JudikaturVwGH

81/06/0076 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 1983

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Unfried, über die Beschwerde der HT, vertreten durch A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 4. März 1981, Zl. 8 BauR 1 193/5/1980, betreffend Auf-trag zur Vorauszahlung der Kosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 4.263,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde S vom 17. November 1977 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 13 der Kärntner Bauordnung nach Maßgabe der eingereichten Pläne sowie der Baubeschreibung die Bewilligung für die Adaptierung des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes auf den Parzellen 253/1 und 1091/1, je KG. S, erteilt. Gleichzeitig wurde - nur unter Hinweis auf die zustimmende Kenntnisnahme der Beschwerdeführerin als Bauwerberin - in den Bescheid folgender Ausspruch aufgenommen:

„Im Zuge der Sanierung des Daches des Wirtschaftsgebäudes ist die Dauchauskragung im nordwestlichen Bereich (Auffahrt S um zirka eineinhalb Dachziegellängen zurückzunehmen.“

Mit Eingabe vom 19. April 1978 teilte die Beschwerdeführerin mit, daß sich im Zuge der Durchführung der im genannten Bescheid genehmigten Um- und Ausbauarbeiten Änderungen ergeben hätten. Sie seien aus dem beiliegenden Einreichplan vom März 1978 ersichtlich; gleichzeitig ersuchte die Beschwerdeführerin um Genehmigung der Abänderungen. Mit Bescheid vom 13. Juni 1978 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde S gemäß §§ 3, 17 und 14 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung nach Maßgabe der Pläne vom März 1978 die Bewilligung für die geänderte Ausführung des Umbaues beim Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf den Parzellen 253/1 und 1091/1, je KG. S . Weiters wurden eine Reihe von - hier nicht interessierenden - Auflagen festgelegt.

Die Bescheide sind in dieser Form in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 1979 ersuchte die Stadtgemeinde S um Vollstreckung der Auflage hinsichtlich der Verkürzung der Dachauskragung; die Beschwerdeführerin habe mittlerweile die Sanierung des Daches insofern durchgeführt, als größere Ichsenbleche und Kaminkopfverblechungen angebracht, weiters Blechsaumerneuerungen und die Ausbesserung bzw. Erneuerung von Dachrinnen und Abfallrohren vorgenommen worden seien. Daraufhin drohte die Bezirkshauptmannschaft S der Beschwerdeführerin am 17. Jänner 1980 die Ersatzvornahme an. Obwohl die Beschwerdeführerin darauf hinwies, daß sie bisher eine Sanierung des Daches nicht vorgenommen habe, erließ die Bezirkshauptmannschaft S am 19. Mai 1980 nachstehenden Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten:

„Auf Grund des Bescheides des Bürgermeisters der Stadt S vom 17. November 1977 sind Sie zu folgender Arbeits- und Naturalleistung verpflichtet:

Im Zuge der Sanierung des Daches des Wirtschaftsgebäudes (Parzellen 253/1 und 1091/1 KG S) ist die Dachauskragung im nordwestlichen Bereich. (Auffahrt S ca. 1 1/2 Dachziegellängen zurückzunehmen.

Da Sie dieser Pflicht nicht nachgekommen sind, obwohl Ihnen mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft S vom 17. Jänner 1980 angedroht worden ist, daß die mangelnde Leistung auf ihre Gefahr und auf Ihre Kosten bewerkstelligt würde, wird Ihnen gemäß § 4 VVG aufgetragen, als Vorauszahlung der Kosten den Betrag von S 3.000, gegen nachträgliche Verrechnung bis zum 1. 6. 1980 bei diesem Amt zu erlegen.“

In der Begründung wies die Vollstreckungsbehörde zwar auf die gesetzliche Grundlage und die Berechnung der Kosten hin, begründete jedoch nicht die Fälligkeit der Leistung.

In der Berufung gegen den Vorauszahlungsbescheid wurde daher auch vor allem geltend gemacht, daß noch keine Sanierung des Daches stattgefunden habe; überdies sei durch den zweiten Bescheid der erste Bescheide mit der hier vollstreckten Auflage hinfällig geworden. In einer Ergänzung wurde noch darauf hingewiesen, daß auf der Seite der zu verringernden Dachauskragung überhaupt keine Arbeiten am Dach vorgenommen worden seien, sondern lediglich neben den Kaminen zwei Ichsenbleche auf der anderen Seite.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie aus, daß es sich beim zweiten Bescheid offensichtlich um die nachträgliche Genehmigung der geänderten Ausführung des unter Auflage bereits bewilligten Bauvorhabens gehandelt habe, wodurch die Baubewilligung mit ihren Auflagen nicht berührt worden sei. Mangels Aufhebung des ersten Bescheides sei es nicht erforderlich gewesen, die zu erfüllende Auflage nach den Bescheid vom 13. Juni 1978 aufzunehmen. Die nichterfüllte Aufgabe habe auch auf die Benützungsbewilligung keinen Einfluß, sodaß deren Erteilung hinsichtlich der Auflage nichts aussage. Es sei aber auch der Behauptung der Beschwerdeführerin entgegenzutreten, daß keine Sanierung am Dach stattgefunden habe; vielmehr habe bei einem Ortsaugenschein durch einen Sachverständigen festgestellt werden können, daß am Dach insofern Sanierungen durchgeführt worden seien, als größere Ichsenbleche, Kaminkopfverblechungen, Blechsaumenerneuerungen und Ausbesserungen vorgenommen worden seien. Auch die Angleichung des Daches infolge einer Kaminerrichtung und die anderen Erneuerungsmaßnahmen müßten dem Begriff der Dachsanierung zugeordnet werden. (Die Feststellung des Sachverständigen, daß in der Dachfläche im Bereich des zurückzunehmenden Dachsaumes keinerlei Sanierungsarbeiten durchgeführt worden seien, wird im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegeben.) Da die angeführten Arbeiten vom Sachverständigen als Sanierungsarbeiten gewertet worden seien, hätte in Erfüllung der Auflage des Bescheides des Bürgermeisters vom 17. November 1977 auch die Dachauskragung des Wirtschaftsgebäudes im nordwestlichen Bereich um zirka eineinhalb Dachziegellängen zurückgenommen werden müssen. Es erscheine nicht vertretbar, eine rechtskräftige Auflage durch „unobjektive Auslegung der schriftlichen Formulierungen“ zu umgehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Aus den Ausführungen ergibt sich, daß sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt erachtet, daß eine (noch) nicht vollstreckbare Auflage gegen sie nicht vollstreckt werden dürfe.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Der Beschwerdeführerin kann zwar darin nicht gefolgt werden, daß die Baubewilligung vom 17. November 1977 durch den nachfolgenden Bewilligungsbescheid vom 13. Juni 1978 außer Kraft getreten sei. Da die Beschwerdeführerin ausdrücklich um Genehmigung der Abänderungen der mit Bescheid vom 17. November 1977 genehmigten Um- und Ausbau-arbeiten ersucht hat, kann auch der Bewilligungsbescheid nur im Sinne einer Abänderung der erteilten Baubewilligung, nicht aber als deren Aufhebung angesehen werden. Es bedurfte daher keiner Wiederholung der im Bewilligungsbescheid ausgesprochenen Auflage im nachfolgenden Bescheid.

Der Verwaltungsgerichtshof kann hingegen nicht finden, daß die in der Auflage ausgesprochene Verpflichtung bereits fällig geworden ist. Selbst wenn man nämlich die aufschiebende Befristung „im Zuge der Sanierung des Daches“ zur Festlegung eines in der Zukunft liegenden Fälligkeitszeitpunktes überhaupt als hinreichend bestimmt ansieht, können einzelne Arbeiten am Dach, noch dazu auf einer anderen Seite, als auf der, wo die Zurücknahme der Dachauskragung erfolgen sollte, noch nicht als „Sanierung“ angesehen werden. Zutreffend hat nämlich die belangte Behörde erkannt, daß eine „unobjektive Auslegung“ der rechtskräftigen Auflage nicht vertretbar ist. Vielmehr muß die individuelle Norm der Auflage gleich generellen Normen ausgelegt werden. Nach dem allgemeinen Sprachsinn des Wortes „Sanierung“ können darunter nur umfangreiche Arbeiten zur Behebung wesentlicher Mängel verstanden werden. Dies trifft auf Kaminumbauten und Auswechslung einiger Verblechungen zweifellos nicht zu. - Unter diesen Umständen ist der der belangten Behörde anzulastende Verfahrensmangel, der Beschwerdeführerin kein Parteiengehör zu den Ergebnissen des Sachverständigengutachtens gewährt zu haben, sodaß der relevante Zeitpunkt der vom Sachverständigen angenommenen Änderungen nicht geklärt ist, ohne rechtliche Bedeutung geblieben. - Geht man aber vom Zweck der Befristung aus, daß die Beschwerdeführerin im Falle von Arbeiten in dem der Durchfahrt zugewendeten Teil des Daches in einem Zuge (also ohne besondere zusätzliche Kosten) die Zurücknahme der Dachauskragung vornehmen sollte, so ist diese Bedingung jedenfalls noch nichteingetreten. Für die letztere Auslegung spricht auch, daß die umstrittene Auflage ja keine andere Rechtsgrundlage hatte als die Zustimmung der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Bauverhandlung.

Die belangte Behörde hat somit durch unrichtige Auslegung des Begriffes „Sanierung“ des Daches nicht erkannt, daß die Vollstreckung (derzeit) unzulässig war (§ 10 Abs. 2 lit. a VVG 1950) und dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Damit erübrigte sich ein formeller Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981, jedoch im Rahmen des gestellten Antrages. Der Ersatz von Bundesstempel war lediglich im erforderlichen Ausmaß zuzuerkennen.

Wien, am 20. Oktober 1983

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