JudikaturVwGH

85/18/0255 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 1985

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schieferer, über die Beschwerde des Dipl. Ing. A in B, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. Februar 1985, Zl. MA 70 IX/Sch 35/84/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe „am 8. 7. 1982, um 15.10 Uhr, in Wien 23, A 23 bei Lichtmast U 1 Richtung Altmannsdorfer Straße als Lenker des Kraftfahrzeuges ... die durch Verbotszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich überschritten“ und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 10 a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn unter Berufung auf § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 900,-- (Ersatzarreststrafe drei Tage) verhängt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 51 Abs. 1 StVO 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der 10. Novelle, BGBl. Nr. 174/1983, sind die Vorschriftszeichen vor der Stelle, für die sie gelten, anzubringen. Gilt die Vorschrift für eine längere Straßenstrecke, so ist das Ende der Strecke durch ein gleiches Zeichen, unter dem eine Zusatztafel mit der Aufschrift „ENDE“ anzubringen ist, kenntlich zu machen, sofern sich aus den Bestimmungen des § 52 leg. cit. nichts anderes ergibt.

Daraus ist abzuleiten, daß die im § 52 leg. cit. geregelten Vorschriftszeichen für eine bestimmte „Stelle“ oder für eine „längere Straßenstrecke“ gelten. Geschwindigkeitsbeschränkungen für eine „längere Straßenstrecke“ sind durch die Verbotszeichen nach § 52 Z. 10 a und Z. 10 b StVO 1960 zu kennzeichnen und stehen immer in der betreffenden Fahrtrichtung in Beziehung zu einem bestimmten Straßenzug. Soll eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung in davon abzweigende Straßenzüge hinausreichen, so muß dies durch die Anbringung entsprechender Straßenverkehrszeichen zum Ausdruck kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1982, Zl. 82/02/0151).

Nach der Umschreibung im Schuldspruch des angefochtenen Bescheides war der Tatort der dem Beschwerdeführer angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung „in Wien 23, A 23 bei Lichtmast U 1 Richtung Altmannsdorfer Straße“. Nach der vom Beschwerdeführer anhand eines Auszuges aus dem Stadtplan gegebenen Darstellung, gegen die die belangte Behörde nichts eingewendet hat, befindet sich dieser Ort etwa auf dem halben Weg jenes Teiles der A 23, welcher zwischen dem „Knoten Inzersdorf“ und der Altmannsdorfer Straße liegt. Es ist daher davon auszugehen, daß sich der Tatort auf einem von dem erwähnten Autobahnknoten abzweigenden Straßenstück befindet, weshalb die Verordnung über die erlassene Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h nur dann als ordnungsgemäß kundgemacht angesehen werden durfte, wenn zur Tatzeit auch an dieser Abzweigung ein entsprechendes Verkehrszeichen gemäß § 52 Z. 10 a StVO 1960 aufgestellt war.

Der Beschwerdeführer hat zuletzt im Verwaltungsverfahren in der Stellungnahme vom 10. Jänner 1985 behauptet, daß sich „von der Abzweigung dieses Teilstückes der Autobahn bis zur Altmannsdorfer Straße kein Verkehrszeichen mit Geschwindigkeitsbeschränkung befindet“, und ausdrücklich erklärt, daß dies „auch durch die übersandten Unterlagen nicht widerlegt erscheint“, wobei er in diesem Zusammenhang auf die Ablichtung eines Aktenvermerkes gemäß § 44 Abs. 1 StVO 1960 hingewiesen hat, demzufolge auf der A 23 in „Pos. 601, 602, 603 Plan Nr. 80035/2“ am 29. September 1978 Verkehrszeichen gemäß § 52 Z. 10a StVO 1960 aufgestellt worden sind. Der Beschwerdeführer hat dazu ferner vorgebracht, der Aktenvermerk lasse „nicht den Schluß zu, daß beim Lichtmast U 1 eine Geschwindigkeitsbeschränkung bestanden hat, weil ja nicht erkennbar ist, wo die Positionen 601, 602 und 603 in bezug auf den Lichtmast sind“. Dieses Vorbringen hat die belangte Behörde nicht zum Anlaß entsprechender Feststellungen genommen, sondern in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich bemerkt, daß sie sich dem Einwand des Beschwerdeführers hinsichtlich der unzureichenden Beschilderung nicht anschließen könne, zumal einem Kraftfahrzeuglenker mit durchschnittlichem Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögens durchaus zuzumuten sei, Verkehrszeichen auf einer Fahrstrecke von ca. 2,5 km in Erinnerung zu halten. Die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung sei „laut Auskunft der Mag. Abt. 46 gesetzmäßig kundgemacht und verordnet. Weiters werde hinsichtlich des Geltungsbereiches einer verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung auf § 52 Z. 10 b StVO 1960 verwiesen. Daher sei auch die Einvernahme des Beschwerdevertreters als Zeuge sowie die Durchführung eines Lokalaugenscheines zum Beweisthema der Beschilderung entbehrlich gewesen, zumal ja die Gegebenheiten am Tatort außer Zweifel gestanden seien.

Entgegen dieser Auffassung der belangten Behörde steht nach der Aktenlage nicht fest, daß die Geschwindigkeitsbeschränkung auch im Bereich der vom Beschwerdeführer befahrenen Abzweigung durch ein Verkehrszeichen gemäß § 52 Z. 10 a StVO 1960 ordnungsgemäß kundgemacht war. Die in dem erwähnten Aktenvermerk enthaltenen Feststellungen über die Standorte der Verkehrszeichen gemäß § 52 Z. 10 a StVO 1960 („Pos. 601, 602, 603 Plan Nr. 80035/2“) liefern nämlich ohne den erwähnten Plan (die Verwaltungsstrafakten enthalten keine Ausfertigung desselben) keine diesbezüglichen Anhaltspunkte, und auch der Hinweis des Meldungslegers in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 9. Mai 1983, „vom Verteilerkreis Favoriten bis zum Tatort sind zwei VZ. gem. § 52/10 a StVO (80 km/h) aufgestellt“, läßt keine einwandfreie Feststellung in diesem Punkt zu. Im übrigen hat die Mag. Abt. 46 in ihrer in den Akten erliegenden Stellungnahme vom 20. Juli 1984 lediglich bekanntgegeben, „daß im gegenständlichen Bereich der A 23 am 8. Juli 1982 ... Geschwindigkeitsbeschränkungen verordnet sind ...“, also entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht erklärt, daß diese Geschwindigkeitsbeschränkung „auch gesetzmäßig kundgemacht ist“. Auch mit dem Hinweis im angefochtenen Bescheid auf § 52 Z. 10 b StVO 1960 (über das „Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung“) ist für das hier maßgebende Beweisthema nichts zu gewinnen.

Die belangte Behörde hat daher angesichts der vom Beschwerdeführer berechtigterweise geäußerten Bedenken nicht davon ausgehen dürfen, daß „die Gegebenheiten am Tatort außer Zweifel stehen“, sondern hätte - wie aufgezeigt - ergänzende Feststellungen zu treffen gehabt. Es liegen daher die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG vor, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war, ohne daß es notwendig war, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 Abs. 3 dritter Satz VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGB/. Nr. 221/1981.

Wien, am 31. Mai 1985

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