Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. November 2023, Zl. LVwG AV 1658/001 2023, betreffend Verlängerung einer Konzession nach dem Eisenbahngesetz 1957 (mitbeteiligte Partei: L Gesellschaft m.b.H., vertreten durch die SHMP Schwartz Huber Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Konzessionsurkunde vom 17. November 1922 wurde der Mitbeteiligten die Konzession für eine Lokalbahn von Payerbach-Reichenau nach Hirschwang für die Dauer von 90 Jahren verliehen. Diese Konzession wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 17. November 2017 bis zum 17. November 2022 verlängert.
2 Bereits mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 3. August 1982 wurde gemäß § 19 Abs. 3 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) in der damals geltenden Fassung (vgl. nunmehr § 19b Abs. 1 EisbG) mit sofortiger Wirkung die Einstellung des Betriebes auf der gesamten Strecke verfügt und ausgesprochen, dass der Betrieb nur mit Bewilligung der Eisenbahnbehörde wieder aufgenommen werden dürfe.
3 Begründend wurde in diesem Bescheid ausgeführt, dass bei einer kommissionellen Überprüfung der Lokalbahn durch die Eisenbahnbehörde zahlreiche Mängel, insbesondere bei der Erhaltung des Oberbaues und der Fahrbetriebsmittel, aber auch bei der Betriebsabwicklung und auf dem Sektor des Dienstnehmerschutzes festgestellt worden seien. Dem Auftrag zur Beseitigung dieser (im Bescheid nicht näher darstellten) Mängel sei trotz mehrfacher Nachfristsetzung nur teilweise nachgekommen worden. Die Entscheidung über die Betriebseinstellung sei aus Gründen der Verkehrssicherheit zu treffen gewesen. Da der Personen und Reisegepäckverkehr auf der Lokalbahn bereits mit Wirkung vom 1. Juli 1963 über Antrag der Mitbeteiligten eingestellt worden sei, betreffe die nunmehrige eisenbahnbehördliche Verfügung nur den Güterverkehr. Damit sei jedoch die gänzliche Einstellung des Betriebes gegeben. Einem Verfahren nach § 29 EisbG (vgl. nunmehr §§ 28 und 29 EisbG: Einstellung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit und Auflassung einer Eisenbahn) werde dadurch nicht vorgegriffen.
4 Schon seit dem Jahr 1979 wird auf einem Teil der Strecke eine „Museumsbahn“ auf Grundlage veranstaltungsrechtlicher Bewilligungen betrieben. Zuletzt wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. März 2016 der H GesmbH gemäß § 10 Abs. 1 NÖ Veranstaltungsgesetz die veranstaltungsrechtliche Betriebsstättenbewilligung für einen touristisch geführten Museumsbahnbetrieb auf der Strecke Payerbach nach Hirschwang erteilt. Zwischen dieser Gesellschaft und der Mitbeteiligten besteht zu diesem Zweck ein Pachtvertrag.
5 Mit Eingabe vom 6. Mai 2022 beantragte die Mitbeteiligte die Verlängerung ihrer Konzession zum Bau und Betrieb sowie zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen auf der nicht vernetzten Nebenbahn von Payerbach Reichenau nach Hirschwang gemäß § 14d EisbG bis zum 17. November 2027. Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ermächtigte gemäß § 12 Abs. 3 EisbG die nunmehrige Revisionswerberin (und belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) mit der Durchführung des Verfahrens.
6 Mit Bescheid vom 9. März 2023 wies die Revisionswerberin den Antrag der Mitbeteiligten auf Verlängerung ihrer Konzession gemäß § 14d EisbG ab.
7 Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Betrieb auf der gegenständlichen Nebenbahn seit mehr als 40 Jahren aus Sicherheitsgründen eingestellt sei. In Anbetracht dessen, dass nach wie vor keine Aussicht auf Wiederinbetriebnahme bestehe und die betreffende Bahnstrecke somit keinen Beitrag zur verkehrswirtschaftlichen Gewährleistung der Eisenbahn leiste, könne nicht mehr von einem hinreichenden öffentlichen Verkehrsinteresse ausgegangen werden, zumal hier ein touristischer Museumsbahnbetrieb nach dem NÖ Veranstaltungsgesetz geführt werde.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde Folge, verlängerte die Konzessionsdauer bis zum 17. November 2027 und schrieb der Mitbeteiligten eine Abgabe nach der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 vor. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei.
9 Begründend stellte das Verwaltungsgericht unter anderem fest, dass der Pachtvertrag zwischen der Mitbeteiligten und der Betreiberin der Museumsbahn auch die Erhaltung der Strecke und der Eisenbahnanlagen umfasse. Zur Erhaltung der Strecke würden regelmäßig Bau- und Arbeitsfahrzeuge geführt. Die (im Eigentum der Betreiberin der Museumsbahn stehenden) Fahrzeuge und die Strecke würden regelmäßig gewartet. Betreffend den technischen Zustand der Strecke und der Fahrzeuge würden regelmäßig Gutachten entsprechender Sachverständiger eingeholt.
10 Im Rahmen des Verfahrensgangs hat das Verwaltungsgericht dazu mehrere (im Hinblick auf den Museumsbahnbetrieb erstellte) Privatgutachten aus dem Jahr 2023 zu verschiedenen Sachgebieten wiedergegeben, die jeweils im Wesentlichen zum Ergebnis kommen, dass die Anlagen für einen sicheren und ordnungsgemäßen Nostalgie- und Touristikbahnbetrieb geeignet seien, die in früheren Gutachten angeführten Beanstandungen und Mängel ordnungsgemäß beseitigt worden seien und vom Standpunkt der Sicherheit und Ordnung „der Eisenbahn“, des Betriebs von Schienenfahrzeugen sowie des Verkehrs der Anlage keine Bedenken zum Betrieb der historischen Anlage und der historischen Fahrzeuge bestünden.
11 Das Verwaltungsgericht stellte weiters fest, dass zwischen der Mitbeteiligten und einer weiteren Person Verkaufs- bzw. Übernahmeverhandlungen geführt würden. Es sei ein regelmäßiger Bahnbetrieb geplant. Die finanziellen Mittel für die Erhaltung der Strecke, der Fahrzeuge und einen zukünftigen Regelbetrieb erschienen gewährleistet. Der Verlängerung der Konzession stünden keine öffentlichen Verkehrsinteressen entgegen.
12 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass nach der näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes so wie im Fall der Verleihung der Konzession auch im Fall einer Verlängerung ein Rechtsanspruch darauf bestehe, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Der Begründung im bekämpften Bescheid hielt es entgegen, dass die belangte Behörde dabei übersehen habe, dass es bei der Frage der Verlängerung der Konzession nur darum gehe, ob nicht öffentliche Verkehrsinteressen der Verlängerung der Konzession entgegenstünden. Ob und welche öffentlichen Verkehrsinteressen gegen eine Verlängerung der Konzession sprechen, sei aber in einem Ermittlungsverfahren zu klären.
13 Selbst wenn man davon ausgehe, dass im Falle einer Konzessionsverlängerung die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung im Sinne des § 14a EisbG erfüllt sein müssten, verlange diese Bestimmung nur das Glaubhaftmachen eines öffentlichen Interesses (nicht eines expliziten Verkehrsinteresses), welches durchaus im Erhalt von Bahnanlagen und Schienenfahrzeugen zur Verwendung im Rahmen einer Museumsbahn im historischen Interesse erblickt werden könne. Die Aufrechterhaltung der Konzession im beantragten Ausmaß erscheine auch nicht übermäßig lange, um ein Konzept für die Wiederaufnahme eines Regelbetriebes zu entwickeln oder eine allfällige Übernahme als Privatbahn abzuwickeln.
14 Höhere Anforderungen als im Fall der Konzessionserteilung nach § 14a EisbG könnten bei der Verlängerung der Konzession selbst wenn im Verlängerungszeitpunkt der reguläre Bahnbetrieb eingestellt sei nicht erforderlich sein. Das nach dieser Bestimmung erforderliche öffentliche Interesse sei ausreichend bescheinigt, ebenso wie das Vorliegen ausreichender finanzieller Möglichkeiten.
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, es liege bis dato keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob die Voraussetzungen für die Verlängerung der Konzessionsdauer gemäß § 14d EisbG gegeben seien, wenn der Betrieb einer Eisenbahn seit mehr als 40 Jahren aus Sicherheitsgründen eingestellt sei.
18 Dazu führt sie näher aus, dass sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 3.7.1991, 91/03/0019) der Schluss ziehen lasse, dass die Sicherheit der Benützer einer Eisenbahn ein wesentliches öffentliches Interesse darstelle. Es liege ungeachtet der Formulierung des § 14d EisbG auf der Hand, dass auch im Rahmen eines Verfahrens auf Verlängerung der Konzessionsdauer die in § 14a Abs. 3 EisbG (Konzessionsverfahren) angegebenen Kriterien zu berücksichtigen seien, dass also einer Verlängerung der Konzession keine öffentlichen Interessen wie eine Gefährdung der Bahnbenützer entgegenstehen dürften. Bis zur Bewilligung der Wiederinbetriebnahme des Eisenbahnbetriebes sei davon auszugehen, dass die Gründe, die zur Erlassung des Bescheides des Bundesministers für Verkehr vom 3. August 1982 geführt hätten, nach wie vor zuträfen. Die im angefochtenen Erkenntnis zitierten Gutachten bezögen sich lediglich auf den touristisch geführten Museumsbahnbetrieb. Das angekündigte Konzept für die Wiederaufnahme eines Regelbetriebes oder eine allfällige Übernahme als „Privatbahn“ seien nicht geeignet, die hier offenkundigen Sicherheitsmängel zu kompensieren. Es bestehe auch kein Zusammenhang zwischen der Weiterführung der Konzession und dem Erhalt der Bahnanlagen zur Verwendung im Rahmen einer Museumsbahn, weil im Rahmen eines Auflassungsverfahrens gemäß § 29 EisbG ohnehin auf die geplante Nachnutzung abzustellen sei.
19 § 14d EisbG lautet:
„ Verlängerung der Konzessionsdauer
§ 14d. Stellt der Konzessionsinhaber spätestens sechs Monate vor Ablauf der Konzessionsdauer den Antrag auf deren Verlängerung, so ist diesem Antrag insoweit stattzugeben, als nicht öffentliche Verkehrsinteressen (wie insbesondere das Interesse an der Vereinheitlichung oder Rationalisierung des Eisenbahnverkehrs, das Verkehrsvolumen, die Streckenlänge oder die sonstige verkehrswirtschaftliche Bedeutung der Eisenbahn) entgegenstehen. Wird über einen rechtzeitig eingebrachten Antrag nicht spätestens drei Monate vor Ablauf der Konzessionsdauer entschieden, so gilt diese als auf ein Jahr verlängert.“
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Vorgängerbestimmung (§ 17 Abs. 6 EisbG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 125/2006) ausgesprochen, dass der Wortlaut keinen Zweifel daran offen lasse, dass ein Konzessionsinhaber, der einen Verlängerungsantrag nach dieser Gesetzesstelle stelle, bei Erfüllung der dort vorgesehenen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Verlängerung der Konzession hat. Im Fall eines Verlängerungsantrages (im dortigen Fall: für einen hinausgeschobenen Zeitraum) seien entsprechende tatbestandsbezogene, d.h. die öffentlichen Verkehrsinteressen betreffende Feststellungen erforderlich (vgl. VwGH 24.5.1989, 89/03/0069, VwSlg. 12939/A 1989). Diese Rechtsprechung lässt sich auf die Regelung des § 14d EisbG in der geltenden Fassung, welche sich von der früheren Rechtslage lediglich durch reduzierte Versagungsgründe unterscheidet, übertragen.
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters bereits (zu §§ 38 bis 41 EisbG in der damaligen Fassung, nunmehr §§ 42 bis 45 EisbG) ausgeführt, dass der vom Gesetzgeber im EisbG allgemein und ohne nähere Spezifizierung verwendete Begriff „öffentliches Verkehrsinteresse“ ein unbestimmter Gesetzesausdruck ist, der alles umfasst, was unter den Begriff „öffentliches Interesse am Verkehr“ schlechthin unter besonderer Beachtung des Eisenbahnverkehres subsumiert werden kann. Das bedeutet etwa, dass unter dem Ausdruck „öffentliches Verkehrsinteresse“ auch Belange der Sicherheit, die sich aus dem Bestand und Betrieb einer Eisenbahn gegenüber bahnfremden Objekten und Anlagen im Nahebereich der Eisenbahn ergeben, zu verstehen sind (vgl. VwGH 22.12.1971, 1525/70).
22 Vor dem Hintergrund dieser bestehenden Rechtsprechung legt die Revision nicht dar, welcher weiteren Leitlinien das Verwaltungsgericht zur Entscheidung über die Beschwerde bedurft hätte.
23 Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur rechtlichen Beurteilung einer bestimmten Sachverhaltskonstellation wird nämlich keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan, zumal eine einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 1.8.2023, Ra 2023/09/0128, und 27.2.2019, Ra 2018/04/0144).
24 Mit dem alleinigen Hinweis auf Gründe, die der Betriebseinstellung im Jahr 1982 zu Grunde gelegen seien ohne diese näher darzustellen , zeigt die Revisionswerberin jedoch nicht auf, auf Grund welcher konkreten (allenfalls noch zu treffenden) Sachverhaltsfeststellungen ein öffentliches Interesse an der Nichtverlängerung der Konzession anzunehmen wäre. Somit wird auch nicht aufgezeigt, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes unvertretbar wäre, dass auch im Hinblick auf die Sicherheit des Verkehrs keine öffentlichen Verkehrsinteressen vorlägen, die der Verlängerung der Konzession entgegenstünden.
25 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. März 2024