JudikaturVwGH

87/08/0134 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
11. August 1987

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des GK in W, vertreten durch Dr. Josef Sailer, Rechtsanwalt in Bruck/Leitha, Burgenlandstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. April 1987, Zl. MA 63 K 39/86/Str., betreffend Übertretung des Sonn- und Feiertags Betriebszeitengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 3. Bezirk vom 24. April 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am Sonntag, den 16. Februar 1986, um 9.45 Uhr in Wien, R Straße 3, als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H Vertriebsgesellschaft m.b.H. die Betriebsstätte für den Kundenverkehr offengehalten. Dadurch habe er § 4 Abs. 1 Z. 2 des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes (BZG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 1 „letzter Absatz“ (gemeint wohl: letzter Halbsatz) leg. cit. eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzarrest eine Woche) verhängt. Ferner wurde ihm gemäß § 64 VStG 1950 ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von S 600,-- auferlegt.

Dieses Straferkenntnis wurde aufgrund der dagegen eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, „daß GK die Tat nicht als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H Vertriebsgesellschaft m.b.H., sondern als deren u.a. für die Vermietung von Videocassetten bestellter und der Behörde angezeigter Geschäftsführer zu verantworten hat. Die Bestätigung erfolgt überdies mit der Maßgabe, daß die Betriebsstätte für den auf die Vermietung von Videocassetten beschränkten Kundenverkehr offengehalten wurde.“ Gleichzeitig wurde die Strafe in Anwendung des § 51 Abs. 4 VStG 1950 auf S 3.000,-- (Ersatzarrest 3 Tage) herabgesetzt und der erstinstanzliche Kostenbeitrag auf S 300,-- ermäßigt. In der Begründung wurde ausgeführt, daß sich der Beschwerdeführer bezüglich der Befugnis zum Offenhalten des Gewerbebetriebes an einem Sonntag zu Unrecht auf die Ausnahmetatbestände der Abschnitte XIII Z. 7 und XIV Z. 2 der Anlage zur Arbeitsruhegesetz Verordnung (ARG VO) berufen habe, weil die Vermietung von Videocassetten keine nach diesen Bestimmungen zulässige Tätigkeit darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 BZG begeht, sofern die Tat nicht nach arbeitsrechtlichen oder anderen Vorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung, die von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,-- zu ahnden ist, wer als Gewerbetreibender (§ 38 Abs. 2 GewO 1973) oder als dem § 3 GewO 1973 unterliegende Person an Sonntagen oder Feiertagen entgegen § 2 Abs. 2 leg. cit. Betriebsstätten für den Kundenverkehr offenhält. Nach der letztgenannten Vorschrift dürfen Betriebsstätten an Sonntagen und Feiertagen nur für die Ausübung von unter § 2 Abs. 1 Z. 1 bis 3 leg. cit. fallenden Tätigkeiten offengehalten werden. § 2 Abs. 1 Z. 1 lit. a leg. cit. sieht vor, daß die Gewerbeausübung an Sonn- und Feiertagen hinsichtlich solcher Tätigkeiten zulässig ist, zu deren Durchführung nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonntagen und Feiertagen zulässig ist.

In § 3 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz ist angeordnet, daß der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden hat, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies aufgrund der §§ 2 Abs. 2, 10 bis 18 leg. cit. zulässig ist.

In § 12 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz ist vorgesehen, daß durch Verordnung für Arbeitnehmer in bestimmten Betrieben Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe für Arbeiten zuzulassen sind, die bestimmten im Gesetz angeführten Kriterien entsprechen. Aufgrund dieser Bestimmung wurde die Arbeitsruhegesetz Verordnung (ARG VO) erlassen. Nach § 1 Abs. 1 dieser Verordnung dürfen während der Wochenend- und Feiertagsruhe Arbeitnehmer nur die in der Anlage angeführten Tätigkeiten während der jeweils angeführten Zeiträume ausüben.

Abschnitt XIII Z. 7 der Anlage zur ARG VO enthält folgenden Ausnahmetatbestand:

„Betriebe des Freizeit- oder Fremdenverkehrsbereiches wie Parkanlagen, Campingplätze, Sportbetriebe (z.B. Bootsvermietung, Sportgeräteverleih, Eislaufplätze, Golfplätze, Kegelbahnen, Minigolf-, Miniaturgolf-, Kleingolfplätze, Tennisplätze, Tennishallen, Tischtennisanlagen), Schischulen, Tanzschulen, Spielhallen, Spielautomatenaufsteller und -verleiher (einschließlich Musikautomaten), Sehenswürdigkeiten, persönliche Dienstleistungen im Fremdenverkehr wie Gepäckträger, Fremdenführer, Parkplatzbewacher, Lotsen.

Alle Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes und zur Betreuung der Gäste oder Kunden unbedingt erforderlich sind.“

Abschnitt XIV Z. 2 der Anlage zur ARG-VO lautet:

„Film

a) Filmproduktionsunternehmung und Filmaufnahmeateliervermietung

Der Auf- und Abbau der Szenenbilder; die Bild- und Tonaufnahme; die Filmentwicklung und -zusammenstellung;

die Filmvorführung und die Arbeit des administrativen Aufsichtspersonals mit Beschränkung auf die hiebei unumgänglich notwendigen Personen; dies gilt auch für die Magnetbandtechnik.

b) Filmleihanstalt

Durchsehen; Expedition von Filmen.“

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Vermietung von Videocassetten unter die Ausnahmetatbestände der Abschnitte XIII Z. 7 und/oder XIV Z. 2 der Anlage zur ARG VO fällt.

Daß der Verleih von Videocassetten nicht zu den nach Abschnitt XIV Z. 2 der Anlage zur ARG VO zugelassenen Tätigkeiten zählt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Februar 1987, Zl. 86/08/0227, ausgesprochen. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird der Beschwerdeführer unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, mit seinem diesbezüglichen Vorbringen auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Was den Ausnahmetatbestand nach Art. XIII Z. 7 der Anlage zur ARG VO anlangt, so trifft es zwar zu, daß die in dieser Bestimmung enthaltene Aufzählung von Betrieben des Freizeit- und Fremdenverkehrsbereiches nicht taxativ ist. Dem Beschwerdeführer ist auch durchaus einzuräumen, daß die Anmietung von Videocassetten in der Regel der Freizeitgestaltung dient. Entgegen seiner Auffassung ist daraus jedoch noch nicht abzuleiten, daß es sich bei einer Videothek, also einem Betrieb, der die Vermietung von Videocassetten zum Gegenstand hat, um einen Betrieb des Freizeit- oder Fremdenverkehrsbereiches im Sinne der angeführten Bestimmung handelt. In der in dieser Bestimmung enthaltenen beispielsweisen Aufzählung werden nämlich im wesentlichen - von den Spielautomatenaufstellern und -verleihern sowie den persönlichen Dienstleistungen im Fremdenverkehr abgesehen - nur solche Betriebe und Einrichtungen des Freizeit- oder Fremdenverkehrsbereiches angeführt, die vom Publikum aufgesucht werden, um in deren Bereich unter Inanspruchnahme der dort gebotenen spezifischen Möglichkeiten einen Teil der Freizeit zu verbringen. Dazu ist es notwendig, diese Betriebe und Einrichtungen von der Wochenend- und Feiertagsruhe auszunehmen, fällt doch die Freizeit im allgemeinen in die Zeit der Wochenend- und Feiertagsruhe. Es kommt damit die Zielsetzung des Verordnungsgebers zum Ausdruck, grundsätzlich nur Betriebe und Einrichtungen, in deren Bereich unmittelbar die Freizeit verbracht werden soll, dem Ausnahmetatbestand zu unterstellen. Eine Videothek zählt nicht zu diesen Betrieben, weil sie in der Regel nicht aufgesucht wird, um dort die Freizeit zu verbringen, sondern um Videocassetten zu mieten, die später - in der Freizeit - an einem andern Ort betrachtet werden. Um dies dem Kunden zu ermöglichen, ist eine Ausnahme des Betriebes der Videothek von der Wochenend- und Feiertagsruhe keineswegs erforderlich. Eine Videothek kann auch nicht dem Betrieb eines - in der Ausnahmebestimmung angeführten - Spielautomatenverleihers gleichgesetzt werden, weil als Kunden einer Videothek in erster Linie Privatpersonen, eines Spielautomatenverleihers aber in der Regel Gewerbebetriebe, etwa Betriebe des Gastgewerbes (Abschnitt XIII Z. 1 der Anlage zur ARG VO) oder in Abschnitt XIII Z. 7 der Anlage zur ARG VO angeführte Betriebe, in Betracht kommen, bei denen die Möglichkeit eintreten kann, die Leistungen des Spielautomatenverleihers auch an Wochenenden oder Feiertagen in Anspruch nehmen zu müssen.

Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, es werde ihm in Wahrheit ein Verstoß gegen das Arbeitsruhegesetz zur Last gelegt, weshalb die belangte Behörde die Bestimmung des § 44a lit. b VStG 1950 verletzt habe, geht völlig an der Sache vorbei, weil im angefochtenen Bescheid keine Rede davon ist, daß der Beschwerdeführer - als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Arbeitsruhegesetzes - etwa Arbeitnehmer beschäftigt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedenken, daß § 2 Abs. 1 Z. 1 lit. a BZG und die Ausnahmebestimmungen der Abschnitte XIII Z. 7 und XIV Z. 2 der Anlage zur ARG VO gegen den Gleichheitssatz verstießen. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß diese Regelungen sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen mit sich brächten.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 11. August 1987

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