JudikaturVwGH

82/06/0118 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 1983

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zepharovich, über die Beschwerde des Dr. LK in X, vertreten durch Dr. Werner Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, Kaiserfeldgasse 19, gegen den Gemeinderat der Markgemeinde P, betreffend die Verletzung der Entscheidungspflicht durch Nichterledigung einer Berufung in einer Bausache, gemäß § 42 Abs. 5 VwGG 1965, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 62 VwGG 1965 wird die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde P vom 22. August 1977, ZI. 370-600-1977, als verspätet zurückgewiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde P vom 22. August 1977 wurde JN die Baubewilligung für einen Geschäftsum- und -zubau auf dem Grundstück X erteilt. Diesem Baubewilligungsverfahren waren Nachbarn, unter anderem der Beschwerdeführer, nicht beigezogen worden.

Mit Eingabe vom 25. Februar 1980 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm nachträglich die Parteistellung zuzuerkennen, weil er als Nachbar übergangen und dem Verfahren nicht beigezogen worden sei. Auf Grund dieses Antrages übersandte der Bürgermeisters der Marktgemeinde P dem Beschwerdeführer den erwähnten Bescheid mit einem entsprechenden Begleitschreiben vom 4. März 1980. Im Akt erliegt sodann ein Zustellnachweis (Rückschein), demzufolge der Bescheid dem Beschwerdeführer am 7. März 1980 durch Hinterlegung zugestellt worden ist.

Gegen den Baubewilligungsbescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 4. April, der Post am 9. April 1980 übergeben, das Rechtsmittel der Berufung. Im wesentlichen führte der Beschwerdeführer aus, er habe das Schreiben vom 4. März 1980 am 26. März 1980 erhalten und das bewilligte Projekt entspreche architektonisch nicht dem steirisch-heimatlichen Gedankengut eines bäuerlichen Ortsbildes. Gefordert wurde eine neue Überarbeitung des Projektes und eine neuerliche örtliche Erhebung sowie eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung-des Beschwerdeführers.

In einer. weiteren Eingabe vom 28. Juli 1980 begehrte der Beschwerdeführer die sofortige Aufhebung des Baubescheides und eine neuerliche gesetzmäßige Bauverhandlung.

Mit Schreiben vom 29. August 1980 teilte der Bürgermeister dem Beschwerdeführer mit, daß der Bescheid vom 22. August 1977 ihm am 7. März 1980 zugestellt und die Berufung erst am 9. April 1980 der-Post zur Beförderung übergeben worden sei. Die Berufungsfrist betrage zwei Wochen und sohin wäre der letzte (Tag) für die fristgerechte Einbringung der Berufung der 21. März 1980 gewesen. Hiezu teilte der Beschwerdeführer mit, daß er als Stichtag für die gültige Frist der Einbringung der Berufung den 4. April 1980, bzw., wenn der Poststempel am Kuvert 9. April 1980 laute, diesen betrachte. Der Zeitpunkt der durchgeführten Zustellung sei, wie in der Berufung angeführt, der 26. März 1980 gewesen. Hiemit sei der Termin für die Eingabe eingehalten.

Laut Aktenlage beschloß in der Folge der Gemeinderat der Marktgemeinde P in seiner Sitzung vom 2. Dezember 1980 die Abweisung der Berufung. Der in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses konzipierte Bescheid der Gemeinde vom 9. Dezember 1980 ist dem Beschwerdeführer laut seiner Behauptung bisher nicht zugestellt worden. Ein Zustellnachweis ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

In einem Schreiben vom 18. Dezember 1981 rügte der Beschwerdeführer die noch immer ausständige Berufungserledigung und ergänzte seine Berufungsausführungen.

In seiner nunmehr an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 22. August 1977 aufzuheben. Die Beschwerdeausführungen lassen erkennen, daß der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Erledigung seiner Berufung geltend macht.

Mit Verfügung vom 70' September 1982 leitet der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren gemäß § 35 Abs. 2 VwGG 1965 ein und stellte der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 frei, innerhalb der Erist von acht Wochen den versäumten Bescheid zu erlassen. Am 29. Oktober 1982 teilte der Bürgermeister der Marktgemeinde P über Befragen telephonisch mit, daß über eine seinerzeitige Zustellung des Berufungsbescheides kein Zustellnachweis vorliege und nunmehr eine neuerliche Zustellung erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 23. November 1982 behauptete der Beschwerdeführer, ein Bescheid sei nicht erlassen worden. Auf Grund einer Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Dezember 1982 teilte der Bürgermeister in einem Schreiben vom 21. Jänner 1983 mit, eine neuerliche Zustellung des Bescheides sei erfolgt; zum Beweis für dieses Vorbringen wurde die Ablichtung eines Zustellnachweises vorgelegt, demzufolge eine Hinterlegung am 27. Oktober 1982 vorgenommen worden ist. Dieser Zustellnachweis läßt nicht erkennen, daß der Berufungsbescheid (neuerlich) zugestellt wurde, vielmehr sind mit dieser Postsendung laut einem Vermerk auf dem Rückschein ein Bescheid betreffend einen baupolizeilichen Auftrag an den Beschwerdeführer und ein Schreiben des Bürgermeisters vom 29. Oktober 1982 zugestellt worden.

Auf Grund der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten (unvollständigen) Verwaltungsakten und des Vorbringens des Beschwerdeführers ist zunächst davon auszugehen, daß auf Grund des nicht widerlegten Vorbringens des Beschwerdeführers der im Akt erliegende Berufungsbescheid vom 9. Dezember 1980 dem Beschwerdeführer bisher nicht zugekommen ist. Die erhobene Säumnisbeschwerde erweist sich daher als zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sohin zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 22. August 1977 rechtzeitig eingebracht worden ist. Diesbezüglich ergibt die Aktenlage, daß dieser Bescheid dem Beschwerdeführer nachweislich durch Hinterlegung am 7. März 1980 zugestellt worden ist. Gemäß § 23 Abs. 6 AVG 1950 hat die vorschriftsmäßige Hinterlegung des zuzustellenden Schriftstückes die Wirkung der Zustellung. Der Beschwerdeführer hat zwar behauptet, den Bescheid am 26. März 1980 erhalten zu haben, er hat aber keine Gründe genannt, die berechtigte Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Zustellung vom 7. März 1980 - etwa wegen vorübergehenden Verlassens des gewöhnlichen Aufenthaltsortes im Sinne des § 23 Abs. 7 AVG 1950 - hervorrufen könnten. Die bloße Behauptung in der Berufung, den Bescheid erst am 26. März 1980 erhalten zu haben, welche der Beschwerdeführer in der Folge auf Grund des Vorhaltes der Behörde wiederholte, vermag nicht darzutun, daß der Zustellung am 7. März 1980 keine Rechtswirksamkeit zugekommen wäre. Da der Beschwerdeführer trotz der ihm gebotenen Möglichkeit, Gründe gegen die Rechtswirksamkeit der Zustellung am 7. März 1980 vorzubringen, solche Gründe nicht vorgebracht hat, erweist sich die am 9. April 1980 zur Post gegebene Berufung als verspätet eingebracht. Wenngleich die belangte Behörde in der Folge dem Umstand der verspäteten Einbringung der Berufung offensichtlich keine Bedeutung beimaß, hatte der Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen die Rechtzeitigkeit der Berufung zu prüfen, zumal der Bauwerber im Baubewilligungsverfahren einen Rechtsanspruch darauf besitzt, daß über eine verspätet erhobene Berufung eines Nachbarn nicht mehr sachlich entschieden wird (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1971, Zl. 682/70, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/19650, hingewiesen wird).

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 war sohin die Berufung als verspätet zurückzuweisen.

Da Kosten nicht verzeichnet wurden, entfällt ein Kostenabspruch.

Wien, am 24. Februar 1983

Rückverweise