Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofrat Dr. Degischer und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schwaighofer, über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. April 1983, Zl. I/7 St 8 8348, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 22. Februar 1983 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 7. Jänner 1983 um 10.54 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws im Ortsgebiet von Wilhelmsburg auf der Bundesstraße 20, in Höhe des Parkbades bei der Fahrt in Richtung Traisen, „schneller als 50 km/h gefahren (§ 20 Abs. 2 StVO 1960) (lt. Radarmessung um 31 km/h)“, und er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach der oben angeführten Gesetzesstelle begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer in Anwendung des § 47 VStG 1950 eine Geldstrafe von S 600,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 27 Stunden) verhängt.
Die mit 3. März 1983 datierte und rechtzeitig eingebrachte Eingabe des Beschwerdeführers lautet nach Bezugnahme auf die angeführte Strafverfügung wie folgt: „Einspruch gegen Strafhöhe. Bei meiner Fahrt am 7.1.1983 war ich der Meinung, daß der Ortsbereich nach der Kreuzung beendet ist, da die auf der rechten Straßenseite gelegene Siedlung von der Bundesstraße durch einen Zaun abgegrenzt ist und auf der linken Straßenseite sich nur das Freizeitgelände befindet. Ich habe auch keine Aufhebung der Beschränkung mit 50 Stundenkilometer gesehen. Seit 1953 bin ich Benützer eines Kraftfahrzeuges und dies ist meine erste Strafverfügung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Wenn schon von einer Strafe nicht abgesehen werden kann, ersuche ich wenigstens um Herabsetzung der Strafhöhe.“
Dieser Einspruch wurde der Niederösterreichischen Landesregierung vorgelegt, welche in ihrem Bescheid vom 20. April 1983 einleitend zum Ausdruck brachte, daß es sich um eine Berufung handle, die sich nur gegen das Ausmaß der auferlegten Strafe richte. Mit diesem Bescheid wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 51 Abs. 4 VStG 1950 keine Folge gegeben und das Ausmaß der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe bestätigt. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, die rechtzeitig eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers richte sich nur gegen das Ausmaß der verhängten Strafe. Sie müsse daher davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte strafbare Verhalten gesetzt habe, und es sei lediglich zu beurteilen, ob die Bestrafung dem durch § 19 und § 51 Abs. 4 VStG 1950 vorgegebenen Maßstab entspreche. Der Beschwerdeführer besitze an Vermögen ein Einfamilienhaus; sein Einkommen betrage monatlich S 12.000,--, und er habe für niemanden zu sorgen. Trotz Berücksichtigung der Milderungsgründe (bisherige Straflosigkeit hinsichtlich der Verkehrsvorschriften, Geständnis) sowie weiters bei Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers könne die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf die eingetretene Gefährdung der vom Gesetz geschützten Interessen und den Grad des Verschuldens des Beschwerdeführers nicht finden, daß die Behörde erster Instanz die Strafe unangemessen hoch festgesetzt habe und daß die rücksichtswürdigen Umstände soweit überwiegten, daß Anlaß zu einer Strafmilderung oder zu einer Nachsicht der Strafe gegeben wäre; dies umso weniger, als die Strafe erheblich unter der Obergrenze des vom Gesetz vorgesehenen Strafrahmens liege. Bei diesen Erwägungen sei auch davon auszugehen gewesen, daß der Beschwerdeführer durch die Bestrafung in Hinkunft von einem gleichartigen strafbaren Verhalten abgehalten und auch eine generalpräventive Wirkung erreicht werden solle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 gebildeten Senat erwogen:
Wird im Einspruch gegen eine Strafverfügung ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten in Beschwerde gezogen, so ist er gemäß § 49 Abs. 2 VStG 1950 als Berufung anzusehen und der Berufungsbehörde vorzulegen. In allen anderen Fällen tritt die Strafverfügung gemäß § 49 Abs. 3 VStG 1950 durch die rechtzeitige Einbringung des Einspruches außer Kraft und ist das ordentliche Verfahren einzuleiten.
Im Beschwerdefall hängt somit die Beurteilung der Frage, ob der vom Beschwerdeführer erhobene Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 22. Februar 1983 als Berufung zu werten und daher darüber von der belangten Behörde - wie dies mit dem angefochtenen Bescheid geschehen ist - zu entscheiden war, oder ob die belangte Behörde - wie dies in der Beschwerde geltend gemacht wird - für eine solche Entscheidung nicht zuständig war, davon ab, ob der Beschwerdeführer in seinem Einspruch „ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe in Beschwerde gezogen“ hat. Richtig ist, daß es hiebei nicht alleine darauf ankommt, daß der Beschwerdeführer seine Eingabe als „Einspruch gegen Strafhöhe“ bezeichnet hat, sondern der Inhalt dieses Rechtsmittels in seiner Gesamtheit dafür maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, daß der Beschwerdeführer auch den Schuldspruch bekämpft hat.
Im ersten Absatz des Einspruches hat der Beschwerdeführer versucht zu erklären, auf Grund welcher Umstände er zur Tatzeit angenommen habe, sich nicht mehr im Ortsgebiet von Wieselburg befunden zu haben. Es ergibt sich daraus aber nicht, daß der Beschwerdeführer bestritten hat, objektiv gegen die Vorschrift des § 20 Abs. 2 StVO 1960 verstoßen zu haben. Sein Beschwerdevorbringen, er habe deutlich Zweifel daran gehegt, sich zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung noch im Ortsbereich befunden zu haben, ist durch den Inhalt der Eingabe nicht gedeckt, weil darin überhaupt nicht zum Ausdruck gebracht hat, daß er tatsächlich das Ortsgebiet (siehe dazu die Definition des § 2 Abs. 1 Z. 15 StVO 1960) bereits verlassen gehabt habe und seine dargelegte subjektive Annahme daher auch richtig gewesen sei. Er hat aber auch ein Verschulden an der ihm angelasteten strafbaren Handlung nicht in Abrede gestellt, zumal keine konkreten Tatsachen aufgezeigt wurden, aus denen ein mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers abgeleitet werden könnte. Dieser Teil des Einspruches kann vielmehr nur dahin verstanden werden, daß auf Grund der geschilderten Verhältnisse am Tatort seiner Meinung nach das Verschulden als geringfügig anzusehen sei. In unmittelbarem Zusammenhang damit steht der Absatz 2 des Einspruches, in dem noch zusätzlich auf die bisherige Straffreiheit des Beschwerdeführers als Lenker eines Kraftfahrzeuges wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hingewiesen wurde. Der abschließende Antrag richtete sich daher, ausgehend von der Rechtmäßigkeit des Schuldspruches und daher auch in Übereinstimmung mit der Bezeichnung dieser Eingabe als „Einspruch gegen Strafhöhe“, erkennbar darauf, daß von einer Strafe abgesehen werden möge, wobei „dieses Verlangen“ - wie vom Beschwerdeführer zutreffend bemerkt wird - „richtiger-weise im Sinne eines auf § 21 VStG 1950 gestützten Begehrens zu betrachten ist“, eventualiter auf eine Herabsetzung der Strafe im Sinne des § 51 Abs. 4 VStG 1950.
Die belangte Behörde war sohin - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - zur Entscheidung über dessen Einspruch, der als Berufung zu gelten hatte, zuständig.
Was nun das Ausmaß der verhängten Strafe betrifft, so wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, daß die belangte Behörde nicht die Bestimmung des § 21 Abs. 1 VStG 1950 angewendet hat. Nach dieser Gesetzesstelle kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, - wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nun hat aber der Beschwerdeführer in seinem Einspruch in Wirklichkeit keine Gründe angeführt, die auf ein geringfügiges Verschulden bei Begehung der Tat schließen ließen, abgesehen davon, daß auch der Aktenlage nach solche nicht erkennbar sind. Denn aus dem Vorbringen im Einspruch ergibt sich, daß der Beschwerdeführer dem Verkehrsgeschehen nicht die erforderliche Aufmerksamkeit, die von einem Kraftfahrzeuglenker verlangt werden muß, geschenkt hat, weil ihm sonst hätte bewußt sein müssen, daß er sich noch im Orts-gebiet aufhält. Wenn er darauf nicht geachtet hat und dies der Grund dafür war, daß er schließlich die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit laut Radarmessung um 31 km/h überschritten hat, dann kann von einem geringfügigen Verschulden nicht mehr gesprochen werden. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde unter Berücksichtigung der im § 19 Abs. 1 und 2 VStG 1950 erwähnten Kriterien und des im § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 vorgesehenen Strafrahmen, der bis S 10.000,-- geht, von dem ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessen (vgl. dazu u. a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Slg. Nr. 10.077/A) nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
Wenn der Beschwerdeführer noch abschließend rügt, daß ihn die Behörde wegen S 100,-- Stempel am 26.5.1983 notioniert habe und dies unrichtig sei, „da die Behörde in ihrer Bescheidbegründung eine Deutung in der Weise vorgebracht hat, daß es sich um eine Strafberufung handelt“, so ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ausschließlich die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit sein kann, weshalb darauf, ob der Beschwerdeführer - im übrigen von der Behörde erster Instanz und nicht von der belangten Behörde - zu Recht zur Entrichtung von Stempelgebühren auf-gefordert worden ist, nicht eingegangen werden kann.
Da es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 16. Dezember 1983