Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Dr. A B in C, vertreten durch Prutsch Partner Rechtsanwälte in 8010 Graz, Joanneumring 6/III, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. August 2022, VGW 172/024/536/2021 67, betreffend Disziplinarstrafe nach dem Ärztegesetz 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist Arzt für Allgemeinmedizin.
2 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis erkannte das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) den Revisionswerber schuldig, die Disziplinarvergehen nach § 136 Abs. 1 Z 1 und 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) iVm § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 und §§ 1 und 2 Abs. 1 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Information in der Öffentlichkeit (Arzt und Öffentlichkeit 2014) dadurch begangen zu haben, dass er im Jänner 2020 auf seiner Homepage unter der Rubrik „Impfen“ behauptet habe, es gebe keinerlei Sicherheitsnachweise für Impfungen und die Wirksamkeit von Impfungen sei nicht nachgewiesen.
3 Über den Revisionswerber wurde hiefür gemäß § 139 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 3.000, verhängt und die Strafe gemäß § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998 unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren bedingt nachgesehen. Unter einem wurde der Revisionswerber zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verpflichtet. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Im Zusammenhang mit dem Erfordernis nach § 28 Abs. 3 VwGG, die Gründe für die Zulässigkeit der Revision gesondert darzustellen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits betont, dass die Gründe für die Zulässigkeit der Revision (insbesondere auch) gesondert von den Revisionsgründen gemäß § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG darzustellen sind. Auch wird der Darstellung von Revisionsgründen nicht dadurch entsprochen, dass auf die Ausführungen zu den Zulässigkeitsgründen verwiesen wird (vgl. etwa VwGH 4.5.2021, Ra 2021/09/0088, mwN).
7 Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung erweist sich die gegenständliche Revision nicht als gesetzmäßig ausgeführt, weil die Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit zwar unter der Überschrift „2. Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision“ erfolgt und ein eigenes Kapitel „3. Revisionsgründe“ vorhanden ist, jedoch in den Ausführungen unter der Überschrift „Revisionsgründe“ inhaltlich im Wesentlichen bloß auf die Zulässigkeitsbegründung verwiesen wird.
8 Die Revision, die somit eine Trennung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG und der Revisionsgründe vermissen lässt, erweist sich demnach als nicht gesetzmäßig ausgeführt und war daher bereits aus diesem Grund ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
9 Darüber hinaus wird eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht aufgezeigt.
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betrifft § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 nur Informationen durch einen Arzt „im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes“ und setzt daher einen ausreichenden Zusammenhang mit dem ärztlichen Beruf voraus (vgl. VwGH 29.10.2019, Ra 2019/09/0010; 28.10.2021, Ra 2019/09/0140).
11 Die Frage, ob Informationen einen ausreichenden Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes im Sinn des § 53 Abs. 1 ÄrzteG 1998 aufweisen, ist anhand der konkreten Umstände im Einzelfall zu klären. Eine solche Einzelfallbeurteilung wirft nur dann eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichts in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. erneut VwGH 28.10.2021, Ra 2019/09/0140, mwN).
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Erkenntnis vom 28. Oktober 2021, Ra 2019/09/0140, bereits festgehalten, dass der Internetauftritt („Homepage“) eines praktizierenden Arztes „im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes“ steht. Dient dieser doch offensichtlich (auch) dazu, die Aufmerksamkeit auf seine Ordination zu lenken und somit Werbezwecken, was sich schon durch die Bezugnahme auf dessen Praxis (beispielsweise durch die Anführung der Öffnungszeiten) und die von ihm angebotenen Behandlungsmethoden ergibt.
13 Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts enthielt auch der dem Revisionswerber vorgeworfene Internetauftritt im Tatzeitraum eine Bezugnahme auf dessen Praxis durch die Anführung der Öffnungszeiten, der vom Revisionswerber angebotenen Heilmethoden und der Adresse seiner Ordination. Ausgehend davon vermag der Revisionswerber ein Abweichen von den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen und eine Unvertretbarkeit der im Einzelfall vorgenommenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts nicht aufzuzeigen.
14 Soweit der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision ein Abweichen vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 2019, Ra 2019/09/0010, ins Treffen führt, ist darauf zu verweisen, dass diesem ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde lag. Ging es dort doch um Äußerungen im Rahmen eines Vortrags in einem Pfarrheim zu Nachteilen und Gefahren des Impfens. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Beurteilung als wesentlich erachtet, dass Feststellungen, ob und welcher Zusammenhang der Äußerungen mit der Ausübung des ärztlichen Berufes bestand, fehlten und der dortige Revisionswerber nach den Feststellungen eingangs seines Vortrages offenlegte, dass er eine Mindermeinung vertrete und für positive Informationen zum Thema Impfen auf Hausärzte oder Apotheker verwies. Im Gegensatz dazu geht es im vorliegenden Fall um plakative Aussagen, die der werbemäßigen Hervorhebung eigener Behandlungsmethoden gedient haben. Auch stellte der Revisionswerber die Nachteile und Gefahren von bestimmten Impfungen nicht dar, sondern riet von Impfungen ganz allgemein mit dem pauschalen Hinweis darauf ab, dass es keinerlei Sicherheitsnachweise von Impfungen gebe und eine wissenschaftliche und juristische Basis für das Impfen fehle. Die Revision setzt im Übrigen in ihrer Zulässigkeitsbegründung den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die auf Basis eines Sachverständigengutachtens getroffen wurden, wonach die inkriminierten Aussagen nicht wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprächen, nichts Stichhaltiges entgegen.
15 Weiters wendet sich der Revisionswerber mit seinen Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Annahme des Vergehens einer Berufspflichtverletzung und macht insbesondere ein Abweichen zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juli 2013, 2010/11/0075, geltend. Allerdings betraf die genannte Entscheidung keine Disziplinarverurteilung, sondern ein Erlöschen der Berechtigung zur Berufsausübung und Streichung aus der Ärzteliste, weshalb schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan wird (zu einem vergleichbaren Zulässigkeitsvorbringen siehe im Übrigen bereits hg. Beschluss vom 28.10.2021, Ra 2019/09/0140, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird).
16 Schließlich wird auch mit der pauschalen Behauptung, dass die Voraussetzungen für eine Einschränkung der Meinungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 2 EMRK nicht gegeben seien und das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen sei, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt: Dem Revisionswerber ist zwar zuzustimmen, dass nach ständiger Rechtsprechung sowohl des EGMR wie auch des Verfassungsgerichtshofes das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht nur für „Nachrichten“ oder „Ideen“ gilt, die ein positives Echo haben oder die als unschädlich oder gleichgültig angesehen werden, sondern auch für solche, die provozieren, schockieren oder stören. Eine disziplinäre Bestrafung unsachlicher, unwahrer oder das Standesansehen der Ärzteschaft beeinträchtigender Informationen kann jedoch im öffentlichen Interesse des Schutzes der Gesundheit liegen, nämlich sich bei der Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen (vgl. zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Aussagen von Ärztinnen und Ärzten grundlegend jüngst VwGH 22.3.2023, Ra 2021/09/0269).
17 Da durch die Äußerungen des Revisionswerbers bei einem nicht fachkundigen oder laienhaften Leser ein falscher Eindruck über die Sicherheit und die Wirksamkeit von Impfungen erweckt wird und unter Berücksichtigung, dass es sich bei diesen Äußerungen auch nicht um die Darstellung einer begründeten Mindermeinung im Rahmen eines wissenschaftlichen Diskurses handelt, liegt die disziplinäre Bestrafung nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im öffentlichen Interesse des Schutzes der Gesundheit. Es ist nicht zu ersehen, dass die mit der Disziplinierung erfolgte Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit des Revisionswerbers im Hinblick auf das in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannte Ziel im vorliegenden Einzelfall unverhältnismäßig wäre.
Wien, am 30. März 2023