JudikaturVwGH

Ra 2023/21/0180 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätinnen Dr. in Wiesinger und Dr. in Oswald als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des M B, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2023, G316 2268728 1/13E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein 1991 geborener rumänischer Staatsangehöriger, der im Juli 2013 ein Wirtschaftsstudium an der Universität Bukarest absolviert hat, hält sich seit 2014 in Österreich auf und verfügt seit Februar 2015 über eine Anmeldebescheinigung. Er lebt mit seiner Ehefrau, einer rumänischen Staatsangehörigen, im gemeinsamen Haushalt und war von Februar 2017 bis Dezember 2021 als Krankentransportfahrer erwerbstätig. Zusätzlich betrieb er ab dem Jahr 2020 gemeinsam mit einem Freund eine Kfz Werkstatt. In Rumänien leben die Eltern und eine Schwester des Revisionswerbers sowie die Familie seiner Ehefrau.

2 Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 5. Dezember 2022 wurde der Revisionswerber wegen des mehrfach und qualifiziert begangenen Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und 2, Abs. 4 erster Fall FPG und des Verbrechens der Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 32 Monaten verurteilt. Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Revisionswerber gemeinsam mit seinem Freund und Geschäftspartner der Kfz Werkstatt im Zeitraum von Herbst 2021 bis zu seiner Festnahme am 4. Mai 2022 als Mitglied einer kriminellen moldawisch rumänischen Schlepperorganisation die Schleppung von bereits in die Türkei und nach Griechenland eingereisten Fremden vorwiegend über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich und in andere west- und südeuropäische Länder gefördert habe, indem er in der gemeinsam betriebenen Kfz Werkstatt zumindest 70 Fahrzeuge für die kriminelle Organisation umgebaut, an die speziellen Bedürfnisse einer Schlepperfahrt angepasst, in Stand gehalten und fahruntüchtige Fahrzeuge aus Österreich und Ungarn abgeschleppt habe, um sich ein monatliches € 400, übersteigendes, fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Strafgericht das reumütige Geständnis, den Beitrag zur Wahrheitsfindung und den ordentlichen Lebenswandel als mildernd, hingegen das Zusammentreffen von Straftaten, die Vielzahl der Schleppungen und die mehrfachen Tatqualifikationen bei den Schleppungen als erschwerend.

3 Der Revisionswerber befand sich vom 5. Mai 2022 bis 6. April 2023 in gerichtlicher Haft und verbüßte seine Strafe anschließend im elektronisch überwachten Hausarrest. Seit Mitte April 2023 arbeitet der Revisionswerber als Bauhilfsarbeiter.

4 Im Hinblick auf seine Straffälligkeit erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 13. Februar 2023 gegen den Revisionswerber gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein sechsjähriges Aufenthaltsverbot und gewährte ihm in Anwendung des letzten Halbsatzes des § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub.

5 In teilweiser Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde setzte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 9. Juni 2023 die Dauer des Aufenthaltsverbots auf drei Jahre herab und erteilte dem Revisionswerber einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat. Ferner sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende nach Ablehnung der Behandlung einer an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 18.9.2023, E 2287/2023 8) fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich die Revision mit dem Hinweis auf den Umstand, dass seine Ehefrau schwanger und er seit April 2023 wieder berufstätig sei, nur gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung und rügt in diesem Zusammenhang das Fehlen von Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Revisionswerbers, seinen sozialen und wirtschaftlichen Kontakten in Österreich und zur Arbeitsmarktsituation in Rumänien.

10 Dem ist zu erwidern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie (wie hier) auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage beruht und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt ist - nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B VG ist (vgl. etwa VwGH 21.3.2024, Ra 2023/21/0188, Rn. 15, mwN).

11 Die Revision zeigt nicht auf, dass die vom BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Verwertung des persönlichen Eindrucks nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung in unvertretbarer Weise erfolgt wäre. Entgegen der Meinung in der Revision berücksichtigte das BVwG bei der Interessenabwägung ausreichend die für den Revisionswerber sprechenden Umstände, insbesondere die familiären Bindungen zu seiner hier lebenden, damals schwangeren Ehefrau, die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts, die guten Deutschkenntnisse und die Erwerbstätigkeit. Diese Aspekte führten ohnehin zu der vom BVwG vorgenommenen deutlichen Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbotes. Sie mussten aber angesichts des vom Revisionswerber über einen langen Tatzeitraum und mehrfach qualifiziert begangenen Verbrechens der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Organisation, das nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter fremdenrechtlichen Aspekten ein besonders verpöntes Verhalten darstellt (vgl. etwa VwGH 20.05.2021, Ra 2021/21/0146, Rn. 10, mwN), der daraus ableitbaren Gefährdung und des deshalb bestehenden besonderen öffentlichen Interesses an seiner Aufenthaltsbeendigung insgesamt nicht zu einem Überwiegen des Interesses des Revisionswerbers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich führen (vgl. zu dem auch aus unionsrechtlicher Sicht besonders großen öffentlichen Interesses an der Unterbindung von Schlepperkriminalität VwGH 21.2.2013, 2011/23/0192, mwN; ferner VwGH 25.9.2025, Ra 2025/21/0086, Rn. 13, mwN). Allfällige in der Revision der Sache nach geltend gemachte Schwierigkeiten bei der Existenzgründung in Rumänien, wo der Revisionswerber im Übrigen in der Revision unbestritten über einen Universitätsabschluss und familiäre Bindungen verfügt, sind im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

12 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 14. Oktober 2025

Rückverweise