JudikaturVwGH

Ro 2023/12/0072 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Verwaltungsgerichtsbarkeit
08. November 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag. a Nussbaumer Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der Direktion 1 Einsatz in 5071 Wals bei Salzburg, Schwarzenberg-Kaserne, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2023, W122 2243614-1/2E, betreffend Feststellung des Besoldungsdienstalters (mitbeteiligte Partei: M H, vertreten durch Mag. Michael Mössler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5/DG), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Mitbeteiligte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesverwaltungsgericht in Erledigung einer Beschwerde des Mitbeteiligten gegen einen Bescheid des Kommandos Streitkräfte vom 24. April 2021 das Besoldungsdienstalter des Mitbeteiligten zum 28. Februar 2015 mit 27 Jahren und 2 Monaten fest.

2 In der Begründung des Erkenntnisses führte das Bundesverwaltungsgericht aus, „[d]as Vorliegen einer Altersdiskriminierung in der nationalen Einstufungsregelung“ sei mit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 20. April 2023, C 650/21, „wiederholt festgestellt“ worden (Hinweise auf EuGH 18.6.2009, C 88/08; 11.11.2014, C 530/13; 8.5.2019, C 396/17 und C 24/17). In der Einstufung des Mitbeteiligten seien „folgende Elemente enthalten, die hinsichtlich der vor und nach dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten differenzieren“: Die Einstufung des Mitbeteiligten sei bislang auf der Grundlage seines Besoldungsdienstalters in einem alten Besoldungssystem, das für diskriminierend befunden worden sei, erfolgt. Dieses System habe für die Bestimmung des Besoldungsdienstalters nur die Berücksichtigung der anrechenbaren Vordienstzeiten, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt worden seien, erlaubt. Im Zuge der Überleitung aus einem alten Besoldungssystem am 12. Februar 2015 seien dem Mitbeteiligten im Wege eines Überleitungsbetrages sonstige Zeiten zwischen dem 14. und dem 18. Geburtstag nur soweit angerechnet worden, als sie vier Jahre überstiegen hätten. Die Erhöhung der Berücksichtigungsmöglichkeit sonstiger Zeiten vor dem 18. Geburtstag auf sieben Jahre habe daher nicht zu einer Voranstellung sonstiger Zeiten vor dem 18. Geburtstag geführt. Nach dem 18. Geburtstag zurückgelegte sonstige Zeiten seien dem Mitbeteiligten angerechnet worden, während sonstige Zeiten vor dem 18. Geburtstag unberücksichtigt geblieben seien. Bei der bislang nicht berücksichtigten sonstigen Zeit vor dem 18. Geburtstag habe es sich weder um bereits angerechnete Zeiten der 12. Schulstufe, gleichwertige Zeiten, noch um Lehrzeiten bei einer Gebietskörperschaft gehandelt. Das (unter Nichtberücksichtigung der sonstigen Zeiten zwischen dem 14. und dem 18. Geburtstag festgestellte) Besoldungsdienstalter des Mitbeteiligten zum 28. Februar 2015 habe betragen: 25 Jahre und 2 Monate. Der in § 169g Abs. 4 GehG geregelte „Pauschalabzug von 4 Jahren“ („nur insoweit voranzustellen, als sie das Ausmaß von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren übersteigen“) sei von der belangten Behörde auf den Mitbeteiligen angewendet worden, widerspreche aber „nach dem diesbezüglichen klaren Wortlaut des EuGH (20.04.2023, C 650/21)“ dem Unionsrecht. Nach Hälfteanrechnung der bis dato nicht angerechneten sonstigen Zeit von 4 Jahren zwischen dem 14. und dem 18. Geburtstag habe daher das Besoldungsdienstalter zum 28. Februar 2015 zu lauten: 27 Jahre und 2 Monate.

3 Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG mit folgender Begründung für zulässig:

„Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und es an einer Rechtsprechung fehlt. Insbesondere das Zusammenwirken der beiden in den Spruchpunkten 1. und 2. des oben genannten EuGH Urteils vom 20.04.2023 beschriebenen Diskriminierungen erscheint ungelöst.

Die Heranziehung der mittels Verkürzung der fünfjährigen Verweildauer in der Gehaltsstufe 1 (unionsrechtsunmittelbar und contra legem) entdiskriminierten Fälle als Maßstab zur nunmehrigen Entdiskriminierung scheidet aus, da gem. 169f Abs. 4 GehG für den Vergleich der letzte Vorrückungsstichtag, der unter Ausschluss der vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten festgesetzt wurde, auch für jene Fälle maßgebend ist.“

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde (nunmehr: Direktion 1 Einsatz; vgl. die Dienstrechtsverfahrens und Personalstellenverordnung BMLV 2023 – DVPV BMLV 2023, BGBl. II Nr. 232/2023).

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargestellt und auch von der revisionswerbenden Partei nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 21.4.2017, Ro 2016/11/0004; 5.9.2018, Ro 2017/12/0013, jeweils mwN).

9 Ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B VG erfüllt ist, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. zB VwGH 23.3.2023, Ro 2022/06/0021, mwN).

10 In der Revision wird zum Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung Folgendes ausgeführt:

„C.I. Die Revision ist nicht nur aus den vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründen zulässig, sondern auch wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften: Das Bundesverwaltungsgericht hat es nämlich unterlassen, die nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für vergleichbare Sachverhaltskonstellationen erforderlichen Feststellungen zu treffen. In con[c]reto hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Juli 2023, Ra 2020/12/0068 und Ra 2020/12/0077, vorgegeben, dass das Verwaltungsgericht in Fällen wie dem vorliegenden allfällige Tatsachen, aus denen sich Gründe für eine Rechtfertigung der festgestellten Ungleichbehandlung ergäben, nach einer Erörterung mit den Parteien festzustellen habe (Rn. 38). Eine solche Erörterung und Feststellung ist unterblieben, sodass die revisionswerbende Behörde in ihren Rechten verkürzt wurde und darüber hinaus die rechtliche Würdigung des Bundesverwaltungsgerichts tatsachenwidrig ist.

C.II. Ungeachtet der fehlenden Feststellung fehlt auch eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der wesentlichen Rechtsfrage, ob allfällig feststellbare Rechtfertigungsgründe zulässige und ausreichende Rechtfertigungsgründe im Sinne des Unionsrechts sind.

C.III. Darüber hinaus existiert bislang auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Rechtsfrage, welcher konkrete Vorteil für den Fall, dass das Verwaltungsgericht keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe vorzufinden vermag der beschwerdeführenden Partei im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssache C 650/21 zuzusprechen ist.“

11 Zum Hinweis dieser Zulässigkeitsausführungen auf die „vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründe“ ist festzuhalten, dass der vorliegende Revisionsfall insofern jenem gleicht, in dem eine Revision mit einem ebensolchen Verweis auf die – gleichlautende Zulassungsbegründung eines vergleichbaren Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts mangels Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom 3. Oktober 2023, Ro 2023/12/0055, zurückgewiesen wurde. Zur näheren Begründung genügt es diesbezüglich, gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf diesen Beschluss zu verweisen.

12 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG darin erblickt wird, dass „bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Rechtsfrage“ vorliege, „welcher konkrete Vorteil für den Fall, dass das Verwaltungsgericht keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe vorzufinden vermag der beschwerdeführenden Partei im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssache C 650/21 zuzusprechen ist“, ist sie auf das in der Revision ohnehin zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Juli 2023, Ra 2020/12/0068 und Ra 2020/12/0077, zu verweisen, in welchem sich der Verwaltungsgerichtshof dazu geäußert hat, welche Rechtsfolgen gelten, wenn das Verwaltungsgericht eine ausreichende Rechtfertigung für die festgestellte Diskriminierung nicht feststellen kann. Danach ist bei jenen Beamten, denen „sonstige Zeiten“ bei Eintritt in das öffentlich rechtliche Dienstverhältnis nur deshalb nicht (als sonstige Zeiten zur Hälfte) angerechnet wurden, weil sie vor dem Abschluss des 18. Lebensjahrs gelegen waren, andernfalls also bei einer Lage nach dem 18. Geburtstag dem Beamten aber ohne einen Pauschalabzug angerechnet worden wären, ebenso wie den bisher begünstigten Beamten diese Zeiten in gleichem Ausmaße ohne einen Pauschalabzug bei Ermittlung des Vergleichsstichtages als sonstige Zeiten zu berücksichtigen (vgl. VwGH 18.7.2023, Ra 2020/12/0068 und Ra 2020/12/0077, Rz. 41). Die Zulässigkeitsbegründung zeigt im Hinblick darauf nicht auf, inwiefern eine Rechtsfrage vorliegen sollte, zu der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes fehlt (oder etwa, dass das Verwaltungsgericht vom zitierten hg. Erkenntnis in diesem Punkt abgewichen wäre).

13 Wenn die Zulässigkeitsbegründung der Revision vorbringt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Abweichung vom hg. Erkenntnis vom 18. Juli 2023, Ra 2020/12/0068 und Ra 2020/12/0077, bestimmte Ermittlungen verabsäumt und es unterlassen habe, „allfällige Tatsachen, aus denen sich Gründe für eine Rechtfertigung der festgestellten Ungleichbehandlung ergäben“, festzustellen, werden Verfahrensmängel geltend gemacht. Betreffend die Geltendmachung von Verfahrensmängeln als Zulässigkeitsgründe ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden muss, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 17.4.2023, Ra 2021/12/0059, mwN).

14 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber (wie hier mit dem Vorbringen, ob „allfällig feststellbare“ Rechtfertigungsgründe zulässige und ausreichende Rechtfertigungsgründe im Sinne des Unionsrechts sind) bei der Zulässigkeitsbegründung von diesem, kann schon deshalb fallbezogen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. zB VwGH 27.3.2023, Ra 2023/12/0029).

15 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

16 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. November 2023

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