Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der A GmbH in H, vertreten durch die Harisch Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Otto Holzbauer Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 23. Juni 2022, Zl. 405 8/1063/1/18 2022, betreffend eine Angelegenheit nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerberin ist Betreiberin eines Beherbergungsbetriebs in der Gemeinde S im Bezirk Zell am See, im örtlichen Zuständigkeitsbereich der belangten Behörde (BH). Dieser Betrieb war im Jahr 2020 von einschränkenden Maßnahmen im Zuge der COVID 19 Pandemie betroffen:
Einerseits hatte die BH mit einer am 16. März 2020 in Kraft getretenen Verordnung gemäß § 20 Abs. 1 und 4 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) die Schließung aller Beherbergungsbetriebe im Bezirk verfügt. Andererseits war mit Verordnung des Landeshauptmanns von Salzburg (LH) vom 27. März 2020 gestützt auf § 2 Z 2 COVID 19 Maßnahmengesetz ein Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben für Touristinnen bzw. Touristen für das gesamte Bundesland Salzburg erlassen worden.
2 Mit Antrag vom 27. April 2020 begehrte die Revisionswerberin bei der BH eine Entschädigung für erlittene Vermögensnachteile gemäß § 32 EpiG für den Zeitraum von 16. März 2020 bis 12. April 2020 in näher bezeichneter Höhe, den sie in weiteren Folgeeingaben mehrmals modifizierte.
3 Das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) erkannte der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Vergütung des durch die Behinderung des Erwerbes entstandenen Vermögensnachteils sowie als Ersatz der entstandenen Steuerberatungskosten einen Entschädigungsbetrag in Höhe von EUR 382.824,86 für den Zeitraum von 16. März 2020 bis 3. April 2020 zu und wies den geltend gemachten Mehrbetrag ab. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Begründend hielt das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, mit Verordnung der BH vom 13. März 2020 sei die Schließung aller Beherbergungsbetriebe im Bezirk verfügt worden. Die Schließung sei frühestens am 16. März 2020 in Kraft getreten. Mit weiterer Verordnung der BH vom 30. März 2020 habe diese ihre Verordnung vom 13. März 2020 mit Wirkung vom 3. April 2020 wieder aufgehoben. Mit Verordnung des LH vom 27. März 2020 (am selben Tag kundgemacht) sei das Betreten von Beherbergungsbetrieben als Touristin bzw. Tourist am 28. März 2020 im gesamten Landesgebiet (vorerst bis 13. April 2020) verboten worden.
Die Revisionswerberin habe ihren Beherbergungsbetrieb ab 16. März 2020 bis zumindest 3. April 2020 geschlossen gehalten. Der kausal auf Basis der genannten Verordnung der BH vom 13. März 2020 verursachte Verdienstentgang (unter Berücksichtigung entstandener Steuerberatungskosten und unter Abzug erhaltener Zuschüsse) habe für den Zeitraum von 16. März 2020 bis 27. März 2020 EUR 382.824,86 betragen. Ab 28. März 2020 (Geltungsbeginn der Verordnung des LH) bis 3. April 2020 habe die Revisionswerberin zwar Verdiensteinbußen gehabt, es habe jedoch nicht festgestellt werden können, ob diese auch auf die unterbliebene Beherbergung von Nicht Touristen zurückzuführen seien.
Während der Revisionswerberin wegen der mit Verordnung der BH angeordneten Betriebsschließung für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 27. März 2020 unstrittig ein Vergütungsanspruch von EUR 382.824,86 zustehe, sei strittig gewesen, ob bzw. gegebenenfalls welcher Vergütungsanspruch für den Zeitraum von 28. März 2020 bis 3. April 2020 zustehe.
Ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Verweis auf VwGH 16.11.2021, Ro 2021/03/0018) bestehe für den aus der Verordnung des LH resultierenden Verdienstentgang kein Vergütungsanspruch. Vergütungsfähig sei für den Zeitraum der Geltung der Verordnung des LH nur jener Verlust, der aus der Nichtbeherbergung von Gästen resultieren konnte, die durch die Verordnung des LH nicht erfasst worden seien.
Im vorliegenden Fall habe nicht festgestellt werden können, ob die Revisionswerberin einen Verlust aus der Nichtbeherbergung von Gästen erlitten habe, die durch die Verordnung des LH nicht erfasst waren (sohin „Nicht Touristen“):
Die Revisionswerberin habe den gesamten, auch nicht-touristischen Verdienstentgang gefordert. Sie habe betreffend Nicht Touristen trotz ausdrücklicher Aufforderung aber jedwede weitergehende Substantiierung ihres Vorbringens unterlassen und sich auf den Standpunkt zurückgezogen, aus datenschutzrechtlichen Gründen keinerlei Erhebungen und/oder Angaben machen zu können. Sie habe eine „Schätzung“ in Höhe von 15 % vorgenommen, die sie dem Verwaltungsgericht „informativ mitgeteilt“ hätte. Diese Angabe sei nicht nachvollziehbar, zumal widersprüchlich dazu behauptet worden sei, mangels Erhebung dazu überhaupt keine Angaben machen zu können. Vorbringen zur Ausgestaltung des Beherbergungsbetriebs (etwa von Seminarräumen oder Angeboten für Geschäftsreisende), substantiierte Angaben abseits von Schätzungen zu ungefähren Anteilen der Geschäftsreisenden aufgrund von Firmenrechnungen oder Eindrücken bzw. ein Zeugenangebot beispielsweise von Rezeptionisten oder des Steuerberaters zur Glaubhaftmachung seien nicht erfolgt. Es liege daher keinerlei geeignetes Tatsachensubstrat vor, das eine positive Feststellung eines Verdienstentgangs im Zeitraum von 28. März 2020 bis 3. April 2020 bezogen auf Nicht Touristen rechtfertigen könnte, sodass dem Verwaltungsgericht trotz Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Beantwortung dieser Frage nicht möglich sei.
5 Gegen diese Entscheidung erhob die Revisionswerberin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B VG, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 25. August 2022, E 2033/2022 5 abgelehnt und sie mit Beschluss vom 6. September 2022, E 2033/2022 7, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.
6 Daraufhin erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche - Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht geltend, das Verwaltungsgericht sei insofern von (näher zitierter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, als es hinsichtlich des Verdienstentgangs betreffend Nicht Touristen die Beweislast rechtswidrig auf die Revisionswerberin überbunden habe, obwohl die Behörde die Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung der materiellen Wahrheit treffe. Das Verwaltungsgericht habe keinerlei Beweise zur Feststellung des wahren Sachverhalts aufgenommen und dadurch den Grundsatz der materiellen Wahrheit verletzt. Die Revisionswerberin habe die Höhe des Entschädigungsanspruchs gemäß den einschlägigen Regelungen (insbesondere dem vorgegebenen Berechnungstool) richtig berechnet und sei damit ihrer Beweispflicht nachgekommen.
11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
12 Die Revision bekämpft nicht etwa die zutreffende (vgl. nur etwa VwGH 29.11.2021, Ro 2021/03/0030, VwGH 16.11.2021, Ro 2021/03/0018) rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass der Revisionswerberin hinsichtlich des Zeitraumes, in dem die Verordnung der BH von der des LH überlagert war, nur jener Verdienstentgang zu ersetzen ist, der aus der unterbliebenen Beherbergung von Nicht Touristen resultiert. Sie wendet sich vielmehr lediglich gegen die (Negativ )Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass nicht konstatiert werden könne, ob die in diesem Zeitraum erlittenen Verdiensteinbußen (auch) auf die unterlassene Beherbergung von Nicht Touristen zurückzuführen seien, und macht in diesem Zusammenhang zusammengefasst geltend, dass das Verwaltungsgericht seine amtswegige Ermittlungspflicht missachtet habe.
13 Diesem Revisionsvorbringen ist zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 39 Abs. 2 AVG mit der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts (Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens) die Pflicht der Parteien korrespondiert, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf, also insbesondere dann, wenn es auf Umstände ankommt, die in der Sphäre der Partei selbst gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei Informationen betreffend betriebsbezogene bzw. personenbezogene Umstände der Fall ist, über die allein die Partei verfügt. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist also gerade dann von Bedeutung, wenn ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen (vgl. etwa VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021, mwN).
14 Unterlässt eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr, allenfalls nach Rechtsbelehrung (§ 13a AVG) unter Setzung einer angemessenen Frist gebotenen Möglichkeit bzw. nach entsprechenden Aufforderungen, so wird es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern auch diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht; dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag. Die Verletzung der Obliegenheit des Antragstellers zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes („Mitwirkungspflicht“) enthebt die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, und auch weder von ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör noch ihrer Begründungspflicht (vgl. neuerlich VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021, mwN).
15 Gemäß § 17 VwGVG ist das sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebende Amtswegigkeitsprinzip nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, u.a.).
16 Im vorliegenden Fall forderte das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin im Rahmen einer verfahrensleitenden Anordnung auf, bekanntzugeben, ob und in welchem Ausmaß in der Vergleichsperiode 2019 Einkommen aus der Beherbergung von Nicht Touristen erwirtschaftet worden sei und wies auf die Folgen der mangelnden Mitwirkung der Revisionswerberin hin. Darüber hinaus führte das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in der die Revisionswerberin ebenfalls die Möglichkeit hatte, zur Aufforderung des Verwaltungsgerichts Stellung zu nehmen.
17 In der angefochtenen Entscheidung führte das Verwaltungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung aus, die Revisionswerberin habe trotz ausdrücklicher Aufforderung jedwede weitergehende Substantiierung betreffend auf Nicht Touristen zurückzuführenden Verdienstentgang unterlassen und sich einzig auf den Standpunkt zurückgezogen, aus datenschutzrechtlichen Gründen keinerlei Erhebungen durchzuführen bzw. Angaben machen zu können. Näheres Vorbringen zur Ausgestaltung des gegenständlichen Beherbergungsbetriebes sei nicht erstattet worden, substantiierte Angaben zu den Anteilen der Geschäftsreisenden seien nicht erfolgt. Auch nach Einräumung von Parteiengehör und Durchführung einer mündlichen Verhandlung könne wegen der unterlassenen Mitwirkung der Revisionswerberin also nicht festgestellt werden könne, ob ein Verdienstentgang (auch) auf die unterbliebene Beherbergung von Nicht Touristen zurückzuführen sei.
18 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision hält dem nichts Stichhältiges entgegen. Zwar trifft es nach dem oben Gesagten zu, dass eine unterlassene Mitwirkung durch die Partei die Behörde wie auch das Verwaltungsgericht nicht von der amtswegigen Ermittlungspflicht entbindet. Das Verwaltungsgericht hat aber nicht etwa amtswegige Ermittlungen unterlassen, sondern ist, nachdem Konkretisierungsaufforderungen in einer verfahrensleitenden Anordnung und in der mündlichen Verhandlung erfolglos geblieben sind, zum Ergebnis gelangt, dass auf Basis des von der Revisionswerberin erstatteten Vorbringens und der vorliegenden Beweise ein relevanter Verdienstentgang nicht festgestellt werden könne. Die Revision vermag weder darzulegen, dass damit die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien zum Verhältnis zwischen Amtswegigkeit und Mitwirkungspflicht überschritten worden wären, noch darzutun, aufgrund welcher konkreten (amtswegigen) Ermittlungen das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Jänner 2023