JudikaturVwGH

88/18/0062 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. März 1988

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Böhler, über die Beschwerde des Dr. EW, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 7. Dezember 1987, Zl. Ib 182 153/87, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird gemäß § 35 Abs. 1 VWGG abgewiesen.

Aus der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 7. Dezember 1987 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 31. März 1986 um 10.04 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Innerbraz auf der Arlbergstraße S 16 auf der Höhe der Firma G in Fahrtrichtung Arlberg die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 31 km/h überschritten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10 a und § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 begangen zu haben. Über den Beschwerdeführer wurde daher eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt.

Entsprechend der Begründung ihres Bescheides ging die Berufungsbehörde auf Grund der Anzeige der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom 4. März 1986, der Stellungnahme dieser Dienststelle vom 11. Juni 1986, der Zeugenaussage zweier Gendarmeriebeamter, der Stellungnahme der Firma „E“, betreffend die technische Funktionsweise des in Verwendung gestandenen Lichtschrankengerätes (Drillingslichtschranken Geschwindigkeitsmeßanlage 3131J-K/V) vom 30. September 1987 sowie der Verantwortung des Beschwerdeführers von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer habe zur Tatzeit am Tatort mit seinem Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit während eines Überholvorganges um 31 km/h überschritten. Der Beschwerdeführer habe nämlich im Bereich der Meßstelle gerade einen Pkw der Marke BMW mit bundesdeutschem Kennzeichen überholt. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei auf einem Radarfoto festgehalten worden. Die Messung der Geschwindigkeit sei mit dem Elektronik-Geschwindigkeitsmeßgerät, Marke „ESO“, Typ 3131J-K/V (Drillingslichtschranken-Gerät) durchgeführt worden. Das Geschwindigkeitsmeßgerät sei vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen für den Meßeinsatz zugelassen und auch dementsprechend geeicht. Diese Feststellungen bezüglich des in Rede stehenden Lichtschrankengerätes ergäben sich aus einer Stellungnahme des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg, Verkehrsabteilung, vom 11. Juni 1986. Im Verfahren der Behörde erster Instanz seien die Gendarmeriebeamten Revierinspektor B. und Bezirksinspektor K., beide von der Verkehrsabteilung Bregenz, am 10. September bzw. 9. Dezember 1986 als Zeugen gehört worden. Beide hätten übereinstimmend angegeben, daß das in Verwendung gestandene Lichtschrankengerät den Vorschriften entsprechend aufgestellt gewesen sei. Revierinspektor B. habe zudem angegeben, es stehe mit Sicherheit fest, daß der Beschwerdeführer (mit dem Pkw der Marka Alfa Romeo) einen Pkw (der Marke BMW) mit deutschem Kennzeichen überholt habe und als erster in den Meßbereich eingefahren sei, sodaß eine Fehlmessung auf alle Fälle ausgeschlossen sei. Dies sei von ihm wie auch von Bezirksinspektor K. eindeutig festgestellt und auch im Meßbuch festgehalten worden. Der Beschwerdeführer mache eine unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige Tatsachenfeststellung sowie die daraus resultierende Mangelhaftigkeit des Verfahrens als Berufungsgründe geltend. Er führe begründend u.a. aus, der Behörde erster Instanz mangle es an Objektivität, weil sie der angefochtenen Entscheidung die Fiktion zugrunde gelegt habe, daß das Fahrzeug des Beschwerdeführers den Lichtschranken als erstes durchfahren habe. Weiters meine der Beschwerdeführer, daß die Befragung des Lenkers des weiteren Pkw der Marka Alfa Romeo 33 mit Vorarlberger Kennzeichen, der im Zuge der Kolonne von Frastanz bis zur späteren Anhaltung des Beschwerdeführers immer ein der kleinen Kolonne“ gefahren sei, bewiesen hätte, daß der Pkw der Marke BMW schneller gelenkt worden sei als der vom Beschwerdeführer gelenkte Pkw der Marka Alfa Romeo. Entgegen diesem Berufungsvorbringen könne die Berufungsbehörde eine unrichtige Beweiswürdigung und eine unrichtige Tatsachenfeststellung im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht erblicken. Sämtliche im Verfahren gewonnenen Beweisergebnisse seien widerspruchsfrei und ließen nach Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung die Überzeugung zu, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von 31 km/h tatsächlich begangen habe. Worin eine unrichtige Beweiswürdigung zu erblicken sei bzw. welche Beweismittel von der Beweiswürdigung auf Grund irgendwelcher Zweifel anzunehmen seien, werde vom Beschwerdeführer nicht dargetan. Der Beschwerdeführer vermeine eine unrichtige Tatsachenfeststellung darin zu erkennen, daß die Befragung eines Pkw-Lenkers, der ebenfalls einen Pkw der Marke Alfa Romeo 33 mit Vorarlberger Kennzeichen gelenkt habe und hinter dem Beschwerdeführer gefahren sei, unterblieben sei. Sowohl aus dem vorliegenden Radarfoto als auch aus der vorerwähnten Stellungnahme der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom 11. Juni 1986 ergebe sich, daß entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers auf eine weite Strecke hinter ihm kein weiteres Fahrzeug mehr gefahren sei. Die vom Beschwerdeführer gerügte Unterlassung der Befragung eines nicht bekannten Lenkers könne daher unbeachtet bleiben. Weiters führe der Beschwerdeführer ins Treffen, daß der deutsche Pkw der Marke BMW schneller gelenkt worden sei als sein Pkw. Ferner sei im Zeitpunkt der Blitzlichtaufnahme der Pkw der Marke BMW, der sich rechts vom Pkw des Beschwerdeführers befunden habe, stark beschleunigt worden und rechts am Fahrzeug des Beschwerdeführers vorgeprescht, sodaß er sich im Zeitpunkt der späteren Anhaltung durch Gendarmeriebeamte bereits vor dem Fahrzeug des Beschwerdeführers befunden habe. Auch dieses Vorbringen sei sowohl durch die vorerwähnte Stellungnahme der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos als auch durch die Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten widerlegt. Daraus ergebe sich nämlich, daß der Beschwerdeführer den Pkw der Marke BMW mit deutschem Kennzeichen überholt gehabt habe und als erstes Fahrzeug in den Meßbereich eingefahren sei. Von einem Vorpreschen des Fahrzeuges der Marke BMW könne daher keine Rede sein, abgesehen davon, daß ein solches Verhalten eines überholten Pkw-Lenkers bei der gemessenen Geschwindigkeit jeder Realität widerspreche. Die Berufungsbehörde habe keinerlei Anlaß, an den Zeugenaussagen der beiden im Verkehrsüberwachungsdienst stehenden Gendarmeriebeamten zu zweifeln. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblicke der Beschwerdeführer darin, daß die Behörde erster Instanz den Beweisanträgen im Schriftsatz vom 9. Februar 1987 unbegründet nicht nachgekommen sei. Darin habe der Beschwerdeführer beantragt, Typenblätter der beteiligten Fahrzeuge zu beschaffen, aus denen sich der Überhang des Pkw der Marke BMW, Baureihe 7, gegenüber dem Pkw der Marke Alfa Romeo im Frontbereich eindeutig ergebe, sowie weiters eine photogrammetrische Auswertung des Lichtbildes, aus der sich ohne Zweifel ergeben werde, daß trotz größerer Annäherung der Vorderräder des abgebildeten Pkw der Marke Alfa Romeo gegenüber dem abgebildeten Pkw der Marke BMW dennoch auf Grund des größeren Frontüberhanges des BMW dieser mit den den Lichtschranken durchstoßenden Teilen tatsächlich die Geschwindigkeitsmessung ausgelöst habe. Auf Grund dieses Vorbringens habe die Berufungsbehörde im anhängigen Verfahren eine Stellungnahme der Firma „E (das sei die Herstellerfirma des in Rede stehenden Drillings-Lichtschrankengerätes) eingeholt. Darin werde nach einer umfassenden Darstellung über den technischen Ablauf beim Lichtschrankenmeßvorgang unter Punkt 3. auf die Meßfotoauswertung im gegenständlichen Fall Bezug genommen. Hiezu werde ausgeführt, daß bei gleichzeitiger Überwachung von zwei oder mehr Fahrzeugen, die sich parallel nebeneinander in gleicher Fahrt-richtung fortbewegen, das zweifelsfrei richtige Meßergebnis dem Fahrzeug zugeordnet werde, das zuerst den dritten und letzten Lichtstrahl, in Fahrtrichtung gesehen, unterbrochen habe. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, welches der beiden parallel fahrenden Fahrzeuge die Zeitmessung gestartet habe. Die Zeitmessung dürfe sich maximal um 3 v.H. verschieben, nur dann komme ein Meßergebnis zur Anzeige. Falle also ein Überholvorgang exakt in die 0,5 m Meßbasis der Drillingslichtschranke und liege ein Meßergebnis vor, dann gehe es bei der Beurteilung des Meßbildes ausschließlich darum, welches der konkret abgebildeten beiden Fahrzeuge, bezogen auf die Meßlinie zwischen Lichtwerfer und Lichtschrankenempfänger, in Front liege. Zur Lösung dieser Tatsachenfrage werde in der Stellungnahme u.a. eine photogrammetrische Bildauswertung - wie vom Beschwerdeführer beantragt - angeboten. Ebenso käme eine Auswertung der Beweisfotos aus dem gleichen Meßfilm in einem Filmauswertegerät (Negativ-Filmbetrachter) in Frage. Die Berufungsbehörde habe von einer photogrammetrischen Bildauswertung aus folgenden Überlegungen Abstand genommen: Aus der vorgenannten Stellungnahme der Firma „E“ ergebe sich, daß das Meßergebnis technisch richtig zustandegekommen sei. Bei dem in Rede stehenden Tatort auf der Höhe der Firma G sei vom Beschwerdeführer ein Überholvorgang gesetzt worden. Dies sei auf Grund der Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten und auch auf Grund der vorerwähnten Stellungnahme des Landesgendarmeriekommandos vom 11. Juni 1986 als erwiesen anzusehen. Selbst wenn man zugunsten des Beschwerdeführers davon ausgehe, daß nicht dieser, sondern der vom Beschwerdeführer überholte Pkw der Marke BMW die Radarmessung ausgelöst habe, müsse im vorliegenden Fall der bestehende Meßwert von 111 km/h trotzdem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werden. Um nämlich in diese Photoposition zu kommen, habe der Beschwerdeführer mindestens die Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges gefahren sein müssen. Daher erübrige es sich nach Auffassung der Berufungsbehörde, dem Antrag des Beschwerdeführers zu entsprechen und die Typenblätter der beteiligten Fahrzeuge zu beschaffen, aus denen sich - nach Ansicht des Beschwerdeführers - der Überhang des Pkw der Marke BMW gegenüber dem der Marke Alfa Romeo im Frontbereich allenfalls ergeben habe. Da das Meßergebnis objektiv richtig zustandegekommen sei und dies vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten werde, sei die Zuordnung der gemessenen Geschwindigkeit von 111 km/h an den überholenden Beschwerdeführer durchaus vertretbar. Die vom Beschwerdeführer gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liege daher nicht vor. Im Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung werde geltend gemacht, daß der Beschwerdeführer noch über keinerlei polizeiliche Vormerkungen verfüge. Dieses Vorbringen sei nicht geeignet, den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Berufungsgrund zu begründen. Dieser Umstand könne allenfalls bei der Strafbemessung

Berücksichtigung finden. Auf das diesbezügliche Berufungsvorbringen sei daher nicht näher einzugehen gewesen. Es folgen noch Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, weil sie seinen Beweisanträgen, nämlich die Typenblätter der beteiligten Fahrzeuge zu beschaffen, das Radarphoto photogrammetrisch auszuwerten sowie den Lenker des Fahrzeuges mit Vorarlberger Kennzeichen einzuvernehmen, nicht entsprochen habe. Hätte die belangte Behörde die beantragten Beweise aufgenommen und die erwähnte Äußerung der Firma E „kritisch betrachtet“, so hätte sie erkennen müssen, daß das vorhandene Beweismaterial nur bedingt, jedenfalls nicht ausschließlich als Grundlage für eine Entscheidung hätte herangezogen werden dürfen.

Zu diesem Vorbringen ist nachstehendes zu bemerken:

Wie der bereits wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, daß der vom Radargerät gemessene Wert von 111 km/h selbst dann dem Beschwerdeführer angelastet werden müsse, wenn man zu seinen Gunsten davon ausgehe, daß der von ihm überholte Pkw die Radarmessung ausgelöst habe, weil der Beschwerdeführer mindestens die Geschwindigkeit des überholten Fahrzeuges eingehalten haben müsse, um in diese Photoposition zu gelangen. Der Gerichtshof hält diese Argumentation für schlüssig, wobei festzuhalten ist, daß der Beschwerdeführer die Richtigkeit des Meßergebnisses nicht bestritten hat. Die belangte Behörde hätte im Falle der vom Beschwerdeführer beantragten Beischaffung der Typenblätter der beteiligten Fahrzeuge zu keinem anderen Ergebnis gelangen können, weil der behauptete „Überhang des Pkw der Marke BMW, Baureihe 7“ gegenüber dem Pkw des Beschwerdeführers nicht zum Beweis für die Unrichtigkeit der Aussage des Gendarmeriebeamten B. herangezogen werden könnte, wonach der Beschwerdeführer den Pkw der Marke BMW überholt habe und als erster in den Meßbereich des Radargerätes eingefahren sei. Es ist auch nicht zu erkennen, inwiefern die belangte Behörde zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid gekommen wäre, wenn sie unter den gegebenen Umständen als Ergebnis der vom Beschwerdeführer geforderten „kritischen Betrachtung“ der genannten Äußerung des Herstellers des am Tatort zur Tatzeit verwendeten Lichtschrankengerätes eine photogrammetrische Bildauswertung veranlaßt hätte. Gleiches gilt für den Fall der Ausforschung und Einvernahme des Lenkers des Fahrzeuges mit einem Vorarlberger Kennzeichen, wenn man von der unbestrittenen Annahme der belangten Behörde ausgeht, aus dem Radarfoto und der Stellungnahme der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom 11. Juni 1986 ergebe sich, daß „auf eine weite Strecke hinter“ dem Fahrzeug des Beschwerdeführers „kein weiteres Fahrzeug mehr gefahren ist“.

Der belangten Behörde kann daher keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wesentliche, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften angelastet werden, wenn sie den geschilderten Beweisanträgen des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist und das ihrer Entscheidung zugrundeliegende Straferkenntnis bestätigt hat.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 18. März 1988

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