Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 31. Mai 2021, Zl. VGW 103/048/15775/2019 55, betreffend Waffenverbot (mitbeteiligte Partei: Dr. E A in W, vertreten durch Prof. Dipl.Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Landespolizeidirektion Wien, die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrige Revisionswerberin (LPD), hatte mit Mandatsbescheid vom 12. September 2019 über den Mitbeteiligten gemäß § 12 Abs. 1 WaffG ein Waffenverbot verhängt.
Dem legte sie zu Grunde, dass der Mitbeteiligte am 5. September 2019 um 23.15 Uhr in alkoholisiertem Zustand mit einem Baseballschläger auf das Fahrrad des H geschlagen und diesem die Brille vom Gesicht gerissen und ihn lautstark beschimpft habe. Daraufhin sei er wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung und gefährliche Drohung angezeigt worden. Zudem sei Anzeige wegen des Verdachts nach § 50 WaffG erstattet worden, weil in seiner Wohnung (im Zuge der darauf folgenden Durchsuchung) „Granaten“ sichergestellt worden seien.
2 Mit Vorstellungsbescheid der LPD vom 18. November 2019 wurde der Mandatsbescheid bestätigt.
Dem legte die LPD neben dem oben genannten Sachverhalt weiters zu Grunde, dass der Mitbeteiligte bei dem Vorfall zudem eine Schlagbewegung mit dem Baseballschläger in die Richtung des H angedeutet habe. Im Zuge der Amtshandlung habe der Mitbeteiligte sich in einem äußerst aufgebrachten Zustand befunden, lautstark seinen Unmut kundgetan und die anwesenden Exekutivbeamten beschimpft. Aufgrund seines Zustandes sei ihm sein Hund abgenommen und angeleint worden. Unter den sichergestellten „Granaten“ habe sich „eine Nebelgranate aus Bundesheerbeständen“ befunden, die als Kriegsmaterial anzusehen sei.
Der genannte Sachverhalt rechtfertige die Erlassung eines Waffenverbots gemäß § 12 WaffG, zumal das Persönlichkeitsbild des Mitbeteiligten ein erhöhtes Aggressionspotential zeige.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge und hob den Bescheid auf. Die ordentliche Revision erklärte es für unzulässig.
4 In der Begründung gab das Verwaltungsgericht zunächst knapp zusammengefasst den Verfahrensgang und den Inhalt der Beschwerde (sowohl eine Sachbeschädigung als auch eine gefährliche Drohung würden verneint; die „Nebelgranate“ habe der Mitbeteiligte anlässlich einer Bundesheerübung 1989 zu Hause in einem verschlossenen Metallschrank verwahrt und seither nicht mehr angerührt) wieder. Es legte weiter dar, drei mündliche Verhandlungen durchgeführt und an drei psychiatrische Gutachter Aufträge zur Klärung der Frage des Gesundheitszustandes des Mitbeteiligten erteilt zu haben.
5 Weiters stellte es fest, dass der Mitbeteiligte in alkoholisiertem Zustand mit einem Baseballschläger auf ein vorbeifahrendes Fahrrad eingeschlagen und Schlagbewegungen auf den Fahrradfahrer angedeutet habe sowie, dass er Kriegsmaterial, in „Form eines Nebeltopfes“, besessen habe. Dem Mitbeteiligten sei aber weder eine Sachbeschädigung noch eine gefährliche Drohung vorzuwerfen gewesen.
6 Die „Frage intrinsischer Motive der vermeintlich aggressiven Handlungen“ und der „psychisch seelische Gesundheitszustand“ des Mitbeteiligten in Hinblick auf einen zukünftigen Missbrauch von Waffen seien gutachterlich zu beurteilen gewesen.
Da die erstatteten Befunde und Gutachten der beiden gerichtlich beeideten Sachverständigen, Dr. B und Dr. W, „in einem verhandelten Gutachter , Schulen- und Methodenstreit“ geendet hätten, sei deren Inhalt nicht weiter zu erörtern und Dr. E als „Übergutachter“ zu bestellen gewesen.
Dieser, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie gerichtlich beeideter Sachverständiger, habe nach Einlesen in beide Vorgutachten als Succus dargestellt, dass von einer „waffenrechtlichen Verlässlichkeit“ des Mitbeteiligten auszugehen sei, wenn dessen „Alkoholwerte“ nicht auf Alkoholmissbrauch schließen lassen würden.
Auf Basis der in der letzten Tagsatzung für Dr. E noch nicht verfügbar gewesenen Labordiagnostik sei festzustellen, dass der maßgebliche CDT Wert des Mitbeteiligten einen Langzeitkonsum von Alkohol im Übermaß ausschließe.
7 Es seien daher in Zusammenschau mit den im Gutachten synonym verwendeten Begriffen „waffenrechtliche Verlässlichkeit“ und „Gefahr der missbräuchlichen Verwendung einer Waffe“ die in § 12 WaffG geforderten Voraussetzungen für ein Waffenverbot zu verneinen, zumal an letzteres ein strengerer Maßstab als an die waffenrechtliche Verlässlichkeit anzulegen sei.
Die in § 12 Abs. 1 WaffG geforderte Gefahr sei „einerseits durch die gutachterliche Äußerung andererseits aber auch durch das vorgeworfene, den Verbotsbescheid begründende Verhalten nicht zu rechtfertigen“. So habe nicht einmal in einer Konfliktsituation der Missbrauch einer Waffe stattgefunden, obwohl eine solche zur Verfügung gestanden wäre. Die enthemmende Wirkung des Alkohols sei nicht so weit gegangen, dass eine Waffe zum Einsatz gekommen wäre. Da das Gutachten nicht einmal die waffenrechtliche Verlässlichkeit verneine, sei umso mehr keine Gefahr eines Waffenmissbrauchs gegeben.
Was den Besitz von Kriegsmaterial anlange, sei festzuhalten, dass es sich dabei um einen nach einer Milizübung, an der der Mitbeteiligte als Milizoffizier selbst teilgenommen habe, als Erinnerungsstück mitgenommenen „Nebeltopf“ gehandelt habe. Damit habe der Mitbeteiligte weder eine „große Menge“ von Kriegsmaterial besessen noch habe „aufgrund der bis dato extrem gesicherten Aufbewahrung“ die Gefahr des Abhandenkommens, gar an Dritte, bestanden.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung, die geltend macht, das Verwaltungsgericht sei mehrfach von der (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, und es habe das angefochtene Erkenntnis mit Verfahrensmängeln belastet, legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen habe.
13 Hinsichtlich der für die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 8.9.2020, Ra 2020/03/0117, mwN, verwiesen.
14 Danach ist zusammengefasst für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.
15 Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger („missbräuchlicher“) Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.
16 Die Revision zeigt nicht auf, dass das angefochtene Erkenntnis außerhalb der durch die Leitlinien dieser Judikatur gezogenen Grenzen stünde. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, dass der Mitbeteiligte durch den fraglichen Vorfall weder eine Sachbeschädigung noch eine gefährliche Drohung verwirklicht habe (der Aktenlage nach hat die Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen den Mitbeteiligten nach §§ 107 und 125 StGB ebenso eingestellt wie das Verfahren nach § 50 WaffG), und dass die besonderen Umstände des Vorfalls nicht die Prognose erlaubten, der Mitbeteiligte werde Waffen missbräuchlich verwenden. Wenn auf Basis des eingeholten psychiatrischen Obergutachtens beim Mitbeteiligten nicht einmal Unverlässlichkeit iSd § 8 WaffG anzunehmen sei, komme umso weniger eine Gefahr iSd § 12 WaffG in Betracht.
17 Wenn die Revision dagegen einwendet, dass die für ein Waffenverbot erforderliche qualifizierte Gefährdungsprognose iSd § 12 WaffG nicht mit der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung nach § 8 WaffG gleichzusetzen sei, trifft dies zwar grundsätzlich zu. Festzuhalten ist aber, dass das Verhältnis der Voraussetzungen des Waffenverbotes zu denen der Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit im Sinne des § 8 WaffG 1996 es jedenfalls ausschließt, ein Waffenverbot auf Tatsachen zu stützen, die für die Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit nicht ausreichen würden. Die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts trifft also zu (vgl. nur etwa VwGH 21.6.2017, Ro 2017/03/0007).
18 Entgegen der Revision kann auch nicht gesehen werden, dass im Revisionsfall dem Besitz von Kriegsmaterial durch den Mitbeteiligten entscheidende Bedeutung zukäme. Das Verwaltungsgericht hat nämlich die besonderen Umstände des Besitzes der „Nebelgranate“ (bzw. des „Nebeltopfes“) dargelegt (die weiteren, zunächst beim Mitbeteiligten sichergestellten „Granaten“ bzw. „Wurfkörper“ haben sich der Aktenlage nach als pyrotechnische Gegenstände entpuppt), der an sich keine besondere Gefährlichkeit zukam und die zudem gesichert verwahrt war.
19 Nicht zielführend ist auch der Vorwurf der Revision, das Verwaltungsgericht habe eine erforderliche Gesamtbetrachtung unterlassen und sich nicht mit dem Vorleben des Mitbeteiligten auseinandergesetzt. Die LPD hatte sich zur Begründung des Waffenverbots (sowohl bei Erlassung des Mandatsbescheids als auch bei dessen Bestätigung im Vorstellungsweg) allein auf den Vorfall vom 5. September 2019 gestützt. Selbst wenn man annehmen wollte, dass der Berücksichtigung eines nun in der Revision angesprochenen Vorfalls vom 1. September 2011 nicht das Neuerungsverbot entgegenstehen sollte (weil die LPD in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 31. Mai 2021 geltend gemacht hatte, die „gegenständliche Attacke“ sei „die zweite aktenkundige“), zeigt die Revision doch nicht auf, dass einem solchen, bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses etwa zehn Jahre zurückliegenden Vorfall entscheidendes Gewicht bei der Beurteilung beizumessen wäre.
20 Mit den von der Revision im Weiteren behaupteten Verfahrensfehlern wird die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht aufgezeigt, weil nicht zugleich deren Relevanz dargelegt wird. Soweit die Revision eine eingehende Auseinandersetzung mit den einander widersprechenden Gutachten der Sachverständigen Dr. B und W vermisst, ist sie im Übrigen bloß auf die Bestellung des Dr. E als „Obergutachter“, auf dessen Gutachten das Verwaltungsgericht seine Entscheidung letztlich stützte, zu verweisen.
21 In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. Dezember 2021