Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth als Richterin sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision der E Waldgenossenschaft in E, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Krottendorfergasse 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 16. Mai 2023, LVwG 53.28 5968/2022 5, betreffend eine Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetz 1985 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Agrarbezirksbehörde für Steiermark; mitbeteiligte Partei: Dr. B H in W), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerberin ist eine Agrargemeinschaft nach dem Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetz 1985 (StAgrGG 1985). Der Mitbeteiligte ist Mitglied der Revisionswerberin.
2 Mit Schreiben vom 3. November 2020 lud der Vorsteher der Revisionswerberin deren Mitglieder „anstelle einer ordentlichen Generalversammlung“ zu einer schriftlichen Abstimmung ein. Dazu berief er sich darauf, dass der Wirtschaftsausschuss der Revisionswerberin mehrheitlich den Beschluss gefasst habe, eine schriftliche Abstimmung anstelle einer physischen Generalversammlung abzuhalten. Es werde insoweit von den Möglichkeiten nach § 4 Gesellschaftsrechtliche COVID 19 Verordnung (COVID 19-GesV) Gebrauch gemacht. Unter einem übermittelt wurden Stimmzettel hinsichtlich näher genannter Tagesordnungspunkte und eine Frist für die schriftliche Stimmabgabe bis 16. Dezember 2020 gesetzt. Einzelne die Beschlüsse betreffende Unterlagen würden an die Mitglieder erst später mit der Post übermittelt.
3 Mit Minderheitenbeschwerde vom 21. Dezember 2020 machte der Mitbeteiligte unter anderem die Unwirksamkeit mehrerer der auf diesem Weg gefassten Beschlüsse der Generalversammlung geltend. Der schriftlichen Beschlussfassung durch die Generalversammlung seien Beschlüsse des Wirtschaftsausschusses der Revisionswerberin zugrunde gelegen, die jedoch aus näher genannten Gründen nicht wirksam zustande gekommen seien. Auch habe die schriftliche Abstimmung der Generalversammlung nicht den Vorgaben des § 4 Abs. 3 COVID 19-GesV entsprochen. Die im Schreiben vom 3. November 2020 angekündigten Unterlagen, aus denen der Inhalt der zu fassenden Beschlüsse ersichtlich gewesen sei, seien den Mitgliedern erst verspätet übermittelt worden. Den Mitgliedern sei die Möglichkeit, im Sinn des § 4 Abs. 3 COVID 19-GesV an der Beschlussfassung mitzuwirken und Stellungnahmen abzugeben, genommen worden.
4 Mit Bescheid vom 20. April 2022 sprach die Agrarbezirksbehörde für Steiermark (Agrarbezirksbehörde) insbesondere aus, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten vom 21. Dezember 2020 betreffend die „in der Generalversammlung“ der Revisionswerberin vom 16. Dezember 2020 zu den Abstimmungspunkten 4 bis 11 gefassten Beschlüsse gemäß § 6 Abs. 1 StAgrGG 1985 iVm der Wirtschaftnormale der Revisionswerberin abgewiesen werde.
5 Die vom Revisionswerber hinsichtlich der Beschlussfassung im Wirtschaftsausschuss geltend gemachten Mängel der Ladung von Mitgliedern seien für das Zustandekommen der Beschlüsse nicht maßgeblich gewesen. Die Zustellung sämtlicher Unterlagen an die Mitglieder der Generalversammlung sei erst „sehr spät“, nämlich erst 48 Stunden vor dem Ende der Frist zur Stimmabgabe, erfolgt. Das sei zwar „bedenklich“. Der Revisionswerber sei jedoch jedenfalls über die Vorgänge in der Agrargemeinschaft durch seine langjährige Tätigkeit informiert gewesen, sodass sich dies nicht „nachteilig“ auf sein Stimmverhalten ausgewirkt habe. Nicht relevant sei, dass die Mitglieder der Generalversammlung nicht mit der Aufforderung zur Stimmabgabe auf ihre Mitwirkungs- und Informationsrechte nach § 4 Abs. 3 COVID 19 GesV hingewiesen worden seien.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) in Stattgabe einer Beschwerde des Mitbeteiligten gestützt auf § 6 Abs. 5 StAgrGG 1985 iVm § 4 Abs. 3 COVID 19 GesV die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 4. bis 11. der Generalversammlung der Revisionswerberin vom 16. Dezember 2020 auf. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
7 In seiner Entscheidungsbegründung gab das Verwaltungsgericht zusammengefasst den Inhalt des Bescheides der Agrarbezirksbehörde und der Beschwerde des Mitbeteiligten wieder. Daran anschließend führte es aus, die Beschwerde sei berechtigt und führe zur Aufhebung der vom Mitbeteiligten angefochtenen Beschlüsse der Generalversammlung.
8 § 4 Abs. 3 COVID 19 GesV verpflichte die Agrargemeinschaft als Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 1 COVID 19 GesG „dem Wesen nach“ , zusätzlich zur Einladung zur Generalversammlung konkrete Beschlüsse bekanntzumachen und den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, vor der Abstimmung schriftlich Stellung zu nehmen und Fragen zu stellen. Die Fragen seien unverzüglich zu beantworten und in gleicher Weise bekanntzumachen wie die schriftliche Abstimmung. Ebenso seien Stellungnahmen der Mitglieder nach § 4 Abs. 3 COVID 19 GesV unverzüglich bekanntzumachen. Die analoge Anwendung von § 4 COVID 19 GesV auf Agrargemeinschaften sei angezeigt, weil diese ebenso wie Genossenschaften nach § 1 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz (GenG) im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienten.
9 Die Einschränkung, die eine schriftliche Abstimmung gegenüber einer Vollversammlung unter physischer Anwesenheit der Mitglieder mit sich bringe, zwinge zur Einhaltung der durch Gesetz und Verordnung bestimmten Fristen. Werde auch nur einem einzigen Mitglied der Agrargemeinschaft die Ankündigung der schriftlichen Abstimmung samt den konkreten Beschlussanträgen nicht so rechtzeitig bekannt gemacht, dass es sich dazu bis längstens 72 Stunden vor der Abstimmung schriftlich äußern und Fragen stellen könne, habe dies jedenfalls die Ungültigkeit der gefassten Beschlüsse zur Folge. Dies treffe „im Gegenstande, bestimmt durch den Inhalt des verfahrensleitenden Antrages und eingegrenzt durch den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts nach § 27 VwGVG mit dem Beschwerdeinhalt zu“. Schon deshalb seien diese Beschlüsse der Generalversammlung aufzuheben gewesen.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Vorverfahren durchgeführt, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen hätten können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 2.5.2024, Ra 2023/07/0026, mwN).
15 Die Revision macht unter dem Gesichtspunkt ihrer Zulässigkeit geltend, im angefochtenen Erkenntnis fehlten Feststellungen dazu, ob die Voraussetzungen der COVID 19 GesV für eine Abstimmung im Umlauf (Bekanntgaben in bestimmten Fristen) erfüllt gewesen seien. Außerdem liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung der COVID 19 GesV vor.
16 § 6 Abs. 1 und 5 sowie § 43 Abs. 2 StAgrGG 1985 lauten samt Überschriften auszugsweise:
„Überwachung der Agrargemeinschaften
§ 6 (1) Die Agrarbehörde hat die Agrargemeinschaften zu überwachen.
(5) Über Streitigkeiten, die zwischen Mitgliedern einer Agrargemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, entscheidet die Agrarbehörde.
Verwaltungssatzungen der Agrargemeinschaften
§ 43 [...]
(2) Die Verwaltungssatzungen haben insbesondere Bestimmungen zu enthalten über
a) bis c) [...]
d) den Wirkungskreis der Vollversammlung, die Art ihrer Einberufung, ihre Beschlußfähigkeit, die Fassung, Gültigkeit, Verlautbarung und den Vollzug der Beschlüsse;
e) bis h) [...]“
17 § 1 und § 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend besondere Maßnahmen im Gesellschaftsrecht aufgrund von COVID 19 (Gesellschaftsrechtliches COVID 19 Gesetz COVID 19 GesG), BGBl. I Nr. 16/2020, lauteten in der im November und Dezember 2020 in Kraft stehenden Fassung BGBl. I Nr. 24/2020:
„§ 1 (1) Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID 19 können Versammlungen von Gesellschaftern und Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft, einer Genossenschaft, einer Privatstiftung, eines Vereins, eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, eines kleinen Versicherungsvereins oder einer Sparkasse nach Maßgabe der Verordnung gemäß Abs. 2 auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt und Beschlüsse auch auf andere Weise gefasst werden.
(2) Die Bundesministerin für Justiz wird ermächtigt, durch Verordnung nähere Regelungen betreffend die Durchführung der in Abs. 1 genannten Versammlungen und Beschlussfassungen zu treffen, die im Rahmen der jeweils eingesetzten Kommunikationswege eine möglichst hohe Qualität der Rechtssicherheit bei der Willensbildung gewährleisten.
§ 2 [...]
(2) Abweichend von § 27a GenG muss die Generalversammlung einer Genossenschaft zur Beschlussfassung über die dort genannten Gegenstände innerhalb der ersten zwölf Monate des Geschäftsjahrs der betreffenden Genossenschaft stattfinden.“
18 § 1 Abs. 2 sowie § 4 Abs. 3 der aufgrund von § 1 Abs. 2 COVID 19 GesG von der Bundesministerin für Justiz erlassenen COVID 19 GesV, BGBl. II Nr. 140/2020, lauteten:
„Allgemeine Bestimmungen
§ 1 [...]
(2) Unter dem Begriff ‚Gesellschaft‘ sind in dieser Verordnung alle in § 1 Abs. 1 COVID 19 GesG aufgezählten Rechtsformen zu verstehen.
Sonderbestimmung für die Generalversammlung einer Genossenschaft oder eines Vereins
§ 4 [...]
(3) Für die Ankündigung der schriftlichen Abstimmung gelten die Vorschriften über die Einladung zur Generalversammlung sinngemäß. Zusätzlich sind konkrete Beschlussanträge bekannt zu machen und es ist den Mitgliedern Gelegenheit zu geben, dazu bis zu 72 Stunden vor der Abstimmung schriftlich Stellung zu nehmen und schriftlich Fragen zu stellen. Die Fragen sind unverzüglich zu beantworten und zusammen mit den Antworten in gleicher Weise bekannt zu machen wie die schriftliche Abstimmung. Stellungnahmen der Mitglieder sind ebenso unverzüglich bekannt zu machen, wobei es dem Vorstand der Genossenschaft oder des Vereins freisteht, eine solche Stellungnahme seinerseits zu kommentieren.“
19 Die COVID 19 GesV ist nach ihrem § 5 mit 30. Juni 2023 außer Kraft getreten; mit dem selben Zeitpunkt traten auch § 1 und § 2 Abs. 2 COVID 19 GesG außer Kraft (§ 4 Abs. 2 COVID 19 GesG).
20 § 9, § 10 Abs. 1 und 2 sowie § 11 der nach § 43 StAgrGG 1985 genehmigten, als „Wirtschaftsnormale“ bezeichneten Verwaltungssatzung der Revisionswerberin (in der Folge: Satzung) lauten auszugsweise:
„§ 9 Die Organe der Agrargemeinschaft sind:
a) die Generalversammlung,
b) der Ausschuss und
c) der Vorsteher
§ 10 Die Generalversammlung
(1) Die Generalversammlung besteht aus der Gesamtheit der Gemeinschaftsmitglieder. Die ordentliche Generalversammlung wird alljährlich einmal und zwar bis zum 30. Juni eines jeden Jahres an dem vom Vorsteher zu bestimmenden Tag und Ort einberufen. [...]
(2) [...] Jede Generalversammlung, ausgenommen eine durch die Aufsichtsbehörde einberufene, wird durch den Vorsteher einberufen. Die Einberufung hat mindestens 6 Wochen vorher mittels nachweislicher Verständigung (auch mittels automationsunterstützter Datenübermittlung) unter Angabe der Tagesordnung zu erfolgen.
§ 11 [...]
(6) Beschlüsse, die gemäß der Wirtschaftsnormale gefasst werden, sind bindende Beschlüsse für sämtliche Mitglieder der Agrargemeinschaft; gesetz und satzungswidrige Beschlüsse sind ungültig. Jeder Beschluss kann von jedem Mitglied binnen einer Frist von 8 Tagen vom Tag der Generalversammlung an gerechnet bei der Aufsichtsbehörde angefochten werden. [...]
§ 12 Beschlüsse der Generalversammlung
(1) Beschlussfähigkeit:
a) [...]
b) Die Generalversammlung ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder vorschriftsmäßig eingeladen wurden und mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend oder vertreten ist.
c) [...]“
21 Die Revision ist damit im Recht, dass die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses Schwächen aufweist (vgl. zu den Anforderungen an Begründungen der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte etwa VwGH 8.7.2021, Ra 2021/20/0188, mwN). Es trifft zu, dass das Verwaltungsgericht keine eindeutigen Feststellungen zu den Zustellungen an die Mitglieder der Revisionswerberin getroffen hat, die der unstrittig schriftlich erfolgten Abstimmung von Beschlüssen der Generalversammlung vorangegangen sind, und daher auch nicht beurteilbar ist, ob insoweit den Anforderungen von § 4 Abs. 3 COVID 19 GesV entsprochen worden ist. Diesen Begründungsmängel kommt jedoch keine Relevanz zu. Die COVID 19 GesV war nämlich aus den nachfolgend dargestellten Gründen auf die Revisionswerberin nicht anwendbar.
22 Das COVID 19 GesG diente nach seinem Titel der Erlassung von Maßnahmen im Gesellschaftsrecht und erfasste nach seinem § 1 Versammlungen von Gesellschaftern und Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Genossenschaften und weiteren dort genannter juristischen Personen. Allen genannten juristischen Personen ist gemeinsam, dass sie dem Privatrecht zuzuordnen sind. Mit dem Begriff der „Genossenschaft“ wurden in diesem Sinn wie auch aus § 2 Abs. 2 COVID 19 GesG ersichtlich die Genossenschaften nach dem Genossenschaftsgesetz (GenG) angesprochen.
23 Bei den durch das StAgrGG 1985 eingerichteten Agrargemeinschaften handelt es sich auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist dagegen um Körperschaften des öffentlichen Rechtes (vgl. näher VwGH 29.11.2005, 2004/06/0119). Sie sind keine Genossenschaften nach dem GenG und wurden nach dem Gesetzeswortlaut nicht vom COVID 19 GesG und damit auch nicht von der COVID 19 GesV, die insoweit in § 1 Abs. 2 auf das COVID 19 GesG verweist, erfasst.
24 Davon, dass die COVID 19 GesV sich nach dem Gesetzestext nicht auf Agrargemeinschaften erstreckte, ist auch bereits das Verwaltungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch die Ansicht vertreten, dass eine analoge Anwendung angezeigt wäre. Auch dies trifft jedoch nicht. Dazu ist zu beachten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Analogieschluss das Vorliegen einer echten Gesetzeslücke also das Bestehen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraussetzt. Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes somit nur dann zulässig, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise wenn den Gesetzesmaterialien mit Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als dies in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt (vgl. VwGH 26.9.2023, Ro 2022/12/0006, mwN).
25 Insoweit ist auf die gegenständlich maßgebliche Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern hinzuweisen. Nach Art. 12 Abs. 1 Z 3 B VG in der Fassung vor der B VG Novelle BGBl. I Nr. 14/2019 waren unter anderem in Angelegenheiten der „Bodenreform“ Bundessache die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache dagegen die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung. Der Inhalt des Kompetenztatbestandes „Bodenreform“ erstreckte sich auch auf die Regulierung von Agrargemeinschaften. Dem Landesgesetzgeber kam daher auch die Befugnis der Regelungen der Modalitäten der Willensbildung innerhalb der Agrargemeinschaft zu (vgl. VfGH 28.2.2011, B1645/10, [VfSlg 19320], mwN; vgl. zum Kompetenztatbestand der Bodenreform auch VwGH 25.9.2014, 2013/07/0297; OGH 21.12.2011, 9 Ob 35/11d; jeweils mit weiteren Hinweisen).
26 Mit der diesbezüglich mit 1. Jänner 2020 in Kraft getretenen B VG Novelle BGBl. I Nr. 14/2019, ist unter anderem die Z 3 des Art. 12 Abs. 1 B VG entfallen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (301 BlgNR 26. GP 3) erfolgte insoweit eine Überstellung in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder nach Art. 15 Abs. 1 B VG.
27 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, fallen die Angelegenheiten der Bodenreform somit nunmehr gemäß Art. 15 Abs. 1 B VG in Gesetzgebung und Vollziehung in den Kompetenzbereich der Länder (vgl. VwGH 23.2.2023, Ra 2022/07/0188; 19.4.2023, Ro 2022/07/0007). Damit kam auch nur den Landesgesetzgebern die Befugnis zu, zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von COVID 19 Änderungen hinsichtlich der Willensbildung in Agrargemeinschaften anzuordnen (vgl. insoweit § 112 Vorarlberger Flurverfassungsgesetz, idF LGBl. Nr. 91/2020 und LGBl. Nr. 50/2021). Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls keine planwidrige Lücke darin erkannt werden, dass vom Bundesgesetzgeber mit dem COVID 19 GesG und auf dieser Grundlage erlassenen COVID 19 GesV keine Regelungen zur Fassung von Beschlüssen in Agrargemeinschaften erlassen worden sind.
28 Somit war die Beurteilung, ob die Beschlussfassung über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte der Generalversammlung gesetzes und satzungskonform erfolgte, nicht an der Einhaltung der Bestimmungen der COVID 19 GesV zu messen. Ein Abgehen von den Erfordernissen der Beschlussfassung nach §§ 10, 11 und 12 der Satzung der Revisionswerberin konnte somit auch nicht durch die COVID 19 GesV gerechtfertigt werden.
29 Den insoweit von der Revision gerügten Begründungsmängeln aufgrund des Unterbleibens von Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 COVID 19 GesV kommt daher keine Relevanz zu. Ebenso bedarf es fallbezogen auch keiner Auslegung des § 4 Abs. 3 COVID 19 GesV, sodass die Revision auch insoweit schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen vermag.
30 Im fraglichen Zeitraum (November und Dezember 2020) waren im Übrigen „unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist“, vom Verbot der Teilnahme an Veranstaltungen ohnehin ausgenommen (vgl. VwGH 12.11.2021, Ra 2021/03/0279 mit näheren Hinweisen auf die damals anzuwendenden Bestimmungen). Die in diesem Zeitraum in Geltung stehenden Regelungen standen der Abhaltung einer ordentlichen Vollversammlung in Präsenz daher mit den damals vorgesehen rechtlichen Maßgaben grundsätzlich nicht entgegen.
31 Mangels Darstellung von Rechtsfragen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, war die Revision somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 20. März 2025