Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des Z in K, vertreten durch Dr. Christoph Reitmann, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 9/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 16. Juli 2024, KLVwG 904/8/2024, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten (Verwaltungsgericht) wurde der Revisionswerber als zur Vertretung nach außen berufenes, gemäß § 9 VStG strafrechtlich verantwortliches Organ der I GmbH einer Übertretung des § 130 Abs. 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) iVm § 19 Abs. 3 Arbeitsmittelverordnung (AM VO) schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
2 Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, dass zur Tatzeit in der Arbeitsstätte der I GmbH der Arbeitnehmer M mit dem Führen eines 6,3 t Hallenkrans beschäftigt wurde, obwohl er keine dafür erforderliche Fahrbewilligung gehabt habe. In Folge dieser Tätigkeit sei eine Glasscheibe aus ca. 60 cm Höhe dem Arbeitnehmer auf den Fuß gefallen und der Arbeitnehmer verletzt worden. Es hielt begründend fest, dass ausgehend von den Zeugenaussagen ein den spezifischen Anforderungen der vom Unternehmen durchgeführten Tätigkeiten genügendes Kontrollsystem nicht etabliert worden sei.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision nicht gegen den festgestellten Sachverhalt, sondern gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach im gegenständlichen Fall kein wirksames Kontrollsystem vorgelegen sei. Er habe vielmehr ein entsprechend wirksames Kontrollsystem dargetan, welches im Anlassfall den Unfall des Arbeitnehmers nicht hätte vermeiden können.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gleichen sich (betriebliche) Kontrollsysteme in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. etwa VwGH 31.1.2023, Ra 2023/02/0013, mwN).
8 Für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems ist es erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits ausgesprochen hat, vermag auch das Hinzutreten eines allenfalls auch krassen Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers, das in der Folge zu einem Arbeitsunfall geführt hat, am Verschulden des Arbeitgebers an einer nicht erfolgten Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems nichts zu ändern. Ein wirksames Kontrollsystem liegt dann vor, wenn dadurch die Überwachung der Einhaltung von Rechtsnormen, wie sie der Übertretung des Revisionswerbers zu Grunde gelegt wurden, jederzeit sichergestellt werden kann (vgl. etwa VwGH 7.11.2023, Ra 2023/02/0176, mwN).
9 Unter Zugrundelegung dieser hg. Rechtsprechung gelingt es der vorliegenden Revision nicht, aufzuzeigen, welche konkreten Maßnahmen im Unternehmen im Einzelnen vorgesehen wurden, um gerade eine solche Übertretung des Arbeitnehmerschutzes, wie sie im Revisionsfall vorgekommen ist, zu verhindern. Schulungen und Betriebsanweisungen vermögen nach der hg. Rechtsprechung gegebenenfalls ein Kontrollsystem zu unterstützen, nicht aber zu ersetzen. Ebenso reichen Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen nicht aus, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen (vgl. z.B. VwGH 27.11.2019, Ra 2019/02/0164, mwN).
10 Das Verwaltungsgericht hat im gegenständlichen Fall ausreichende Feststellungen zum eingerichteten Kontrollsystem getroffen, welche vom Revisionswerber nicht bestritten werden, und sich entgegen der Revisionsbehauptung in seiner Beweiswürdigung eingehend mit dem dargelegten Kontrollsystem auseinandergesetzt. Dass die daraus abgeleitete Beurteilung des Verwaltungsgerichts zur Unwirksamkeit des konkreten Kontrollsystems grob fehlerhaft erfolgt und daher vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt.
11 Die Revision erachtet der Revisionswerber auch für zulässig, weil „die Beurteilung zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Ergebnis führt, wenn völlig unklar bleibt, welche weiteren Maßnahmen abgesehen von der Anbringung technischer Vorrichtungen zum Schutz vor unbefugter Inbetriebnahme noch hätten ergriffen werden sollen“.
12 Bei dieser vom Revisionswerber als wesentlich erachteten Rechtsfrage handelt es sich jedoch um eine hypothetische Frage, deren Beantwortung im konkreten Fall nicht entscheidend ist. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtes oder der Verwaltungsbehörde, Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem in einem Unternehmen bzw. Betrieb konkret zu gestalten ist, sondern zu überprüfen, ob auf dem Boden der Darlegungen der betroffenen Partei überhaupt ein Kontrollsystem im genannten Sinn gegeben ist bzw. ob das aufgezeigte Kontrollsystem hinreichend beachtet wurde, um mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen (vgl. erneut VwGH 7.11.2023, Ra 2023/02/0176, mwH).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. Oktober 2024