JudikaturVwGH

88/10/0165 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 1989

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sittenthaler als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, über die Beschwerden des A in B, vertreten durch X Rechtsanwalt in Y, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien 1.) vom 30. März 1988, Zl. SD 89/88, betreffend Bestrafung wegen ungestümen Benehmens, und 2.) vom 20. Jänner 1989, dieselbe Zahl, betreffend Berichtigung des erstgenannten Bescheides, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

I. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat C vom 18. Dezember 1987, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich am 17. April 1987 von 17.37 bis 17.50 Uhr in A gasse vor und in der Wohnung Nr. U „durch lautes Schreien und Herumfuchteln mit den Händen vor dem Gesicht eines Sicherheitswachebeamten, während sich dieser in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes befunden habe, ungeachtet vorausgehender Abmahnung ungestüm benommen und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 begangen. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß Art. IX Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 2.000, (Ersatzarrest 6 Tage) verhängt. Weiters wurde „die am 17.4.1987 von 17.50 Uhr bis 21.45 Uhr erlittene Vorhaft in der Dauer von 3 Stunden und 55 Minuten (dies entspricht einer Geldstrafe von S 34,40) gemäß § 19a VStG auf die Strafe angerechnet“.

Aufgrund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde mit Datum 30. März 1988 einen Bescheid, dessen Spruch (nach Darstellung des erstinstanzlichen Spruches) wie folgt lautet:

„Der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich mit der Ergänzung bestätigt, daß sich der Berufungswerber am 17.4.1987 gegen 17.50 Uhr in der Wohnung Nr. U des Gebäudes in A gasse Nr. U durch Anschreien eines Sicherheitswachebeamten mit den Worten 'Sie können mich nicht anzeigen. Außerdem werden Sie Schwierigkeiten bekommen', das noch durch heftiges Gestikulieren mit den Armen unterstrichen wurde, ungeachtet vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, das in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes begriffen war, ungestüm benommen hat. Die verhängte Strafe wird jedoch auf 1.000 S (im Falle der Uneinbringlichkeit 3 Tage Ersatzarrest) herabgesetzt. Der vom Berufungswerber zu leistende Anteil zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens beträgt nunmehr 100 S. Zu den Kosten des Berufungsverfahrens ist gemäß § 65 VStG 1950 kein Beitrag zu leisten.“

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 88/10/0165 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

II. Mit Bescheid vom 20. Jänner 1989 berichtigte die belangte Behörde den zitierten Bescheid vom 30. März 1988 unter Berufung auf § 62 Abs. 4 AVG 1950 dahin, daß die Vorhaft vom 17. April 1987 von 17.50 bis 21.45 Uhr in der Dauer von 3 Stunden und 55 Minuten mit einem Betrag von S 54,40 (und nicht S 34,40) auf die Geldstrafe angerechnet werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 89/10/0160 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

III. Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat erwogen:

Was zunächst den zu II. zitierten Berichtigungsbescheid anlangt, so vermag der Verwaltungsgerichtshof diesen nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde mit dem Spruch ihres Bescheides vom 30. März 1988 (auch) die im Spruch des Straferkenntnisses vom 18. Dezember 1987 angeführte Anrechnung der Vorhaft übernommen hat, findet sich doch weder im Spruch noch in der Begründung dieses Berufungsbescheides ein Anhaltspunkt für die gegenteilige Annahme; insbesondere hat sie nicht ausgesprochen, daß der entsprechende Satz zu entfallen hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1985, Zl. 84/10/0212). Daß die Berufungsbehörde nicht verpflichtet ist, jene Teile des erstinstanzlichen Spruches zu wiederholen, die sie sich zu eigen macht, entspricht im übrigen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1989, Zl. 89/18/0048). So hat die belangte Behörde etwa auch nicht die Strafsanktionsnorm wiederholt. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf eine Mahnung sowie Zahlscheine, jeweils der Behörde erster Instanz, verweist, die jeweils auf einen Betrag von insgesamt S 1.100, (und sohin ohne „Vorhaftanrechnung“) lauten, so ist für ihn nichts gewonnen, kommt es doch nicht darauf an, wie die Erstbehörde den Berufungsbescheid verstanden hat (wobei sie beim Antrag um Exekutionsbewilligung sehr wohl einen entsprechenden Betrag abgezogen hat).

Da es für die Anwendbarkeit des § 62 Abs. 4 AVG 1950 rechtlich unerheblich ist, ob ein Schreib oder ein Rechenfehler berichtigt wird, kann der vom Beschwerdeführer behauptete, diesbezügliche Begründungsmangel nicht wesentlich sein. Der Bescheid vom 20. Jänner 1989 ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die dagegen erhobene Beschwerde war im Grunde des § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Sohin ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Bescheid vom 30. März 1988 in seiner berichtigten Fassung einer Überprüfung zugrunde zu legen.

Gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich ungeachtet vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während sich diese Personen in rechtmäßiger Ausübung ihres Amtes oder Dienstes befinden, ungestüm benimmt.

Was zunächst die Ansicht des Beschwerdeführers betrifft, die belangte Behörde hätte „den Spruch neu fassen müssen“, so sei auf die obigen Darlegungen in Hinsicht auf das rechtmäßige Unterbleiben der Wiederholung von Teilen des Spruches der Erstbehörde verwiesen. Weiters war die belangte Behörde berechtigt, im Rahmen der ihr gemäß § 66 Abs. 4 AVG zustehenden Befugnis eine entsprechende Abänderung des Spruches vorzunehmen. Von einem „Widerspruch“ zwischen dem erstinstanzlichen Spruch und dem des angefochtenen Bescheides kann weder in Hinsicht auf den Tatort (bei welchem die belangte Behörde lediglich eine Klarstellung und Einschränkung vorgenommen hat) noch auf die Tatzeit (hier ist eine Einschränkung erfolgt) die Rede sein. Zu Recht verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, im gegenständlichen Hause gebe es mehrere Türen mit der Nr. U, eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verbotene Neuerung darstellt. Im übrigen vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, welche Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers sollte sein Vorbringen den Tatsachen entsprechen bei dem hier in Rede stehenden Delikt dadurch verletzt sein könnten. Gleiches gilt hinsichtlich der vom Beschwerdeführer als „zu ungenau“ angesehenen Tatzeitanlastung „gegen 17.50 Uhr“ (vgl. zur Tatort und Tatzeitangabe die allgemeinen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A) wozu ergänzend bemerkt wird, daß der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers eine „Unüberprüfbakeit“ der Tatzeit nicht daraus abzuleiten vermag, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon die Rede ist, das strafbare Verhalten sei unmittelbar vor 17.50 Uhr gesetzt worden; ein Widerspruch zum Spruch (Tatzeit: „gegen 17.50 Uhr“) ist darin nicht erkennbar. Was aber das Vorbringen des Beschwerdeführers anlangt, es sei nicht geklärt, ob die „beiden“ ihm zur Last gelegten „Taten“ gegenüber zwei (verschiedenen) Beamten oder gegenüber demselben Beamten gesetzt worden sein, so vermag der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer nicht zu folgen, wurde ihm doch nur eine Tat zur Last gelegt.

Es trifft nicht zu, daß dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit geboten worden wäre, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Vielmehr ergibt sich aus den Verwaltungsakten, daß der Beschwerdeführer offenbar bemüht war, durch eine Reihe von Fristerstreckungsanträgen eine Verschleppung des Verfahrens herbeizuführen. Die belangte Behörde war daher insbesondere nicht verpflichtet, auf den diesbezüglichen Antrag vom 28. März 1988 einzugehen, wozu im übrigen anzumerken ist, daß in der Beschwerde nicht dargetan wird, welche „weiteren Anträge“ der Beschwerdeführer gestellt hätte, wäre ihm hiezu (neuerlich) Gelegenheit geboten worden.

Da den Ausführungen des Beschwerdeführers zur Anrechnung der Vorhaft durch den zitierten Berichtigungsbescheid der Boden entzogen ist, erweist sich die Beschwerde auch hinsichtlich des Bescheides vom 30. März 1988 als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, 17. Juli 1989

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