient, ist in diesem Zusammenhang für das fortgesetzte Verfahren darauf hinzuweisen, dass es diese Richtlinienbestimmung nach der Rechtsprechung des EuGH für alle Vogelarten gestattet, sofern es keine „andere zufriedenstellende Lösung“ gibt, von den Art. 5 und 7 dieser Richtlinie abzuweichen, um unter streng überwachten Bedingungen selektiv den Fang, die Haltung und jede andere „vernünftige Nutzung“ bestimmter Vogelarten „in geringen Mengen“ zu ermöglichen. Dabei kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen die als Freizeitbeschäftigung ausgeübte Jagd auf wildlebende Vögel während der in Art. 7 Abs. 4 der Vogelschutz Richtlinie genannten Zeiten eine durch Art. 9 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie gestattete „vernünftige Nutzung“ sein (vgl. zuletzt EuGH 23.4.2020, C 217/19, Europäische Kommission/Finnland , Rn. 64 ff, unter Hinweis auf EuGH 16.10.2003, C 182/02, Ligue pour la protection des oiseaux u. a. , Rn: 11, vgl. weiters EuGH 12.7.2007, C 507/04, Europäische Kommission/Österreich , Rn. 197, zur Jagd auf Auer und Birkhahn).

48 4.2. Ausgehend vom Fehlen der Angabe des herangezogenen Ausnahmegrundes (konkreten Zwecks) im angefochtenen Erkenntnis ist die Begründung des Verwaltungsgerichtes zum Fehlen anderer zufriedenstellender Lösungen iSd § 43 Abs. 5 Oö. Jagdgesetz 2024 nicht überprüfbar. Auf das diesbezügliche Revisionsvorbringen, das sich gegen die Annahme richtet, die Arterhaltung des Birkwildes (insbesondere die Habitatpflege) erfordere dessen Bejagung, ist im Revisionsfall daher nicht weiter einzugehen.

4.3. Zu den „streng überwachten Bedingungen“

49 Die Revision bringt schließlich vor, die Bescheidauflage I.4. (Abschussmeldung und Grünvorlage über Aufforderung) stelle keine „strenge Überwachung“ iSd § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024 der Bescheidauflage I.2. (Schonung dominanter Exemplare) dar, weil eine Grünvorlage zur Prüfung der sozialen Stellung eines Tieres ungeeignet sei.

50 Diesem Vorbringen liegt ein zu enges Verständnis der „streng überwachten Bedingungen“ gemäß § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024 zugrunde, wenn es offenbar davon ausgeht, dass die Einhaltung jeder Nebenbestimmung des Bewilligungsbescheides (wozu neben Bedingungen auch Auflagen, Befristungen und Widerrufsvorbehalte gehören) für jeden einzelnen Abschuss im Rahmen einer Kontrollmaßnahme iSd § 43 Abs. 6 Z 4 Oö. Jagdgesetz 2024 behördlich kontrolliert werden müsste.

51 Dass eine Ausnahme von der Schonzeit zu sonstigen öffentlichen oder privaten Zwecken nach § 43 Abs. 2 Z 5 Oö. Jagdgesetz 2024 nur als Nutzung „unter streng überwachten Bedingungen“ bewilligt bzw. verfügt werden kann, geht auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Vogelschutz-Richtlinie zurück. Nach der Rechtsprechung des EuGH impliziert diese Bestimmung, dass in den Zeiträumen, auf die sich die Entscheidungen erstrecken, die von der in der Richtlinie vorgesehenen Schutzregelung abweichen, eine effektive Kontrolle ausgeübt wird (vgl. EuGH 8.6.2006, C 60/05, WWF Italia , Rn. 43), wobei das Vorliegen einer solchen effektiven Kontrolle maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. EuGH 21.6.2018, C 557/15, Europäische Kommission/Malta , Rn. 92 ff, worin der Gerichtshof ausdrücklich auf den „maltesischen Kontext“ und darauf abstellt, dass sich die Ineffektivität der Kontrollmaßnahmen aus der empirisch belegten, weit verbreiteten Nichteinhaltung von Beschränkungen ergeben hat).

52 Wesentlich ist somit die Sicherstellung einer effektiven Kontrolle hinsichtlich der vorgeschriebenen „Bedingungen“ der Nutzung. Dies bedeutet nicht zwingend, dass jede einzelne dieser Bedingungen (wie etwa im Revisionsfall die Beschränkung der Entnahme auf nicht dominante Exemplare oder das verwendete Kaliber etc.) bei oder nach jeder einzelnen Entnahme eines Tieres behördlich zu kontrollieren wäre. Bestehen hingegen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass beispielsweise in der Vergangenheit oder in anderen Gebieten derartige Bedingungen mangels intensiverer Kontrollen unbeachtet geblieben sind, so könnte selbst das Vorsehen von stichprobenartigen Einzelkontrollen unzureichend sein.

53 Wie auch die vorgelagerte Frage, welche „Bedingungen“ der Nutzung (etwa Einschränkungen oder Auflagen) zur Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung erforderlich sind, hängt auch die Frage, in welcher Form und Intensität die Kontrolle der Einhaltung dieser Bedingungen möglich und/oder erforderlich ist, entscheidend von den konkreten Umständen ab und bedarf in der Regel einer sachverständig aufbereiteten Sachverhaltsgrundlage. Eine auf einem mängelfreien Sachverständigengutachten aufbauende rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der vorzuschreibenden Kontrollmaßnahmen iSd § 43 Abs. 6 Z 4 Oö. Jagdgesetz 2024 würde nur dann eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG begründen, wenn sie im Einzelfall grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führte.

54 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht auf sachverständiger Grundlage einerseits festgestellt, dass die Ermittlung der Dominanz durch Beobachtung des Territorial und Sozialverhaltens, insbesondere der gewählten Kopulationspartner, und damit durch die Jagdausübungsberechtigten möglich ist, wobei es aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Beschwerdeverhandlung davon ausgeht, dass eine Schonung auch tatsächlich erfolgt. Überdies, so das Verwaltungsgericht weiter, ist im Einzelfall eine Überprüfung des Alters des entnommenen Exemplars eines für die Auswahl des Kopulationspartners und damit Dominanz nicht unerheblichen Faktors im Rahmen einer angeordneten Grünvorlage möglich.

55 Im Hinblick darauf, dass auch die revisionswerbende Partei keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ins Treffen führt, dass eine Schonung nicht dominanter Exemplare tatsächlich nicht zu erwarten wäre, begegnet die fallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach es in dieser Hinsicht keiner weiteren Kontrollmaßnahmen zur Gewährleistung einer „strengen Überwachung“ bedarf, keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken.

4.4. Zur Parteistellung des Jagdausübungsberechtigten

56 Das Oö. Jagdgesetz 2024 ermöglicht in seinem § 43 Abs. 2 die Bewilligung von Ausnahmen von den Schonzeiten „auf Antrag“. Auch wenn dem Gesetz nicht eindeutig zu entnehmen ist, wer zu einem solchen Antrag legitimiert ist, hat die belangte Behörde den Antrag vom 24. Oktober 2023 doch vertretbar der Jagdgesellschaft als Jagdausübungsberechtigter zugerechnet und die Bewilligung mit Bescheid vom 27. Dezember 2023 ausdrücklich der Jagdausübungsberechtigten (und nicht der mitbeteiligten Partei, die bei Antragstellung erkennbar als Vertreterin der Jagdgesellschaft aufgetreten ist) erteilt.

57 Davon ausgehend ist die Jagdgesellschaft aber jedenfalls auf Grund eines rechtlichen Interesses an der vom Verwaltungsgericht zu entscheidenden Sache (der Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung) beteiligt, und daher nach § 8 AVG iVm § 17 VwGVG Partei des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens.

58 Dies hat das Verwaltungsgericht verkannt, wenn es seinem Verfahren lediglich die mitbeteiligte Partei (Grundeigentümerin) im eigenen Namen (und nicht etwa als Vertreterin der Jagdgesellschaft) beigezogen hat. Dies wird vom Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren zu beachten sein.

59 5. Insgesamt war das angefochtene Erkenntnis somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

60 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Mai 2025

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