Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Hoffmann, Dr. Herberth und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des GK in W, vertreten durch Dr. Emmerich Fritz, Rechtsanwalt in Wien I, Schulerstraße 1 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Dezember 1983, Zl. 110.764/14 III/6/83, betreffend vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der am 8. Februar 1959 geborene Beschwerdeführer war mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Jänner 1983 für die Dauer seiner Zivildienstpflicht (1. Juni 1983 bis 31. Jänner 1984) dem Jugendzentrum M der Österreichischen Jungarbeiterbewegung zur Ableistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen worden, wo er „Hilfsdienste als Freizeitbetreuer und für organisatorische, allenfalls erzieherische Belange“ zu leisten hatte.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 19 a Abs. 1 des Zivildienstgesetzes, BGBl. Nr. 187/1974 (in der Fassung des Art. II Z. 20 der Zivildienstgesetz Novelle 1980, BGBl. Nr. 496), vorzeitig aus der Leistung des ordentlichen Zivildienstes entlassen und ausgesprochen, daß für die verbleibende Restdienstzeit im Ausmaß von 42 Tagen nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers so bald wie möglich eine neuerliche Zuweisung erfolgen werde. Zur Begründung führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nach Antritt seines Dienstes am 1. Juni 1983 unter der Behauptung des Krankenstandes, ordnungsgemäß mit ärztlichen Bescheinigungen nachgewiesen, vom 13. Juli 1983 bis 23. Juli 1983 sowie vom 13. November 1983 an laufend dem Dienst ferngeblieben. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1983 habe er Zweifel an seiner Dienstfähigkeit geäußert und angegeben, er leide an starken Beschwerden an beiden Füßen. Am 20. Dezember 1983 habe sich der Beschwerdeführer unter Mitnahme fachärztlicher Befunde bei der Magistratsabteilung 15 (Gesundheitsamt der Stadt Wien) einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen. Diese habe ergeben, daß der Beschwerdeführer an beiden Füßen an einem entzündlichen Prozeß der Achillessehne leide. Der derzeitige Krankenstand sei (daher) gerechtfertigt. Eine Bewegungseinschränkung beider Füße sei gegeben; am 15. Dezember 1983 sei dem Beschwerdeführer ein Zinkleimverband für die voraussichtliche Dauer von vierzehn Tagen angelegt worden. Für eine ausschließlich im Sitzen auszuübende Tätigkeit im Rahmen des Zivildienstes sei der Beschwerdeführer laut amtsärztlichem Gutachten gesundheitlich geeignet, nicht jedoch etwa für Botendienste. Mit der vollen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit sei innerhalb von dreißig Tagen ab erfolgter Untersuchung nicht zu rechnen. Eine entsprechende Tätigkeit im Rahmen des ordentlichen Zivildienstes habe nicht gefunden werden können. Am 20. Dezember 1983 sei dem Beschwerdeführer daher seine vorzeitige Entlassung aus der Leistung des ordentlichen Zivildienstes zur Kenntnis gebracht worden. Da gemäß § 19 a Abs. 1 des Zivildienstgesetzes Zivildienstleistende, die nach Feststellung des zuständigen Amtsarztes zu jedem Zivildienst vorübergehend unfähig sind und bei denen die Herstellung der Dienstfähigkeit innerhalb von dreißig Tagen nicht zu erwarten ist, mit Ablauf des Tages, an dem die Feststellung der vorübergehenden Dienstunfähigkeit getroffen wurde, vorzeitig aus dem Zivildienst zu entlassen sind und das Ermittlungsverfahren das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ergeben habe, sei spruchgemäß zu verfügen gewesen. Das Ausmaß der verbleibenden Restdienstzeit von 42 Tagen ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Zeitpunkt der vorzeitigen Entlassung und dem ursprünglich vorgesehenen Endtermin des ordentlichen Zivildienstes mit 31. Jänner 1984.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, sowohl Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 a Abs. 1 des Zivildienstgesetzes in der Fassung der Novelle 1980 sind Zivildienstleistende, die nach der Feststellung des nach § 19 Abs. 2 des Gesetzes zuständigen Amtsarzt geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst dauernd oder vorübergehend unfähig sind und bei denen die Herstellung der Dienstfähigkeit innerhalb von 30 Tagen, sofern aber der Zivildienst, zu dem sie zugewiesen wurden, früher endet, bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten ist, mit Ablauf des Tages, an dem die Feststellung der dauernden oder vorübergehenden Dienstunfähigkeit getroffen wird, vorzeitig aus dem Zivildienst zu entlassen.
Ist die Dienstunfähigkeit auf eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes zurückzuführen, so findet die eben angeführte Regelung gemäß § 19 a Abs. 2 ZDG nur Anwendung, wenn der betroffene Zivildienstleistende mit seinem unverzüglichen Ausscheiden aus dem Zivildienst einverstanden ist.
Unter dem Gesichtpunkt der zuletzt angeführten Regelung wird in der Beschwerde in Ausführung der erhobenen Verfahrensrüge zunächst eingewendet, die Behörde hätte - zumal ein Einverständnis des Beschwerdeführers zu einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Zivildienst nicht vorgelegen sei - allenfalls durch eine Ergänzung des eingeholten amtsärztlichen Gutachtens Feststellungen darüber treffen müssen, ob nicht die von ihr angenommene Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers auf eine Gesundheitsschädigung infolge des geleisteten Zivildienstes zurückzuführen sei. Tatsächlich sei jedoch eine Prüfung in dieser Richtung unterblieben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes erscheint schon dieser Beschwerdeeinwand berechtigt. Nach dem unwiderlegten Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und insbesondere den Ausführungen in seiner Stellungnahme vom 13. Dezember 1983 bestand die Zivildienstleistung des Beschwerdeführers hauptsächlich in der Führung eines Espressos, welche Tätigkeit nahezu ausschließlich nur im Gehen und Stehen ausgeübt werden kann. Wie der Beschwerdeführer nun der Behörde gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, habe er schon nach wenigen Wochen seiner Verwendung Schmerzen in den Füßen verspürt und dies auf die Art seiner Tätigkeit zurückgeführt. Auch die Anschaffung speziellen Schuhwerks habe keine Abhilfe schaffen können. Vielmehr hätten sich die Fußschmerzen verstärkt, nächtliche Beinkrämpfe seien dazu gekommen.
Da eine ausdrückliche Erklärung des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 a Abs. 2 ZDG über sein Einverständnis zum unverzüglichen Ausscheiden aus dem Zivildienst nicht vorlag, wäre es angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers Sache der Behörde gewesen, von sich aus und ohne daß es weiterer konkreter Beweisanbote des Beschwerdeführers bedurft hätte, allenfalls nach einer Ergänzung des amtsärztlichen Gutachtens vom 20. Dezember 1983 zur Frage eines etwa bestehenden Kausalzusammenhanges zwischen der Zivildienstleistung des Beschwerdeführers und der aufgetretenen Gesundheitsschädigung (Dienstunfähigkeit) eindeutige Feststellungen zu treffen. Dies schon deshalb, um klarzustellen, ob gemäß § 19 a Abs. 2 des Gesetzes überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen für eine vorzeitige Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Zivildienst im Sinne des § 19 a Abs. 1 ZDG erfüllt sind. Da Feststellungen in dieser Richtung unterblieben sind, erweist sich der Sachverhalt in einem entscheidungswesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig, was allein schon den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastete (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG).
Dessenungeachtet erweist sich aber auch der zweite Beschwerdeeinwand als stichhältig, wonach - einen Anwendungsfall des § 19 a Abs. 1 ZDG vorausgesetzt - eine danach zulässige vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst unter anderem nur in Betracht kommt, wenn der Zivildienstpflichtige nach den Feststellungen des Amtsarztes geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst dauernd oder vorübergehend unfähig ist, im Streitfalle dem Beschwerdeführer aber amtsärztlich attestiert worden sei, daß er für eine vorwiegend sitzende Tätigkeit sehr wohl verwendungsfähig wäre. Diesem objektiv zutreffenden Einwand kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde (siehe die Begründung des angefochtenen Bescheides und die Ausführungen auf Seite 7 der Gegenschrift) in zielführender Weise weder durch die pauschale Aus-sage, daß eine „derartige Tätigkeit im Rahmen des ordentlichen Zivildienstes nicht gefunden werden konnte“, noch damit begegnet werden, daß eine Einschränkung der Zivildienstleistung auf eine vorwiegend sitzende Tätigkeit nicht realisierbar sei und auch dem im § 3 Abs. 1 ZDG verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung von Wehr- und Zivildienstleistenden widersprechen würde. Was das erstangeführte Argument anlangt, so geht es schon deshalb fehl, weil es sich in seiner Allgemeinheit jeglicher nachprüfenden Kontrolle entzieht. Das zweite Argument dagegen erweist sich deshalb nicht als durchschlagend, weil § 17 Abs. 1 ZDG - auf welche Bestimmung sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift im übrigen selbst beruft - ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, den Zivildienstpflichtigen zu einer anderen Dienstleistung in derselben Einrichtung zu verpflichten, wenn seine Eignung für die bisherige Dienstleistung nicht mehr gegeben ist. In diesem Zusammenhang schließt § 3 Abs. 1 ZDG (dieser Vorschrift zufolge ist der Zivildienstpflichtige zu Dienstleistungen heranzuziehen, die dem allgemeinen Besten, insbesondere der Zivilen Landesverteidigung, dienen und den Zivildienstpflichtigen ähnlich wie der Wehrdienst den Wehrpflichtigen belasten) die Verpflichtung des Zivildieners zu vorwiegend im Sitzen auszuführenden Leistungen jedenfalls nicht aus (vgl. hiezu auch Fessler, Zivildienstgesetz, Juridica-Verlag Wien, 1974, Anm. 2 zu § 3 Abs. 1 ZDG). Da die Behörde auch in dieser Richtung keine ihren Bescheid tragende Begründung zu bieten vermochte (§§ 58, 60 AVG 1950), liegt auch insofern ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Wien, am 21. Jänner 1987