JudikaturVwGH

83/16/0027 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 1985

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerden des 1. A H, 2. des C D, beide vertreten durch E, Rechtsanwalt in F, gegen die Bescheide, der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 1. Februar 1983, Zlen. ad 1) B 83 8/82 (hg. Zahl 83/16/0027), und ad 2) B 81 73/82 (hg. Zahl 83/16/0029), betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens i.A. Entstehung der Zollschuld kraft Gesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 2.400, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Mit den beiden Bescheiden des Zollamtes vom 3. Dezember 1930 wurde ausgesprochen, daß für die Beschwerdeführer gemäß § 174 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ZollG die Eingangsabgabenschuld hinsichtlich näher bezeichneter Waren ausländischer Herkunft kraft Gesetzes entstanden sei und zwar:

für den Erst Beschwerdeführer hinsichtlich 150 Stangen Zigaretten der Sorte „Marlboro“ im Gesamtbetrag von S 44.623,

und für den Zweit Beschwerdeführer hinsichtlich 80 Stangen Zigaretten der Sorte „Dunhill“ und 20 Stangen Zigaretten der Sorte „Marlboro“ im Gesamtbetrag von S 32.465, . In der Begründung dieser Bescheide heißt es, die Beschwerdeführer hätten in den Jahren 1979 und 1980 die oben genannten Zigaretten ausländischer Provenienz von unbekannten Personen im österreichischen Zollgebiet angekauft. Diese Zigaretten seien vorher in das österreichische Zollgebiet eingeschmuggelt worden. Anläßlich der Einfuhr sei die Zollschuld kraft Gesetzes vorerst für den entstanden, der über diese einfuhrzollpflichtige, zollhängige Ware erstmals vorschriftswidrig so verfügt habe, als wäre sie im freien Verkehr. Da die Beschwerdeführer durch ihr oben dargestelltes Verhalten die ohne Stellung in das Zollgebiet eingebrachten Waren an sich gebracht hätten, sei damit für sie die im Spruch dieser Bescheide festgestellte Zollschuld kraft Gesetzes entstanden.

In den dagegen erhobenen Berufungen brachten die beiden Beschwerdeführer inhaltlich übereinstimmend sinngemäß vor, ihre im sachgleichen Finanzstrafverfahren (am 26. November 1980) abgelegten Geständnisse, auf die sich die Abgabenbescheide stützten, seien in einer Streßsituation zustande gekommen und unrichtig; tatsächlich hätten der Erst Beschwerdeführer lediglich ca. 30, der Zweit Beschwerdeführer 35 Stangen Zigaretten angekauft.

Mit den Berufungsvorentscheidungen vom 26. Februar 1982 wies das Zollamt die Berufungen der beiden Beschwerdeführer als unbegründet ab. In der Begründung dieser Bescheide stützte sich die Behörde hinsichtlich der zugrunde gelegten Zigarettenmengen „in freier Beweiswürdigung“ beim Erstbeschwerdeführer auf seine Angaben und jene seiner Ehegattin sowie die Aussagen des Ehepaares K alle vom 26. November 1980, beim Zweit Beschwerdeführer ebenfalls auf seine „Erstangaben“ sowie die Angaben seiner Ehegattin und des N. K vom selben Tage, in beiden Fällen überdies auf die Zeugenaussagen der Erhebungsorgane des Zollamtes und des Finanzamtes Mangels Stellung fristgerechter Vorlageanträge erwuchsen diese Berufungsvorentscheidungen in Rechtskraft.

Im sachgleichen Finanzstrafverfahren hatten, nachdem die beiden Beschwerdeführer gegen die Strafverfügungen des Zollamtes vom (gleichfalls) 3. Dezember 1980 Einspruch erhoben hatten, am 17. Februar 1981 und am 31. März 1981 mündliche Verhandlungen gemäß § 135 FinStrG vor dem Zollamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz stattgefunden. Dabei waren u.a. die oben genannten Erhebungsorgane als Zeugen vernommen worden.

Mit den beiden Straferkenntnissen des Zollamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 12. März 1982 wurden die beiden Beschwerdeführer der vorsätzlichen Abgaben und Monopolhehlerei, nach den §§ 37 Abs. 1 und 44 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt; der Erst Beschwerdeführer habe im Zeitraum März 1979 bis Ende November 1980 vorsätzlich Monopolwaren und zwar 150 Stangen á 200 Stück Zigaretten der Marke „Marlboro“ ausländischer Herkunft, hinsichtlich welcher zuvor ein Schmuggel und ein Eingriff in das staatliche Tabakmonopol begangen worden sei, von ausländischen Fernfahrern an sich gebracht; der Zweit Beschwerdeführer wurde schuldig erkannt, er habe im Zeitraum März 1979 bis November 1980 eingangsabgabepflichtige Monopolwaren und zwar 80 Stangen Zigaretten der Marke „Dunhill“ und 20 Stangen Zigaretten der Marke „Marlboro“, alle ausländischer Herkunft, hinsichtlich welcher zuvor von unbekannten ausländischen Fernfahrern ein Schmuggel sowie ein Eingriff in das staatliche Tabakmonopolrecht begangen worden sei, vorsätzlich von diesen an sich gebracht. In beiden Fällen ging die Behörde im wesentlichen abermals vom Tatsachengeständnis der beiden Beschwerdeführer bei ihrer Einvernahme durch das Zollamt vom 26. November 1980 aus.

Gegen diese Straferkenntnisse erhoben beide Beschwerdeführer Berufungen, in denen sie abermals die Unrichtigkeit ihrer im Finanzstrafverfahren ursprünglich abgelegten Geständnisse behaupteten.

Im Berufungsverfahren betreffend den Erst Beschwerdeführer und seine mitbeschuldigte Ehegattin E H veranlaßte die Finanzlandesdirektion für Steiermark zunächst die Einvernahme der Zeugin S im Sinne des vom Verteidiger in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 1981 gestellten Beweisantrages; nach diesem Antrag sollte die Zeugin darüber vernommen werden, daß sie im Jahre 1980 wöchentlich einmal eine Stange „Dames“ für den Eigenbedarf des Erstbeschwerdeführers und seiner Gattin eingekauft habe. Weitere Zeugen wurden im Berufungsverfahren nach der Aktenlage nicht einvernommen.

Mit den beiden Berufungsentscheidungen vom 17. September 1982 gab die Finanzlandesdirektion für Steiermark den Berufungen der beiden Beschwerdeführer teilweise statt; der Erst Beschwerdeführer wurde nunmehr schuldig erkannt, er habe 30 Stangen, der Zweit Beschwerdeführer, er habe 55 Stangen Zigaretten ausländischer Herkunft, hinsichtlich welcher zuvor von unbekannten ausländischen Fernfahrern ein Schmuggel sowie ein Eingriff in das staatliche Tabakmonopolrecht begangen worden sei, vorsätzlich an sich gebracht. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Mengen wurde das Strafverfahren gegen die beiden Beschwerdeführer eingestellt.

In der Begründung dieser beiden Bescheide führte die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz im wesentlichen übereinstimmend aus, sie könne sich der erstinstanzlichen Ansicht, die den Beschwerdeführern zur Last gelegten Zigarettenmengen seien eindeutig und zweifelsfrei erwiesen, zufolge des Widerrufes der am 26. November 1980 abgelegten Geständnisse durch beide Beschwerdeführer und zufolge der widersprüchlichen Zeugenaussagen der vernehmenden Beamten nicht anschließen. Der Erst Beschwerdeführer habe sich, wie aus den (in erster Instanz abgelegten) Zeugenaussagen hervorgehe, zum Zeitpunkt seiner Einvernahme am 26. November 1980 in einem durch Alkohol schwer beeinträchtigten Zustand befunden; hinsichtlich des Zweit Beschwerdeführers sei es nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auszuschließen, daß er sich anläßlich der Befragung vom 26. November 1980 unter einem gewissen Druck gewähnt habe.

Im weiteren Verlauf der beiden Bescheide wird dann begründet, weshalb die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz die oben genannten Mengen als erwiesen ansehe. Hinsichtlich des Erst Beschwerdeführers führte die Finanzlandesdirektion unter Bezugnahme auf die Einvernahme der Zeugin S aus, die Menge von 30 Stangen lasse sich selbst unter Berücksichtigung des Umstandes objektivieren, daß sowohl der Erst Beschwerdeführer als auch seine Gattin nach ihren eigenen, unwiderlegbaren Angaben keine allzu starken Raucher seien und daß sie ihren Bedarf zusätzlich wöchentlich mit einer Stange „Dames“, welche von der Zeugin S besorgt worden sei, gedeckt hätten.

Mit ihren am 8. November 1982 beim Zollamt eingelangten Anträgen begehrten die beiden Beschwerdeführer nachdem ihre zuvor gestellten Anträge auf Vorlage ihrer Berufungen gegen die erstinstanzlichen Abgabenbescheide vom 3. Dezember 1980 als verspätet zurückgewiesen worden waren unter Hinweis auf die Berufungserkenntnisse der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 17. September 1982 die Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens mit der kurzgefaßten Begründung, dieses sei „naturgemäß diesem Erkenntnis der Finanzlandesdirektion für Steiermark anzupassen“.

Mit den beiden nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 1. Februar 1983 wies die Finanzlandesdirektion für Steiermark die Wiederaufnahmsanträge der beiden Beschwerdeführer (sowie ihrer Ehegattinnen) ab. Sie begründete dies, soweit für das vorliegende Verfahren noch von Bedeutung, nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und nach Hinweis auf die Bestimmungen des § 303 Abs. 1 BAO im wesentlichen damit, daß das Berufungsbegehren offensichtlich auf die Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit. c BAO abstelle, nämlich, daß die Entscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz als Vorfrage für die Abgabenentscheidung zu werten sei. Die finanzstrafbehördliche Entscheidung stelle jedoch keine Vorfrage für das Abgabenverfahren dar. Die Lösung der Frage, ob Eingangsabgaben entstanden seien, sei ausschließlich im Abgabenverfahren zu klären. Da eine finanzstrafrechtliche Entscheidung aber keine Vorfrage für das Abgabenverfahren sein könne, erübrige es sich, auf die Bindungswirkung einzugehen. Aber auch lit. b der genannten Gesetzesstelle könne nicht zur Anwendung kommen, weil im Strafverfahren keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien. Die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz habe vielmehr den Sachverhalt, der bereits den rechtskräftigen Abgabenbescheiden zugrunde gelegt worden sei, einer Prüfung und Wertung in strafrechtlicher Hinsicht zu unterziehen gehabt, weil eine kritiklose Übernahme des Sachverhaltes den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung und der amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts sowie der sich aus der Verfassungsbestimmung des Art. 6 Abs. 2 MRK ergebenden Unschuldsvermutung widersprochen hätte. Im Sinn des § 98 Abs. 3 FinStrG habe vielmehr die Finanzstrafbehörde nach freier Überzeugung zu beurteilen und in der Strafentscheidung zu begründen gehabt, ob die im Abgabenverfahren aufgenommenen Beweise für die Beurteilung ausreichten, daß für einen Schuldspruch wegen eines Finanzvergehens bedeutsame Tatsachen erwiesen seien oder nicht. Daß die Strafbehörde zweiter Instanz im konkreten Fall dieser Verpflichtung nachgekommen und dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen als dies im abgabenrechtlichen Verfahren der Fall gewesen sei, bedeute keinen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b. Es lägen aber nicht die Voraussetzungen nach § 303 Abs. 1 und 4 BAO für eine Wiederaufnahme von Amts wegen vor.

Gegen diese Bescheide, soweit damit den Berufungen der beiden Beschwerdeführer gegen die die Wiederaufnahme abweisenden Bescheide des Zollamtes nicht Folge gegeben wurde, richten sich die beiden vorliegenden Beschwerden. Die Beschwerdeführer beantragen, beide Bescheide (gemeint offenbar: in diesem Umfang) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres engen sachlichen Zusammenhanges verbunden und hierüber erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen und Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Diese Bestimmungen des § 303 BAO stehen im Zusammenhang mit § 116 Abs. 1 leg. cit., wonach, sofern die Abgabenvorschriften nicht anders bestimmen, die Abgabenbehörden berechtigt sind, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen (§§ 21 und 22) und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen.

Die Beschwerdeführer meinen, daß die Berufungsentscheidungen der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 17. September 1982 im Zollstrafverfahren zweifellos einen Wiederaufnahmsgrund „in mehrfacher Hinsicht“ darstellten; darüber hinaus sei das Abgabenverfahren auf Grund dieser Entscheidungen von Amts wegen wieder aufzunehmen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen.

Nach Lage des Falles kommen nur die Wiederaufnahmsgründe des § 303 Abs. 1 lit. b und c BAO in Betracht. Ein Wiederaufnahmsantrag nach lit. b dieser Gesetzesstelle kann nur auf solche Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden, die beim Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber erst nachträglich möglich wurde (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Seite 723). Einen Wiederaufnahmsgrund nach lit. b dieser Gesetzesstelle können die Berufungserkenntnisse der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 17. September 1982 jedoch schon rein begrifflich nicht darstellen. „Tatsachen“ im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind nämlich ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. Stoll, a.a.O.). Es liegt auf der Hand, daß das Erkenntnis einer Behörde, auch wenn es bestimmte Sachverhaltselemente feststellt, nicht mit diesen tatsächlichen Umständen selbst gleichzusetzen ist, d. h. also keine „Tatsache“ im Sinne der hier anzuwendenden Gesetzesstelle bildet.

Die Straferkenntnisse zweiter Instanz stellen aber auch kein (neu aufgefundenes) Beweismittel dar; sie basieren vielmehr selbst auf Beweismitteln, wobei die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz mit einer einzigen, nicht entscheidungsrelevanten Ausnahme selbst keine neuen Beweise aufgenommen, sondern lediglich die schon in erster Instanz aufgenommenen Beweise neu und anders gewürdigt hat. Diese Beweise waren im Zuge der mündlichen Verhandlungen vor dem Zollamt am 17. Februar und 31. März 1981 aufgenommen worden; sie waren ebenso wie die daraus abzuleitenden Tatsachen den Beschwerdeführern sohin lange vor Erlassung der Berufungsvorentscheidungen vom 26. Februar 1982 bekannt. Die Beschwerdeführer haben keinerlei Behauptungen darüber aufgestellt, weshalb es ihnen ohne ihr Verschulden unmöglich gewesen wäre, diese Tatsachen und Beweismittel im Abgabenverfahren und zwar im Wege eines rechtzeitig gestellten Vorlageantrages geltend zu machen bzw. weshalb der Zweit Beschwerdeführer, wie er meint, erst im Zollstrafverfahren Gelegenheit gehabt hätte, sich gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu wehren.

Die einzige oben erwähnte Ausnahme betrifft die Zeugin die erst im Zuge des Berufungsverfahrens, also nach Ergehen der Berufungsvorentscheidung vom 26. Februar 1982, vernommen wurde. Nun hat aber die Finanzlandesdirektion für Steiermark in ihrer gegen den Erst Beschwerdeführer ergangenen Berufungsentscheidung vom 17. September 1982 ungeachtet der Aussage dieser Zeugin, wonach sie für ihre Tochter, die Gattin des Erst Beschwerdeführers, wöchentlich eine Stange Zigaretten der Sorte “Dames“ gekauft habe, eine Menge von 30 Stangen Zigaretten als Gegenstand der strafbaren Handlung festgestellt. Davon abgesehen aber wurde die Vernehmung die er Zeugin vom Erst Beschwerdeführer gleichfalls bereits in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 1981 beantragt; es ist nicht zu erkennen, was ihn daran gehindert hätte, in einem rechtzeitig gestellten Vorlageantrag gegen die Berufungsvorentscheidung vom 26. Februar 1982 das gleiche zu tun.

Ein Wiederaufnahmsgrund nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO liegt daher keineswegs vor.

Aber auch die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. c leg. cit. sind in mehrfacher Hinsicht nicht gegeben.

Zunächst stellt die Anzahl der von den beiden Beschwerdeführern an sich gebrachten Zigaretten keine „Vorfrage“ im Sinne der §§ 116 Abs. 1, 303 Abs. 1 lit. c BAO dar. Unter einer Vorfrage ist ein vorweg zu klärendes Element des zur Entscheidung stehenden Rechtsfalles zu verstehen, das als Hauptfrage (§ 116 Abs. 1) d.h. durch einen Abspruch rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, aber kraft der Anordnung des § 116 Abs. 1 leg. cit. von der Abgabenbehörde nach eigener Anschauung beurteilt werden darf (vgl. hiezu Stoll, Seiten 275, 725). Über die hier relevante Anzahl der von den Beschwerdeführern an sich gebrachten Zigaretten wurde jedoch in diesem Sinne von der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz nicht rechtsfeststellend oder rechtsgestaltend entschieden; vielmehr stellte diese Anzahl auch für die Finanzstrafbehörde lediglich ein Sachverhaltselement dar.

Weiters ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach der hier anzuwendenden Gesetzesstelle nur dann zulässig, wenn eine nach den Grundsätzen des § 116 BAO zu beurteilende Bindung der Abgabenbehörde an die Entscheidung der anderen Stelle vorliegt (Stoll, Seite 725); auch daran fehlt es in den Beschwerdefällen.

Schließlich decken sich auch die Tatbestände des § 174 Abs. 3 lit. a zweiter Tatbestand ZollG einerseits, des § 37 FinStrG andererseits nicht, was gleichfalls Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 lit. c BAO wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1974, Slg. Nr. 4670/F).

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen der zuletzt genannten Gesetzesstelle kam auch eine darauf gestützte amtswegige Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 BAO nicht in Betracht. Auf den zweiten Halbsatz dieses Absatzes war eine amtswegige Wiederaufnahme jedoch schon deshalb nicht zu stützen, weil es sich bei den von der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz zur Begründung ihrer Entscheidung herangezogenen Umständen wie bereits oben dargelegt nicht um neu nämlich nach Abschluß des Abgabenverfahrens hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel handelte.

Richtig ist zwar, daß, wie der Zweit Beschwerdeführer vorbringt, die Abgabenbehörden gemäß§ 115 Abs. 3 BAO Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zu Gunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen haben. Dieser für das Abgabenverfahren ganz allgemein geltende Grundsatz vermag jedoch nicht das Fehlen der spezifischen Voraussetzungen einer amtswegigen Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 BAO zu ersetzen.

Der belangten Behörde ist daher mit der Abweisung der Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Abweisungen der gegenständlichen Wiederaufnahmsanträge durch das Zollamt kein Rechtsirrtum unterlaufen. Aus diesem Grunde geht auch die Verfahrensrüge der beiden Beschwerdeführer ins Leere, die sich dagegen wendet, daß die belangte Behörde keine Feststellungen über das Zustandekommen der Geständnisse vom 26. November 1980 getroffen und die im Finanzstrafverfahren von den Beschwerdeführern geführten Zeugen nicht vernommen habe.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, 21. Februar 1985

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