JudikaturVwGH

82/02/0149 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 1984

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Degischer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schwaighofer, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch C, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 2. Juni 1982, Zl. MA 70 IX/C 74/81/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 für schuldig erkannt und deshalb bestraft wurde einschließlich des darauf Bezug habenden Kostenausspruches, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.385,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 2. Juni 1982 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 3. Februar 1981 um 20.10 Uhr in W, H Gasse, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht und es unterlassen, sofort die nächste Polizeidienststelle zu verständigen. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) in Verbindung mit § 4 Abs. 2 dieses Gesetzes begangen; nach der erstgenannten Gesetzesstelle wurde von der Berufungsbehörde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) festgesetzt. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde ausgeführt, dem Beschwerdeführer könne nur der dritte Fall des § 4 Abs. 2 StVO zum Vorwurf gemacht werden, nicht aber, wie es die erste Instanz getan habe, auch der erste und zweite Fall dieser Gesetzesstelle. Dies deshalb, weil hinsichtlich des ersten und zweiten Falles dieser Gesetzesstelle ein gerichtliches Urteil vorläge, somit § 99 Abs. 6 lit. c StVO Platz greife. Die weitere auf diese Übertretung Bezug habende Begründung des Berufungsbescheides lautet:

„Hingegen wurde durch den Berufungswerber - wie sich aus dem Akteninhalt und dem beigeschafften Strafakt des Gerichtes ergibt - die oben erwähnte Pflicht zur sofortigen Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht beachtet, weshalb die dem Berufungswerber in Punkt 1 angelastete Tat mit obigen Einschränkungen als erwiesen anzunehmen war“

Die Änderung im Spruch diente der genaueren Tatumschreibung und Anpassung an den Straftatbestand.“

Die erste Instanz hatte ihren - auch weitere Sachverhaltsteile, die dem ersten und dem zweiten Fall des § 4 Abs. 2 StVO entsprachen, umfassenden - Schuldspruch damit begründet, diese - und eine andere, hier nicht gegenständliche - Verwaltungsübertretung sei durch die Wachemeldung und durch die Angaben des Beschwerdeführers erwiesen. Sodann folgen Erwägungen zur Strafbemessung.

Gegen den erwähnten Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 gebildeten Senat erwogen:

Ob die belangte Behörde, wie die Beschwerde behauptet, von der irrigen Rechtsansicht ausging, allein ein Verkehrsunfallsgeschehen, auch ohne Verletzung von Personen, stelle den Tatbestand des § 4 Abs. 2 StVO dar, läßt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erkennen, so daß der diesbezügliche Vorwurf der Beschwerde nicht gerechtfertigt ist.

Berechtigt ist allerdings die Verfahrensrüge.

Der Beschwerdeführer vertrat im gesamten Verwaltungsstrafverfahren die Ansicht, er habe von einer Verletzung des Fußgängers LS nichts bemerkt und auch nichts bemerken müssen. In der Berufung bot er - zum gesamten Sachverhalt - die Vernehmung dreier Zeugen und die Einholung eines gerichtsärztlichen Gutachtens an. Die belangte Behörde ließ ungeklärt, ob sich diese Beweisanträge nur auf die Übertretung nach § 5 Abs. 1, nur auf jene nach § 4 Abs. 2 StVO oder auf beide Übertretungen bezogen.

Die oben wiedergegebene Begründung der Berufungsbehörde befaßt sich in ganz ungenügender Weise mit der Verantwortung des Beschwerdeführers. Sie stellt nicht im einzelnen dar, auf welche Weise LS verletzt wurde, wie diese Verletzung am Unfallsort für andere Personen bemerkbar wurde oder aus welchen sonstigen Umständen der Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte annehmen müssen, daß LS verletzt wurde.

Der bloße Hinweis auf den „Akteninhalt und“ den „beigeschafften Strafakt des Gerichtes“ erfüllt nicht die durch § 60 AVG 1950, § 24 VStG 1950 vorgeschriebene Begründungspflicht der Berufungsbehörde.

Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Daher war ihr Bescheid, sofern er einen Schuldspruch des Beschwerdeführers samt Straf- und Kostenausspruch enthält, gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.

Wien, am 20. Jänner 1984

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