JudikaturVwGH

Ra 2023/03/0189 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und den Hofrat Dr. Faber als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 19. September 2023, Zl. LVwG 41.8 6631/2022 2, betreffend eisenbahnrechtliche Baugenehmigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Partei: H GmbH in G), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juni 2022 wurde der mitbeteiligten Partei die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung gemäß den §§ 31 ff Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) iVm. § 93 Abs. 1 Z 4 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) für ein näher bezeichnetes Projekt erteilt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die dagegen erhobene Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft („Verkehrs Arbeitsinspektorat“), der nunmehr revisionswerbenden Partei, (mit einer hier nicht relevanten Maßgabe) ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3 Begründend stellte das Verwaltungsgericht soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Bedeutung fest, mit Schreiben vom 10. Mai 2022 (gemeint wohl: 20. Mai 2022) habe die revisionswerbende Partei mitgeteilt, dass kein Vertreter an der für den 2. Juni 2022 anberaumten mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde teilnehmen werde. In diesem Schreiben sei auch auf näher genannte ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen seien, hingewiesen und näher ausgeführt worden, welche Mängel nach Einsicht in die übermittelten Unterlagen festgestellt worden seien. Die revisionswerbende Partei habe ersucht, ihr die Verhandlungsakten vor Erlassung des Bescheides zur Stellungnahme zu übersenden. Weiters stellte das Verwaltungsgericht fest, anlässlich der Verhandlung am 2. Juni 2022 sei das Projekt von den Vertretern der mitbeteiligten Partei vorgestellt, Detailfragen besprochen und ein Ortsaugenschein mit allen Beteiligten durchgeführt worden. Es sei ein korrigiertes Gutachten vorgelegt und als Austauschunterlage übergeben worden. Überdies habe der Amtssachverständige für Eisenbahnbautechnik und Straßenverkehrswesen Befund und Gutachten erstattet und das eingereichte Projekt bei einer fachgerechten, projektmäßigen und befundgemäßen Ausführung gemäß §§ 31 ff EisbG aus eisenbahnbautechnischer Sicht als geeignet beurteilt.

4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht soweit für den Revisionsfall relevant aus, gemäß § 12 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 (ArbIG) sei das zuständige Arbeitsinspektorat Partei in Verwaltungsverfahren, die den ArbeitnehmerInnenschutz berührten, was vorliegend gemäß § 93 Abs. 1 Z 4 ASchG der Fall sei. Dies gelte auch für das Verfahren der Verwaltungsgerichte. In Hinblick auf das Beschwerdevorbringen der revisionswerbenden Partei, wonach ihr Parteiengehör in Bezug auf die Austauschunterlagen nicht gewährt worden sei, hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die revisionswerbende Partei zur Verhandlung vor der belangten Behörde am 2. Juni 2022 eine Ladung erhalten und mitgeteilt habe, daran nicht teilzunehmen. Aus dem Umstand, dass eine Verhandlung unbesucht bleibe, könne „keine Rechtswidrigkeit mangels Parteiengehörs“ abgeleitet werden, zumal die revisionswerbende Partei keinen nach der Rechtsprechung anerkannten Entschuldigungsgrund für ihr Fernbleiben von der Verhandlung angeführt habe. Sie hätte im Zuge der Verhandlung die Möglichkeit gehabt, in die ausgetauschten Stellungnahmen und Gutachten Einsicht zu nehmen und auch von ihrem Fragerecht als Partei im Zuge der Verhandlung Gebrauch machen können. Dass sie von diesen Rechten keinen Gebrauch gemacht habe, sei ihrer Sphäre zuzurechnen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei nicht auf die in der Beschwerde relevierte Verletzung des § 12 Abs. 2 ArbIG eingegangen. Es stelle sich die Rechtsfrage, ob das „Sonderparteienrecht“ des Arbeitsinspektorates dadurch verletzt worden sei, dass das Arbeitsinspektorat ohne Vorliegen eines „nach der Rechtsprechung anerkannten Entschuldigungsgrundes“ an der kundgemachten Verhandlung nicht teilgenommen habe und seinem Antrag gemäß § 12 Abs. 2 ArbIG auf Übersendung der Verhandlungsakten zur Stellungnahme nicht nachgekommen und ohne weitere Anhörung des Arbeitsinspektorates der das Verwaltungsverfahren abschließende Bescheid erlassen worden sei. Dazu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Überdies betreffe die Begründung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf das Parteiengehör alle Verwaltungsverfahren in Österreich, in denen ein Arbeitsinspektorat an der Verhandlung nicht teilnehme und deshalb gemäß § 12 Abs. 2 ArbIG um Übersendung einer Kopie der Verhandlungsakten ersuche. Auf Grund der Vielzahl noch zu erwartender Verwaltungsverfahren, an denen ein Arbeitsinspektorat gemäß § 12 ArbIG zu beteiligen sei, komme dieser Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu. Die Einräumung des „Sonderparteienrechts“ gemäß § 12 Abs. 2 ArbIG sei entscheidungsrelevant, um die Interessen des ArbeitnehmerInnenschutzes und somit die vom Verkehrs Arbeitsinspektorat zu vertretenden öffentlichen Interessen zu wahren.

10 Damit zeigt die Revision keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG auf:

11 Die revisionswerbende Partei sieht die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zunächst in der fehlenden Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der bereits in der Beschwerde geltend gemachten Verletzung der Bestimmung des § 12 Abs. 2 ArbIG, zu welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

12 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht automatisch zur Zulässigkeit der Revision führt. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert insoweit die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 18.12.2023, Ra 2023/03/0172, mwN).

13 Überdies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zulässigkeit einer Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen für die revisionswerbende Partei günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. etwa VwGH 5.5.2022, Ra 2022/03/0095, mwN, ebenfalls zur Verletzung des Parteiengehörs, sowie VwGH 17.12.1992, 92/18/0393, zur Nichtbeteiligung des Arbeitsinspektorats am Verfahren im Sinne des § 8 Abs. 4 Arbeitsinspektionsgesetz 1974).

14 Eine solche Relevanzdarstellung enthält die vorliegende Revision hinsichtlich der behaupteten Verletzung des § 12 Abs. 2 ArbIG nicht (vgl. zur erforderlichen Darstellung der Relevanz des Verfahrensmangels auch durch eine amtsrevisionswerbende Behörde etwa VwGH 6.12.2021, Ra 2021/03/0284). Die Revision legt mit ihrem bloßen Hinweis auf die Berücksichtigung der Interessen des ArbeitnehmerInnenschutzes in ihrer Zulässigkeitsbegründung nämlich nicht dar, welches Vorbringen erstattet worden wäre, wenn dem Verlangen auf Übersendung von Kopien der Verhandlungsakten vor Erlassung des Bescheides zur Stellungnahme im Sinne des § 12 Abs. 2 ArbIG nachgekommen worden wäre.

15 Schließlich bewirkt auch der Umstand allein, dass die zu lösende Rechtsfrage in einer Vielzahl von Fällen auftreten kann, noch nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. etwa VwGH 26.3.2014, Ro 2014/03/0024; 12.2.2020, Ra 2020/11/0005, mwN).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Jänner 2024

Rückverweise