JudikaturVwGH

85/02/0023 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. März 1985

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Müller, über die Beschwerde des HK in W, vertreten durch Dr. Fritz Czerwenka, Rechtsanwalt in Wien I, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. Mai 1984, Zl. MA 70 XI/K 95/84/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 schuldig erkannt, dafür bestraft und zur Zahlung von Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Behörden erster und zweiter Instanz verpflichtet wurde.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Beschwerdeführer war am 18. Jänner 1984 von einer Verkehrsstreife angehalten worden, weil er mit einem von ihm gelenkten Traktor ein Lichtzeichen nicht beachtet hatte. Da die einschreitenden Sicherheitswachebeamten beim Beschwerdeführer Alkoholisierungssymptome festzustellen glaubten, der Beschwerdeführer aber seine Identität nicht nachweisen konnte, wurde der Beschwerdeführer festgenommen und ins Wachzimmer des Bezirkspolizeikommissariates Döbling überstellt. Ein dort durchgeführter Alkotest verlief positiv. Der Beschwerdeführer unterfertigte sodann einen Vordruck mit dem Wortlaut „Ich weigere mich, mich dem Polizeiamtsarzt zum Zwecke der Untersuchung auf Alkoholbeeinträchtigung vorführen zu lassen.“ Nachdem seine im Wachzimmer erschienene Mutter den Beschwerdeführer identifiziert hatte, wurde der Beschwerdeführer wieder auf freien Fuß gesetzt.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 5. April 1984 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe „am 18. 1. 1984 1) um 00.25, 2. um 00.45 Uhr in Wien 19, 1) Barawitzkag. - Heiligenstädter Str. - 2) Hohe Warte 32 als Lenker des Kfz. xxx 1) das Gelblicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet, indem er nicht vor der dort befindlichen Haltelinie anhielt, sondern in die Kreuzung einfuhr, obwohl das Anhalten auf Grund der Geschwindigkeit und der Entfernung möglich gewesen wäre, 2) sich geweigert, sich dem Polizeiamtsarzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorführen zu lassen, obwohl eine von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht vorgenommene Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol ergeben hatte und dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1) § 38/1 StVO, 2) § 5/4a i.V.m. 99/1b StVO begangen“; über ihn wurden Geldstrafen von zu 1) S 800,-- (48 Stunden Ersatzarrest) und zu 2) S 5.000,-- (7 Tage Ersatzarrest) verhängt; ihm wurde ein Verfahrenskostenersatz in der Höhe von S 580,-- und ein Barauslagenersatz von S 40,-- vorgeschrieben.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wendete sich der Beschwerdeführer der Sache nach nur gegen die Bestrafung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 lit. a StVO 1960. Zur Begründung führte er aus, daß ihm von seiten der Beamten mitgeteilt worden war, daß um 0.45 Uhr kein Amtsarzt erreichbar sei; sollte er jedoch einen benötigen, müsse er bis morgen warten oder er verzichte auf die Vorführung. Er habe vermeint, eine Verzichtserklärung zu unterfertigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Straferkenntnis hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß als Übertretungsnorm zu 1) § 38 Abs. 1 lit. a StVO 1960 heranzuziehen sei und als Übertretungsnorm zu 2) § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 lit. a StVO 1960, weiters, daß der Ersatz der mit S 40,-- bestimmten Barauslagen für einen Alkotest nur nach § 5 Abs. 9 StVO 1960 und daher nicht in Verbindung mit § 64 Abs. 3 VStG 1950 vorzuschreiben ist. Dem Beschwerdeführer wurde ferner ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von insgesamt S 580,-- auferlegt.

Die an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen die Bestätigung der Bestrafung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 lit. a StVO 1960. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides im angefochtenen Umfang. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet, eine strafbare Verweigerung der Vorführung zum Amtsarzt gesetzt zu haben. Die amtshandelnden Polizeibeamten hätten ihm um 0.45 Uhr mitgeteilt, daß er auf den Amtsarzt „bis morgen“ warten müsse. Eine derart nach Stunden vorgenommene ärztliche Untersuchung hätte keine für den Schluß auf die Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Lenkens des Traktors verwertbaren Ergebnisse bringen können. Wenn eine Vorführung innerhalb eines Zeitraumes, in dem der Zweck der Untersuchung sinnvollerweise erreicht werden kann, nicht möglich sei, so habe die Vorführung zu unterbleiben. Es sei überdies unzulässig, den Beschwerdeführer ohne jede Rechtsbelehrung zur Abgabe einer schriftlichen Verweigerungserklärung anzuleiten und auf diese Weise die Voraussetzung für eine Bestrafung wegen dieser Verweigerung erst „in die Wege zu leiten“.

Die belangte Behörde hatte dazu in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, daß der Beschwerdeführer auf das Eintreffen des Amtsarztes hätte warten müssen, wann immer dieser einlangte. Es könne daher dahingestellt bleiben, für welchen Zeitpunkt ihm dessen Kommen in Aussicht gestellt worden sei. Mit diesen Ausführungen tut die belangte Behörde dar, daß sie einem Rechtsirrtum unterliegt. Zwar steht einem Fahrzeuglenker kein Einfluß darauf zu, zu welchem Zeitpunkt eine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt werden soll. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer erst nach Verstreichen eines längeren Zeitraumes vorgenommenen Untersuchung obliegt ausschließlich den Organen der Straßenaufsicht und in der Folge der Behörde im Zusammenhang mit der Verwertung des Ergebnisses der Untersuchung im Rahmen eines Strafverfahrens nach § 5 Abs. 1 StVO 1960. Es liegt aber andererseits nicht im (schrankenlosen) Belieben der Straßenaufsichtsorgane, eine Vorführung nach § 5 Abs. 4 StVO 1960 anzuordnen. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß die Anordnung der Vorführung zu einer Untersuchung beizupflichten, für einen Zeitpunkt, zu dem keine Rückschlüsse auf die Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Lenkens mehr zu erwarten sind, im Gesetz nicht entsprich2Dies hat die Behörde verkannt, wenn sie ausführt, daß der Beschwerdeführer auf das Eintreffen des Amtsarztes hätte warten müssen, wann immer dieser einlangte, und es dahingestellt bleiben könne, für welchen Zeitpunkt ihm das Kommen in Aussicht gestellt worden sei. Es ist mit dem Gesetz nicht vereinbar, eine unter Umständen sinnlose Verpflichtung, die mit Strafsanktion versehen ist, zu begründen.

Auf dem Boden ihres Rechtsirrtums hat es die belangte Behörde unterlassen, nähere Ermittlungen darüber anzustellen, welche Erklärungen dem Beschwerdeführer gegenüber in bezug auf die Vornahme der amtsärztlichen Untersuchung abgegeben worden sind und wie es in der Folge zur Unterfertigung des Verweigerungsformulars gekommen ist. Sie hat dadurch den Bescheid im angefochtenen Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, was zu dessen Aufhebung nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

Bemerkt wird ferner, daß es sich nach der Aktenlage zur Tatzeit beim Beschwerdeführer nicht um einen geschulten und geprüften Kraftfahrzeuglenker handelte, dem gegenüber Rechtsbelehrungen im Zusammenhang mit der Verweigerung der Vorführung zum Amtsarzt entbehrlich gewesen wären.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 28. März 1985

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