JudikaturVwGH

0297/79 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. März 1982

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Öhler, Mag. Onder, Dr. Hnatek und Dr. Stoll als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Mag. Dr. Paschinger, über die Beschwerde des A B in C, vertreten durch D Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Dezember 1978, Zl. MA 63 1 12/77/Str., betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfange seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.130, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Gegen den Beschwerdeführer erging ein Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den X Bezirk, vom 22. Februar 1977, dessen Spruch wie folgt lautete:

„Der Beschuldigte A B hat es als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 Verwaltungsstrafgesetz VStG 1950) der Y Handelsgesellschaft

und Z zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 22. Dezember 1975 in Wien X 121 Kartons Hustenbonbons zu je 32 Packungen in Verkehr gebracht hat, die insoferne falsch bezeichnet waren, als sie mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben, und zwar solchen, die sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen oder auf die Erweckung eines solchen Eindruckes bezogen, nämlich mit der Bezeichnung ‚Bronchialbonbons‘ und mit der Aufschrift ‚vorzüglich bei Erkältung, Heiserkeit, Husten‘ versehen waren. Er hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 1 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86/1975, begangen.

Gemäß § 74 Abs. 1 leg. cit. wird gegen den Beschuldigten eine Geldstrafe von S 1.000, verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 1 Tag.

Der Bestrafte hat gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 v. H. der verhängten Strafe, das sind S 100, , zu bezahlen sowie gemäß § 67 des Verwaltungsstrafgesetzes die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen. Ferner hat er gemäß § 64 Abs. 3 des Verwaltungsstrafgesetzes die mit S 210, bestimmten Barauslagen des Verwaltungsstrafverfahrens an die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und forschung zu beachten.“

Der Beschwerdeführer erhob gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht Berufung, in welcher er Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte.

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 insoferne teilweise Folge, daß das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Vorwurfes, daß die in Verkehr gebrachten Packungen Hustenbonbons mit der Bezeichnung „Bronchialbonbons“ versehen gewesen seien, eingestellt wurde, die Berufungsbehörde bestätigte jedoch das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich des wehren Vorwurfes, daß diese Packungen mit „vorzüglich bei Erkältung, Heiserkeit, Husten“ beschriftet gewesen seien und hinsichtlich des Ausspruches über die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten des Strafvollzuges. Die Geldstrafe wurde mit S 500, , bei Uneinbringlichkeit 12 Stunden Arrest, neu bemessen und gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 der erstinstanzliche Kostenbeitrag mit S 50, festgesetzt. Der Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der gemäß § 64 Abs. 3 VStG 1950 mit S 210, bestimmten Barauslagen wurde ersatzlos behoben.

Begründend führte die belangte Behörde hinsichtlich des von ihr bestätigten erstinstanzlichen Vorwurfes (der Vorwurf hinsichtlich der Bezeichnung „Bronchialbonbons“ wurde deshalb nicht aufrechterhalten, weil die belangte Behörde zu der Ansicht kam, daß es sich hiebei um eine nicht verbotene, althergebrachte Bezeichnung im Sinne des § 9 Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 LMG 1975 handle) im wesentlichen aus, daß der Berufungswerber als zur Vertretung nach außen berufenes Organ seine Pflichten nicht zur Gänze auf einen namentlich genannten Angestellten delegieren könne und ihm jedenfalls unter anderem die Pflicht zur Ausübung einer Überwachung obliege.

Die Aufschrift „vorzüglich bei Erkältung, Heiserkeit, Husten“ sei entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers sehr wohl geeignet, im Käufer eine Erwartung einer Heilung oder Linderung von Krankheiten bzw. Beschwerden zu erwecken. Derart konkrete Angaben könnten nicht mehr unter den Begriff “althergebrachten Bezeichnung“ subsumiert werden. Hinsichtlich des Vorwurfes, daß die in Verkehr gebrachten Packungen mit der Aufschrift „vorzüglich bei Erkältung, Heiserkeit, Husten“ versehen gewesen seien, sei der Berufung somit in der Schuldfrage der Erfolg zu versagen gewesen.

Gegen den verurteilenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer behauptet unter anderem, daß die ihm von der belangten Behörde zum Vorwurf gemachte Aufschrift eine althergebrachte Bezeichnung im Sinne des § 9 Abs. 2 LMG 1975 sei und erachtet sich wie seinem Vorbringen zu entnehmen ist in seinem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 9 Abs. 1 LMG 1975 verbietet, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlank machende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken; auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen; gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.

Nach § 8 lit. f LMG 1975 gelten unter anderem Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe als falsch bezeichnet, wenn sie mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Gemäß § 74 Abs. 1 LMG 1975 macht sich unter anderem derjenige, der Lebensmittel oder Verzehrprodukte falsch bezeichnet oder Lebensmittel oder Verzehrprodukte, die falsch bezeichnet sind, in Verkehr bringt, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z. 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000, zu bestrafen.

Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. ist unter Inverkehrbringen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

§ 1 Abs. 1 VStG 1950 bestimmt, daß als Verwaltungsübertretung eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Nach § 44 a lit. a leg. cit. hat der Spruch (des Strafbescheides), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 23. März 1981, Zl. 10/1602/80, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird), gehört es zu den selbstverständlichen Grundsätzen jedes Strafverfahrens, daß die zur Last gelegte Tat (Handlung oder Unterlassung) so eindeutig umschrieben wird, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Täter bestraft worden ist.

Mit dem von der belangten Behörde aufrechterhaltenen Vorwurf, der Beschwerdeführer hätte falsch bezeichnete Packungen von Hustenbonbons „in Verkehr gebracht“, wurde aber nicht mit der gemäß § 44 a lit. a in Verbindung mit § 1 Abs. 1 VStG 1950 erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, welche Tat (Handlung oder Unterlassung) dem Beschwerdeführer als Verwaltungsübertretung zur Last gelegt worden ist, läßt sich doch jedenfalls aus dem Spruch des im Instanzenzug teilweise bestätigten Straferkenntnisses nicht erkennen, worin das „Inverkehrbringen“ bestanden haben bzw. durch welche Vorgangsweise dies geschehen sein soll (vgl. den obzitierten § 1 Abs. 2 LMG 1975).

Da die belangte Behörde, ohne dies zu beachten, das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz in Verkennung der Rechtslage teilweise bestätigt hat, hat sie somit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodaß der Bescheid im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 und gemäß § 39 Abs. 2 lit. d leg. cit. unter Absehen von der seitens der beschwerdeführenden Partei beantragten mündlichen Verhandlung aufzuheben war.

Bei dieser Sach und Rechtslage brauchte auf das Beschwerdevorbringen im übrigen nicht weiter eingegangen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981. Das auf den Ersatz von Umsatzsteuer und Barauslagen gerichtete Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers mußte abgewiesen werden, da einerseits neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden kann und andererseits Barauslagen beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden sind.

Wien, 15. März 1982

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