Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Mag. D S in F, vertreten durch die Hudelist/Primig Rechtsanwälte OG in 9560 Feldkirchen, Dr. Arthur Lemisch Straße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 26. April 2023, KLVwG 1999/13/2022, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Villach; mitbeteiligte Partei: C GmbH in W; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Stadt Villach hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. September 2022 wurde der Mitbeteiligten für die Änderung des Wohnhauses auf einer näher bezeichneten Liegenschaft durch Zubau eines Balkons gemäß §§ 6, 17 und 18 Kärntner Bauordnung 1996 (K BO 1996) die Baubewilligung unter Auflagen erteilt.
2 Begründend führte die belangte Behörde soweit für das Revisionsverfahren relevant aus, dass der Zubau eines Balkons im Ausmaß von 48,98 m² zum bestehenden Wohnhaus im Erdgeschoss geplant sei. Seitens des Revisionswerbers, einem Nachbarn des Mitbeteiligten, seien am 26. Juli 2022 Einwände gegen dieses Bauvorhaben erhoben worden. Der geringste Abstand der Vorderkante des Balkons zum nördlich gelegenen Grundstück betrage 1,838 m. Die Balkonkonstruktion samt Absturzsicherung rage am höchsten Punkt 3,90 m über das bestehende Gelände. Der Balkon werde durch Stützen auf Stahlbetonfundamente aufgesetzt, welche um 1,30 m von der Vorderkante zurückversetzt seien. Der Abstand von den Stützen zur Grundstücksgrenze betrage dadurch im geringsten Maß 3,138 m. Entsprechend § 5 Abs. 1 letzter Satz Kärntner Bauvorschriften (K BV) sei im vorliegenden Fall bei Überschreitung der Ausladung von 1,30 m anstelle der Außenwand eine lotrechte Ebene heranzuziehen, die parallel zur Außenwand, jedoch um 1,30 m von der äußersten Begrenzung des Gebäudes in Richtung zur Außenwand gezogen werde. Danach käme die Abstandsfläche am Baugrundstück selbst zu liegen. Aus brandschutztechnischer Sicht bestünden laut eingeholter brandschutztechnischer Stellungnahme keine Einwände gegen das Bauvorhaben. Das geplante Bauvorhaben sei entsprechend § 3 Abs. 2 des Bebauungsplans der Stadt Villach nicht in die Flächenberechnung der baulichen Ausnutzung einzubeziehen, womit sich auch keine Veränderung und keine Verschlechterung der baulichen Ausnutzung ergeben könne.
3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er zusammengefasst vorbrachte, § 5 Abs. 1 letzter Satz K BV sei nicht zur Anwendung zu bringen, weil es sich beim gegenständlichen Vorhaben um eine Terrasse handle, hinsichtlich welcher die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 lit. b K BV nicht vorlägen. Selbst wenn es sich um einen Balkon handeln sollte, erreiche das Bauvorhaben eine flächenmäßige Ausgestaltung, welche die üblichen Größenvorstellungen von Balkonen bei weitem übersteige. Es sei daher jedenfalls der in § 5 Abs. 2 K BV vorgesehene Mindestabstand einzuhalten, der gerechnet von der Außenkante (dem Abschlussprofil der Terrasse) zum Grundstück des Revisionswerbers hin 3 m betragen müsse. Darüber hinaus sei das Vorhaben gemäß § 3 Abs. 2 des Bebauungsplans der Stadt Villach bei Berechnung der maximal zulässigen Geschoßflächenanzahl zu berücksichtigen. Den Einreichunterlagen sei eindeutig zu entnehmen, dass der Terrassenanbau gleichzeitig als überdachter Zugang zum Bestandgebäude diene. Auch gehe vom Holzbelag und dem Holzstehern der geplanten Terrasse eine erhöhte Brandgefahr zu Lasten des Revisionswerbers aus.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten (Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 17 VwGVG iVm § 28 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
5 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges mit auszugsweiser wörtlicher Wiedergabe des Verhandlungsprotokolls vom 6. April 2023 in seinen Feststellungen aus, subjektiv öffentliche Rechte des Revisionswerbers würden durch das gegenständliche Bauvorhaben nicht verletzt. In seinen rechtlichen Erwägungen erfolgte nach der Zitierung von Rechtsvorschriften, eine auszugsweise Wiedergabe der Ausführungen der beigezogenen Amtssachverständigen für Hochbau und für Brandschutz. Das Verwaltungsgericht legte dar, der Amtssachverständige für Hochbau habe angegeben, dass sich durch den Zubau eine Änderung der Tiefe der Abstandsflächen ergebe, weil eine neue, gedachte Außenwand iSd § 5 Abs 1 letzter Satz K BV „generiert“ werde. Laut dem Amtssachverständigen sei im Teilausschnitt des Kellergeschosses mit der neuen Balkonkonstruktion ausgehend von der Stützenreihe ein Abstand zur ostseitigen Grundstücksgrenze von 3,13 m kotiert, welcher nach Süden hin weiter zunehme. Im Bereich der nördlichsten Kante des Balkons sei diese Abstandsfläche die mit 3,0 m ermittelt worden sei laut der Plankotierung auf Eigengrund gelegen. Gleiches gelte für den Mindestabstand der Balkonkonstruktion zur nordseitig angrenzenden Grundstücksgrenze, welche in diesem Bereich schräg nach Westen zunehmend verlaufe. Wie aus dem Lageplan nachvollziehbar hervorgehe, sei somit aus Sicht des Amtssachverständigen für Hochbau festzustellen, dass ausgehend von der Stützenreihe sämtliche durch die Balkonkonstruktion ermittelten Abstandsflächen auf Eigengrund zu liegen kämen. Der Amtssachverständige für Hochbau habe zudem hinsichtlich der Ausnutzung des Grundstückes zu Protokoll gegeben, dass durch die Balkonkonstruktion keine zusätzlichen Gebäudeteile „generiert“ würden, welche bei der Berechnung der Geschossflächenzahl zu berücksichtigen seien und daher die „Ausnutzung der Geschossflächenzahl“ durch die Balkonkonstruktion nicht erhöht werde.
6 Es sei aufgrund der sachverständigen Ausführungen des hochbautechnischen Amtssachverständigen und des Amtssachverständigen für Brandschutz in Zusammenschau mit dem vorgelegten verwaltungsbehördlichen Akt möglich, sich zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Beiden Sachverständigengutachten sei nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden. Aus dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte seien die gutachterlichen Ausführungen der beiden gerichtlich beigezogenen Sachverständigen schlüssig, nachvollziehbar und ohne Widersprüche. Aus diesen Erwägungen erweise sich das Beschwerdevorbringen als unbegründet.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis dahingehend abzuändern, dass dem Vorhaben die Genehmigung versagt werde, in eventu das angefochtene Erkenntnis aufzuheben.
8 Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurück , in eventu die Abweisung der Revision. Die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die Revision erweist sich angesichts des in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichens von näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte als zulässig.
10 Gemäß § 29 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens wiederstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben. Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 23.3.2023, Ra 2022/06/0333 bis 0338, mwN).
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. wiederum VwGH 23.3.2023, Ra 2022/06/0333 bis 0338, mwN).
12 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vermag die Darstellung des Verwaltungsgeschehens die fehlende Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ebenso wenig zu ersetzen wie die bloße Zitierung von Beweisergebnissen oder die bloße Inklusion anderweitiger Aktenteile (vgl. etwa VwGH 14.12.2022, Ra 2018/06/0209, mwN).
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters bereits wiederholt ausgesprochen, dass das Unterlassen jeglicher argumentativen Auseinandersetzung mit einem relevanten Beschwerdevorbringen jedenfalls zu einem Begründungsmangel einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes führt (vgl. VwGH 31.3.2023, Ra 2022/06/0237, mwN).
14 Den dargelegten Anforderungen an die Begründung wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht:
15 Im angefochtenen Erkenntnis erfolgt zunächst eine Darstellung des Verfahrensganges, in welcher das Protokoll der mündlichen Verhandlung zitiert wird. Unter dem Punkt Feststellungen wird erneut der Verfahrensgang dargestellt und Feststellungen zu den vorliegenden Eigentumsverhältnissen getroffen. Aus diesen Feststellungen geht der entscheidungsrelevante Sachverhalt jedoch nicht hervor. Die Ausführung, wonach subjektiv öffentliche Rechte des Revisionswerbers durch das Bauvorhaben nicht verletzt würden, stellt keine Feststellung des Sachverhaltes dar, sondern eine nicht nachvollziehbare, weil gänzlich unbegründete rechtliche Beurteilung. Sodann gibt das Verwaltungsgericht disloziert innerhalb der rechtlichen Beurteilung wörtlich die Ausführungen der Amtssachverständigen wieder bzw. verweist darauf und beurteilt diese pauschal als logisch, nachvollziehbar und begründet. Die entscheidungsrelevanten Ausführungen des bautechnischen und des brandschutztechnischen Amtssachverständigen werden nicht festgestellt. Wie sich aus der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, vermag weder die bloße Zitierung von Beweisergebnissen noch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts zu ersetzen.
16 Darüber hinaus bestritt der Revisionswerber in seinem Beschwerdevorbringen, dass es sich bei dem vorliegenden Bauvorhaben um einen Balkon handle. Laut seiner Argumentation erreiche der Zubau eine flächenmäßige Ausgestaltung, welche die üblichen Größenvorstellungen von Balkonen bei Weitem übersteige. Es liege somit kein untergeordneter Bauteil im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. c K BV vor, was aber Voraussetzung für die Anwendung des § 5 Abs. 1 letzter Satz K BV sei. Eine eigenständige Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen des Revisionswerbers fehlt im angefochtenen Erkenntnis zur Gänze.
17 Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers zur baulichen Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks, wonach mit näherer Begründung entgegen der rechtlichen Qualifikation der belangten Behörde für das vorliegende Bauvorhaben § 3 Abs. 2 lit. c des textlichen Bebauungsplans der Stadt Villach gelte und der Zubau daher in die Berechnung der Geschoßflächenzahl miteinzubeziehen wäre.
18 Das angefochtene Erkenntnis wird daher den Anforderungen an die Begründungspflicht nicht gerecht und entzieht sich damit der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.
19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
20 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 19. September 2024