JudikaturVwGH

Ra 2023/06/0211 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des T G, vertreten durch Mag. Dr. Norbert Winkler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 26. September 2023, LVwG 2022/40/2627 14, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck; mitbeteiligte Partei: S GmbH), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 6. September 2022, mit dem der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für den Zu- und Umbau bzw. Abbruch des bestehenden Fitnessstudios mit Kletterhalle und Café auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG M. erteilt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - aus, der Revisionswerber sei Eigentümer näher bezeichneter Grundstücke, welche innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze lägen, und folglich berechtigt, sämtliche Einwendungen im Sinn des § 33 Abs. 3 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) geltend zu machen, soweit diese seinem Schutz dienten. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens habe er Einwendungen hinsichtlich Lärm-, Licht- und Staubemissionen erhoben und vorgebracht, dass die Abstandsbestimmungen nicht eingehalten würden und ein Bebauungsplan zwingend zu erlassen wäre. Das Baugrundstück sei als gemischtes Wohngebiet gemäß § 38 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 2022 (TROG 2022) gewidmet und bereits bebaut. Unter Hinweis auf die dazu jeweils eingeholten Sachverständigengutachten legte das Verwaltungsgericht dar, dass in Bezug auf die geltend gemachten Lärmimmissionen die Planungsrichtwerte der Flächenwidmung an der Grundgrenze eingehalten seien, die Zusatzbelastung für Feinstaub als irrelevant zu bezeichnen sei und die gemäß ÖNORM O 1052 zulässigen Aufhellungen auf Nachbargrundstücken im Bereich eines möglichen Nachbargebäudes eingehalten würden. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Wohnqualität sei durch die geplanten baurechtlichen Änderungen gemäß §§ 37 und 38 TROG 2022 nicht gegeben. Dem Beweisantrag auf Einholung eines technischen Gutachtens zur Frage der Erweiterung von mehr als 20 % der betrieblichen Nutzfläche sei keine Folge zu geben gewesen, weil in Bezug auf diese Frage kein Nachbarrecht im Sinn des § 33 Abs. 3 lit. a TBO 2022 berührt sei.

6 In seiner Begründung für die Zulässigkeit der vorliegenden Revision bringt der Revisionswerber vor, das Verwaltungsgericht habe sich in seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Einräumung subjektiv öffentlicher Rechte gemäß § 38 TROG 2022 entfernt. Der Verwaltungsgerichtshof habe beispielsweise in der Entscheidung „97/06/0002“ ausgesprochen, dass gemäß § 38 Abs. 3 TROG 1994 Nachbarn ein Mitspracherecht und ein Immissionsschutz insoweit eingeräumt werde, als damit weder eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit noch eine gegenüber dem Zeitpunkt der Widmung als Wohngebiet bzw. gemischtes Wohngebiet größere Belästigung, insbesondere durch Lärm, Luftverunreinigung, Geruch oder Erschütterungen und auch keine unzumutbare Verkehrsbelastung bewirkt werde. Das Verwaltungsgericht habe einen entsprechenden Beweisantrag des Revisionswerbers zur Frage der Erweiterung der betrieblichen Nutzfläche und damit verbundenen Immissionen abgewiesen, weil nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes in Bezug auf die Frage der betrieblichen Erweiterung kein Nachbarrecht im Sinn des § 33 Abs. 3 TBO 2022 berührt sei. Die in § 38 Abs. 3 lit. a und b TROG 2022 vorgesehenen Erweiterungsmöglichkeiten seien nach Ansicht des Revisionswerbers überschritten.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zukäme.

7 Gemäß § 33 Abs. 3 lit. a TBO 2022 kommt dem Nachbarn ein Mitspracherecht hinsichtlich der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes zu, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass dem Nachbarn kein Mitspracherecht hinsichtlich der Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan schlechthin zusteht, sondern nur insoweit, als mit der Flächenwidmung ein Immissionsschutz verbunden ist (vgl. etwa VwGH 3.10.2022, Ra 2022/06/0081 und 0082, mwN). Vor dem Hintergrund dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass dem Revisionswerber in Bezug auf die in § 38 Abs. 3 lit. a TROG 2022 enthaltenen Festlegungen kein Mitspracherecht zukommt.

8 Auch in dem vom Revisionswerber zitierten Erkenntnis vom 24. April 1997, 97/06/0002, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der damals geltende § 38 Abs. 3 TROG 2016 in seiner lit. b dem Nachbarn ein Mitspracherecht und einen Immissionsschutz in Bezug auf eine dadurch allenfalls bewirkte Gefahr für Leben und Gesundheit bzw. näher beschriebene Belästigung der Bevölkerung zuspricht. Nach der damals geltenden Rechtslage war aber zur Beurteilung der Frage, ob eine größere Belästigung der Bevölkerung bewirkt werde, ein Vergleich mit dem zum Zeitpunkt der Widmung konsentierten Baubestand anzustellen (vgl. § 38 Abs. 3 lit. b TROG 2016, welcher einen Verweis auf die lit. a dieser Bestimmung enthielt), weshalb der Verwaltungsgerichtshof Feststellungen dazu für erforderlich erachtete. Die Behauptung des Abweichens von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu einer wegen Änderung der gesetzlichen Bestimmungen überholten Rechtslage vermag die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen (vgl. etwa VwGH 12.10.2022, Ra 2022/02/0166, mwN).

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 16. Oktober 2025

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