JudikaturVwGH

Ra 2021/05/0225 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. April 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des Landes Niederösterreich, vertreten durch Mag. Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hafengasse 16/4 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. Mai 2021, 1. LVwG AV 605/002 2021 und 2. LVwG AV 605/001 2021, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer baurechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde H; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Mag. W T in H, vertreten durch Dr. Ernst Summerer, Rechtsanwalt in 2070 Retz, Znaimer Straße 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Februar 2021 wurde die Berufung des Revisionswerbers (als Liegenschaftseigentümer) gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde H. vom 18. November 2020 für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 44 Wohneinheiten samt Tiefgarage, PKW Abstellplätzen und weiteren Räumlichkeiten auf näher bezeichneten Liegenschaften in der Katastralgemeinde H. abgewiesen.

2 Mit der angefochtenen Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wurde der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde nicht stattgegeben und der Berufungsbescheid dahingehend abgeändert, dass die Berufung des Revisionswerbers gegen den Baubewilligungsbescheid als unzulässig zurückgewiesen werde. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe in seinen Einwendungen gegen das Bauvorhaben u.a. vorgebracht, er sei Eigentümer eines Grundstücks, auf dem unter anderem ein luftfahrtrechtlich bewilligter Hubschrauberlandeplatz betrieben werde. Das Bauvorhaben liege im Schutzbereich dieses Flugplatzes. Er müsse nun aufgrund der auf diese Konstellation übertragbaren Judikatur zur heranrückenden Wohnbebauung betreffend Betriebsanlagen mit einer Einschränkung des Flugbetriebes oder zumindest mit zusätzlichen Auflagen rechnen.

4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen, eine Übertragung der Rechtsprechung zur „heranrückenden Wohnbebauung“ sei u.a. deshalb nicht statthaft, weil dem Luftfahrtgesetz (LFG), das insgesamt sehr eingeschränkte Nachbarrechte vorsehe, ein der Gewerbeordnung 1994 vergleichbarer Schutz vor Immissionen fremd sei. Darüber hinaus würden die Einwendungen des Revisionswerbers der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht gerecht werden, wonach solche Einwendungen aufzeigen müssten, in welchem durch § 6 NÖ Bauordnung 2014 geschützten subjektiv öffentlichen Recht sich der Betriebsinhaber als Nachbar verletzt erachte. Diesen Erfordernissen hätten die Einwendungen nicht entsprochen; der Revisionswerber habe die Parteistellung mangels rechtzeitiger Erhebung zulässiger Einwendungen verloren sodass seine Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid als unzulässig zurückgewiesen hätte werden müssen.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision kostenpflichtig nicht stattzugeben.

7 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten.

8 Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet (vgl. etwa VwGH 1.6.2021, Ra 2021/05/0101, mwN).

9 Die Revision führt unter der Überschrift „Zum Revisionspunkt“ im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei durch das angefochtene Erkenntnis in seinem als Nachbar eingeräumten subjektiv öffentlichen „Recht gemäß § 6 Abs. 2 NÖ BauO verletzt / der gesetzesgemäße Schutz vor Emissionen nach § 48 NÖ BauO wird nicht eingehalten, dies stellt eine zulässige Einwendung im Bauverfahren dar und zwar analog in Zusammenschau mit der Judikatur betreffend die heranrückende Wohnbebauung“. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, „dass eine Präklusion vorlag“, sei unrichtig. Der Revisionspunkt bzw. das konkret durch die NÖ Bauordnung 2014 Nachbarn eingeräumte Recht sei nicht ohne Zusammenschau mit der analog anzuwendenden Judikatur zur heranrückenden Wohnbebauung darstellbar. Er sei aber einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision zugänglich.

10 Mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes wurde der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde über die Erteilung der Baubewilligung an die mitbeteiligte Partei keine Folge gegeben und der Spruch der Berufungsentscheidung dahingehend geändert, dass die Berufung des Revisionswerbers gegen den Baubewilligungsbescheid als unzulässig zurückgewiesen werde. Diesbezüglich konnte der Revisionswerber demnach allenfalls in seinem Recht auf Sachentscheidung, d. h. auf meritorische Erledigung seiner Berufung, verletzt worden sein (vgl. VwGH 19.12.2022, Ra 2019/06/0270, mwN). Dieses Recht ist allerdings weder in dem vom Revisionswerber bezeichneten Revisionspunkt erfasst noch aus dem Gesamtzusammenhang der Revision ersichtlich.

11 Da der Revisionswerber somit keinen tauglichen Revisionspunkt geltend macht, erweist sich die Revision schon deshalb als nicht zulässig. Sie war gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Beträgen nach der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist (vgl. etwa VwGH 29.5.2020, Ro 2020/05/0014).

Wien, am 20. April 2023

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