Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Eichler und die Hofräte Dr. Raschauer, Kobzina, Dr. Straßmann und Dr. Salcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Tintera, über die Beschwerde des FZ in K, vertreten durch Dr. Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien I, Stephansplatz 4, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für die Bundesgendarmerie, Senat III, vom 24. April 1975, RZ. 5/1975/DOK G, ONr. 24, betreffend die Entlassung aus dem Bundesdienst im Disziplinarweg, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Theo Petter, und des Vertreters der belangten Behörde, Gendarmerieoberst Dr. EB, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; hinsichtlich des Mehrbegehrens von S 240,-- Schriftsatzaufwand wird das Kostenersatzbegehren zurückgewiesen.
Die Disziplinarkommission beim Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich, Senat II, fällte gegen den Beschwerdeführer am 11. Februar 1975 zu R.Zl. 56/74, ONr. 102, nach mündlicher Verhandlung folgendes Erkenntnis:
„GRyi. FZ ist schuldig , seine Amts- und Standespflichten wie folgt verletzt zu haben:
1. Verursachte am 27. September 1972, gegen 19.00 Uhr außer Dienst und in Zivilkleidung als Lenker seines PKW N XXX auf der Dr. Gschmeidlerstraße in Krems a.d. Donau durch Streifen eines entgegenkommenden PKW einen Verkehrsunfall mit Sachschaden, beging Fahrerflucht und wurde deshalb mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Krems a.d. Donau vom 10. September 1973 mit einer Verwaltungsstrafe belegt. Der von ihm dagegen eingebrachten Berufung wurde vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung nur bezüglich der Bestrafung nach § 7 Abs. 2 StVO 1960 Folge gegeben, wogegen die Schuldsprüche nach § 4 Abs. 1 a und 5 StVO 1960 in Rechtskraft erwuchsen.
2. Trat den für 28. September 1972, von 06.00 - 18.00 Uhr geplanten Außendienst nicht an und meldete erst am Nachmittag des 30. September 1972 seiner Dienststelle die Gründe für sein Fernbleiben vom Dienst.
3. Verursachte am 31. März 1974, um 10.25 Uhr außer Dienst und in Zivilkleidung als Lenker seines PKW XXX auf der Schmelzgasse in Krems a.d. Donau durch Anfahren an einen geparkten PKW einen Verkehrsunfall mit Sachschaden und beging abermals Fahrerflucht.
Gegen die vom Magistrat der Stadt Krems a.d. Donau mit Straferkenntnis vom 25. Oktober 1974 über ihn verhängte Verwaltungsstrafe wegen Übertretung nach § 4 Abs. 1 a und 5 StVO 1960 brachte er die Berufung ein, der jedoch vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung keine Folge gegeben wurde, weshalb die Verwaltungsstrafe in Rechtskraft erwachsen ist.
4. Hat
a) am 25. Juni 1974 in der Zeit zwischen 14.00 und 19.00 Uhr anläßlich eines Ehezwistes in seiner Wohnung eine halbe Flasche Gin konsumiert;
b) anschließend ein Gasthaus aufgesucht und wieder alkoholische Getränke zu sich genommen;
c) gegen 22.00 Uhr nach dem Genuß eines Kaffees in der Wohnung seiner geschiedenen Gattin EZ in Begleitung seiner unmündigen Tochter R das Gasthaus H aufgesucht, neuerlich alkoholische Getränke konsumiert und seiner unmündigen Tochter entgegen den Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes den Aufenthalt im Gasthaus bis 23.00 Uhr ermöglicht;
d) sich anschließend in Begleitung des FK bis 04.00 Uhr des 26. Juni 1974 in Gast- und Kaffeehäusern sowie in einer Heurigenschenke aufgehalten und sich durch den weiteren Genuß alkoholischer Getränke in einen derartigen Rauschzustand versetzt, daß er beim Heimweg nicht nur den Gehsteig, sondern auch die Fahrbahn benützte und sich während des Gehens bei seinem Zechkumpanen stützen mußte, um nicht umzufallen;
e) während des Heimweges nach 04.00 Uhr vor dem Wohnhaus seiner geschiedenen Gattin EZ angehalten, diese durch Betätigen der Türklingel aufgeweckt und von ihr - als sie mit ihrer Tochter R von einem Gangfenster des 1. Stockes Nachschau hielt - Einlaß in die Wohnung und die Zubereitung von Kaffee begehrt. Als EZ dies ablehnte, beschimpfte er sie in lautem Tone und stieß die Drohung aus ‚falls in 5 Minuten nicht offen sei, trete er die Tür ein!‘ Während dieser Drohung hielt er seine Privatpistole in der Hand und machte außerdem die Bemerkung, daß er jemand erschießen werde;
f) gegen 04.20 Uhr den Anordnungen der verständigten Funkpatrouillenbesatzung des Gendarmeriepostenkommandos Krems/Stadt, die ihn so rasch als möglich den Augen des Publikums entziehen wollte, keine Folge geleistet, weswegen erst nach erfolgter Festnahme und Anwendung von Körperkraft sein Transport zum Posten durchgeführt werden konnte.
Er verschuldete dadurch, daß er vom Kreisgericht Krems wegen Vergehens nach § 523 (99) StG am 19. September 1974 zu 2 Monaten strengen Arrestes, verschärft durch 1 hartes Lager monatlich, bedingt auf 3 Jahre, rechtskräftig verurteilt und weiters über ihn vom Magistrat der Stadt Krems mit Straferkenntnis vom 28. Oktober 1974 wegen Übertretung nach Art. VIII/1 (c) EGVG ungebührliche Lärmerregung und Ordnungsstörung in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand - eine Geldstrafe von 500,-- S, im Nichteinbringungsfalle 5 Tage Arrest, verhängt wurde. Das Verwaltungsstraferkenntnis ist rechtskräftig;
g) am 25. und 26. Juni 1974 eine Pistole ‚Tokarev‘ mitgeführt, zu deren Besitz oder Führen er nicht berechtigt war, weswegen - obwohl die Staatsanwaltschaft Krems gemäß § 34/2 StPO von einer Strafverfolgung Abstand nahm, die Waffe mit Beschluß des Bezirksgerichtes Krems a.d. Donau vom 6. Dezember 1974 für verfallen erklärt wurde und sich der Magistrat der Stadt Krems veranlaßt sah, ein Verfahren zum Entzug des Waffenpasses bzw. der Waffenbesitzkarte einzuleiten.
5. Suchte während eines am 30. Mai 1974 um 20.00 Uhr angetretenen Dienstes als Kommandant einer Funkpatrouille gegen Mitternacht sowie am 31. Mai 1974 gegen 05.00 Uhr seine Wohnung in Krems a.d. Donau auf und trank dort beide Male Kaffee mit Kognac, wodurch er sich in einen derart alkoholbeeinträchtigten Zustand versetzte, daß er am 31. Mai 1974 nach 07.00 Uhr während der Überwachung eines Geldtransportes der Post am Bahnhof in Krems a.d. Donau vom Dienst abgezogen werden müßte.
GRyi, FZ hat dadurch mit Rücksicht auf die Art und Schwere der Verfehlungen ein Dienstvergehen begangen und es wird deshalb über ihn die Disziplinarstrafe der
Entlassung
verhängt.
Der Beschuldigte hat keine Verfahrenskosten zu ersetzen.“
Das Strafausmaß wurde in diesem Erkenntnis folgendermaßen begründet:
„Bei der Strafbemessung wurde als mildernd berücksichtigt:
1. Daß der Beschuldigte die Verfehlungen nicht aus böser Absicht, sondern aus Leichtsinn begangen hat;
2. daß er sein Verschulden freimütig und offen eingestanden hat;
3. daß er im Dienste sehr gut verwendbar war.
Als erschwerend wurde gewertet:
1. Der Grad der fachlichen Ausbildung des Beschuldigten;
2. die Größe des Schadens;
3. der Umfang der Schädigung des eigenen und des Ansehens der Bundesgendarmerie;
4. die Zahl der verletzten Pflichten;
5. die Begehung verschiedener Pflichtverletzungen;
6. die Wiederholung derselben Pflichtverletzungen;
7. das schlechte Beispiel, das er rangjüngeren Kollegen gegeben hat.
Bei der Beurteilung der Verfehlungen des Beschuldigten hat der Senat darauf Bedacht genommen, daß dieser bereits am 2. August 1971 (damals noch Angehöriger der ehemaligen Stadtpolizei Krems/Donau) außer Dienst und in Zivilkleidung als Lenker seines PKW einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursachte und Fahrerflucht beging. Dieser Verfehlung folgten noch zwei gleichgelagerte Fälle am 27. September 1972 und 31. März 1974. Daraus ist ersichtlich, daß selbst die tägliche Befassung mit dem Verkehrsgeschehen aus beruflicher Sicht den Beschuldigten nicht von seinem Fehlverhalten abhalten konnte.
In gleicher Weise negativ zu beurteilen ist das Verhalten des Beschuldigten am 28. September 1972, als er es unterließ, seine Dienststelle von der angeblichen Verhinderung durch Krankheit zu verständigen, obwohl ihm zwei Möglichkeiten (persönlicher Anruf oder durch seine Gattin) offen standen.
Bezeichnend für seine negative Dienstauffassung ist ferner der Umstand, daß er am 25. Juni 1974 wegen einer geringfügigen Verletzung eine Dienstbefreiung für die Zeit von 12.00 - 19.00 Uhr erbat, aber dennoch imstande war, am Abend und die Nacht hindurch Gasthäuser sowie ein Cafe aufzusuchen und Alkohol in übermäßigen Mengen zu konsumieren, wobei er sich noch unter Nichtbeachtung der Jugendschutzbestimmungen von seiner unmündigen Tochter begleiten ließ.
Ein Gendarmeriebeamte, der in regelmäßigen Abständen Verkehrsunfälle mit Sachschaden verursacht und Fahrerflucht begeht, sich betrinkt und dadurch Anlaß zur üblen Nachrede in der Bevölkerung gibt, besitzt nicht jene Voraussetzungen, die man von einem Exekutivbeamten im öffentlichen Interesse verlangen muß. Diese Ansicht wird auch durch den Bescheid des Magistrates der Stadt Krems/Donau vom 28. Jänner 1975 unterstrichen, mit dem dem Beschuldigten der Waffenpaß und die Waffenbesitzkarte entzogen und ihm die erforderliche Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Waffengesetz aberkannt wurde. Es ist bezeichnend, daß sich gerade die Dienstbehörde des Beschuldigten, nämlich der. Magistrat der Stadt Krems/Donau zu diesem Vorgehen gegenüber eine ihm unterstellten Organ entschließen mußte.
Dem von der Verteidigung ins Treffen gebrachten Argument, es handle sich um ein Dauerdelikt des Alkoholmißbrauches, kann der Senat deswegen nicht folgen, weil ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Verfehlungen nicht gegeben war. Auch der Versuch, eine mildere Beurteilung durch den Hinweis auf die erstmalige disziplinäre Behandlung zu erreichen, geht ins Leere, weil einerseits durch die wiederholten Verfehlungen des Beschuldigten eine Behandlung der einzelnen Tatbestände nicht möglich war und die wiederholte Abhandlung der disziplinären Verfehlungen im Endeffekt zum selben Strafausmaß geführt hätte.
Unter Berücksichtigung der ergangenen strengen Weisungen hinsichtlich der disziplinären Ahndung von Alkoholdelikten und der damit in der Regel verbundenen Beeinträchtigung des Standesansehens hat der Senat bei der Beurteilung des Schuldgehaltes der von GRyi. FZ gesetzten Verfehlungen seine weitere Belassung im Gendarmeriedienst für unverantwortlich und die verhängte Strafe für schuldangemessen erachtet. Zudem erscheint es unvorstellbar, eine Person, der für den privaten Bereich das Recht zum Besitz und Führen einer Faustfeuerwaffe aberkannt worden ist, weiterhin als bewaffnetes Exekutivorgan zu verwenden.“
Der Beschwerdeführer focht dieses Erkenntnis lediglich im Ausspruch über die Strafe an und führte dazu folgendes aus:
„Die Verfehlungen, derentwegen ich zu Recht verurteilt wurde, erstrecken sich über einen Zeitraum von 3 Jahren, wenn man auch jene hinzuzählt, die ich am 2. 8. 1971 noch als Angehöriger der ehemaligen Stadtpolizei Krems a.d. Donau begangen hatte.
Andererseits stellt die gegenständliche Verurteilung die erste dar, da ich bisher noch niemals in ein Disziplinarverfahren verwickelt war.
Entgegen der Auffassung der Disziplinarkommission beim Landesgendarmeriekommando für N.Ö., Senat 114 wie sie in der Begründung des bekämpften Erkenntnisses zu Tage tritt, wäre der Ablauf der Ereignisse sicher ein anderer gewesen, wenn die Dienstbehörde schon auf meine erste Verfehlung entsprechend strenge reagiert hätte.
Aus dem Akt geht hervor, daß meiner vorgesetzten Behörde bereits anläßlich meiner Überstellung von der Stadtpolizei Krems zur Gendarmerie bekannt war oder bekannt sein mußte, daß ich - zumindest außer Dienst - dem Alkohol übermäßig zusprach.
Gerade im Interesse der Wahrung des Standesansehens einerseits, andererseits aber auch in Ausübung einer gewissen Fürsorgepflicht der Dienstbehörde gegenüber dem einzelnen Beamten hätte man den ersten Vorfall zum Anlaß nehmen müssen, um mich vor die Alternative zu stellen, mich entweder einer Entziehungskur zu unterziehen oder aber den Dienst zu quittieren.
Dies ist nicht geschehen, vielmehr habe ich aus eigenem Antriebe eine erfolgreiche Entziehungskur erst dann - nämlich im Sommer 1974 - absolviert, als die alkoholbedingten Verfehlungen ihren Höhepunkt in dem Exzeß vom 26. 6. 1974 erreicht hatten.
Auch zu diesem Exzeß wäre es nicht mehr gekommen, wenn man mich wenigstens nach der Feststellung der Dienstunfähigkeit zufolge Alkoholisierung am 31. 5. 1974 außer Dienst gestellt hätte.
Meine Dienstbeschreibung und meine bisherige Laufbahn stehen - auch nach dem Akteninhalt und der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses - im krassen Widerspruch zu den nunmehr richtig festgestellten jahrelangen Verfehlungen, die in Wahrheit nur eine Ursache hatten, nämlich den übermäßigen Alkoholgenuß.
Es kann aber nun weder im Interesse der Dienstbehörde liegen, noch dem Unrechtsgehalt meines Verhaltens gerecht werden, wenn man mich ausgerechnet jetzt - nach Beendigung meiner Laufbahn als Alkoholiker - durch die Entlassung sozusagen in das Nichts stößt.
Das Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Entziehung des Waffenpasses, welches im übrigen noch gar nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, kann hiezu keineswegs ein genügender Anlaß sein.
Auch die Befürchtung, daß das Ansehen der Gendarmerie durch meinen weiteren Dienst in Uniform in Krems geschädigt werden könnte, läßt sich mit dem Hinweis widerlegen, daß es ja der Dienstbehörde freisteht, mich sofort nach meiner Wiederindienststellung von Krems weg zu versetzen.
Soweit die zivile Öffentlichkeit von meinen Verfehlungen überhaupt Kenntnis erlangt hat, bleibt diese Kenntnis auf das engere Stadtgebiet von Krems beschränkt.
Schon in Mautern, Gföhl oder Langenlois, wo sich überall Gendarmerieposten befinden - oder gar in St. Pölten - würde sich niemand daran stoßen, daß der ehemalige Alkoholiker FZ wiederum Gendarmeriedienst versieht, weil diese Person dort völlig unbekannt ist.
Angesichts meiner disziplinären Unbescholtenheit und meiner Sorgepflichten erscheint auch die in erster Instanz ausgesprochene Entlassung als viel zu harte Disziplinarstrafe.
Auch die Versetzung in den Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuß würde weder den öffentlichen Interessen noch meiner Persönlichkeit gerecht werden, da angesichts der erfolgreichen Entziehungskur in Kalksburg und des heilsamen Schocks dieses Verfahrens wohl anzunehmen ist, daß ich im Falle einer Wiederindienststellung nicht rückfällig werden würde.
Schuldangemessen wäre daher die Disziplinarstrafe der Ausschließung von der Vorrückung in höhere Bezüge und der Minderung des Diensteinkommens auf entsprechend angemessene Zeit.
Es würden in diesem Falle die Folgen des Disziplinarverfahrens noch lange heilsam auf mich nachwirken und mir insoferne einen moralischen Halt geben, als mir selbstverständlich bewußt ist, daß jede weitere - wenn auch noch so geringe -alkoholbedingte neuerliche Verfehlung unweigerlich zur Entlassung führen müßte.
Ich halte mich daher als unbescholtener und bisher pflichteifriger Beamter durchaus für würdig, daß man mir quasi durch eine bedingte Verurteilung jene Chance gibt, die die Kriminaljustiz heute auch jedem Erstverurteilten zuteil werden läßt.“
Er stellte den Antrag, den Ausspruch über die Strafe dahingehend abzuändern, daß anstatt der Entlassung die Disziplinarstrafen der Ausschließung von der Vorrückung in höhere Bezüge und der Minderung des Diensteinkommens auf angemessene Zeit verhängt würden.
Mit dem nun beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 24. April 1975 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Strafe abgewiesen und der Strafausspruch der ersten Instanz, lautend auf Entlassung, bestätigt. Dieser Bescheid wurde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges bezüglich der Angemessenheit der Strafe wie folgt begründet:
„Was die Schwere des Dienstvergehens, d.i. die Summe der dem Beschuldigten angelasteten Pflichtverletzungen, anbelangt; so war bei der Bestimmung der Strafe zu berücksichtigen, daß jede vom Beschuldigten gesetzte Pflichtverletzung für sich allein schon einen schweren Verstoß gegen die Amts- und Standespflichten darstellt. Ein im Exekutivdienst stehender Beamter, der für die Sicherheit und Ordnung vor allem im Straßenverkehr zu sorgen hat, der sich in wiederholten Fällen durch Fahrerflucht der Verantwortung für den von ihm verursachten Verkehrsunfall zu entziehen sucht, verletzt zweifellos auf das gröblichste die Pflichten eines Gendarmeriebeamten. Wenn nun derselbe Beamte neben diesen Fakten auch noch durch übermäßigen Alkoholgenuß in und außer Dienst Alkoholexzesse setzt, in weiterer Folge nach § 523 (99) StG gerichtlich bestraft wird, die Verwaltungsbehörde ihm den Waffenpaß und die Waffen-besitzkarte entzieht, weil sie auf Grund der begangenen Verwaltungsübertretungen im Zusammenhalt mit der gerichtlichen Verurteilung des Beschuldigten Grund zur Annahme hatte, daß er die Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde und daher nicht mehr als verläßlich im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz angesehen werden kann, so hat er das in ihn gesetzte Vertrauen, einem bewaffneten Exekutivkörper anzugehören, verwirkt. Nach § 1 des Gesetzes vom 27. 11. 1918 ist die Bundesgendarmerie ein uniformierter und bewaffneter Zivilwach-körper zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit. Der § 9 der GDI ordnet u. a. an, daß ein in den Dienst ausrückender. Gendarm vollkommen bewaffnet zu sein hat. Daraus ist einwandfrei zu folgern, daß ein exekutivdiensttauglicher Angehöriger der Gendarmerie die volle Eignung zum Führen einer Waffe besitzen muß. Diese Voraussetzungen sind beim Beschuldigten jedoch nicht mehr gegeben.
In diesem Zusammenhang ist auch noch auf den § 1 der Dienstpragmatik hinzuweisen, der unter anderem bestimmt:
‚(1) Als Beamter darf nur ... angestellt werden, der die volle Eignung zur Erfüllung seiner Dienstobliegenheiten besitzt‘ und ‚(3) Die besonderen Erfordernisse ... sind nach den für die einzelnen Dienstzweige ... geltenden Vorschriften zu beurteilen.‘
Der vom Beschuldigten gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Krems (Zl. I/1-Z-8/1974 vom 18. 1. 1975), mit welchem dem Beschuldigten die waffenrechtlichen Urkunden entzogen worden sind, eingebrachten Berufung wurde laut Mitteilung der Berufungsbehörde vom. 18. 4. 1975, Zl. Wa 119/75 (ONr. 21/II) keine Folge gegeben.
Somit kam der Senat nach gewissenhafter Prüfung aller Für und Wider zur Überzeugung, daß trotz der zweifellos vorhandenen Milderungsumstände (das offene und freimütige Geständnis, die erstmalige disziplinäre Behandlung, die sehr gute dienstliche Verwendbarkeit sowie die dem Beschuldigten obliegenden Sorgepflichten), die erschwerenden Umstände (die Größe des Schadens, vor allem in ideeller Hinsicht, die Schädigung des Standesansehens durch die erlittenen Verwaltungsstrafen, die gerichtliche Verfügung und gerichtliche Verurteilung, die Entziehung eines Waffenpasses und einer Waffenbesitzkarte, die Zahl der verletzten Pflic1iten, die Wiederholung derselben Pflichtverletzungen und das schlechte Beispiel, das er rangjüngeren Kameraden gegeben hat bei weitem überwiegen.
Der Senat ist weiters der Auffassung, daß niemand die Verantwortung für den Weiterverbleib des Beschuldigten in einem bewaffneten Wachekörper, wie es die Gendarmerie ist, tragen kann.
Die Einwände der Verteidigung der erstmaligen disziplinären Behandlung und der Sorgepflichten des Beschuldigten wurden als mildernd berücksichtigt. Dagegen konnte der Senat dem Einwand, daß bei der ersten Verfehlung des Beschuldigten ein strenges Einschreiten seitens seiner vorgesetzten Behörde die weiteren Fakten verhindert hätte, nicht folgen. Der Beschuldigte hatte bereits am 13. 10. 1972, also etwa 3 1/2 Monate nach seiner Überstellung zur Gendarmerie, Kenntnis, daß gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde (ONr. 14/1). Die vorliegenden Fakten reichten zu diesem Zeitpunkt zu einer Suspendierung vom Dienst nicht aus. Trotzdem ließ sich der Beschuldigte von weiteren Verfehlungen, wie sie im Schuldspruch enthalten sind, nicht abhalten, bis er schließlich auch vom Dienst suspendiert werden mußte. Erst zu diesem Zeitpunkt unterzog er sich einer Alkoholentwöhnungskur in Kalksburg (ONr. 99/1), die aber nicht zuverlässig die Gewähr bietet, daß er sich künftig wohlverhalten werde.
Aus all den angeführten Gründen kam der Senat nach reiflicher Überlegung zur Überzeugung, daß GRyi FZ nicht jene Voraussetzungen mehr besitzt, die von einem Exekutivbeamten im öffentlichen Interesse gefordert werden müssen.
Das Argument, daß er nach seiner Entwöhnungskur jetzt in das Nichts gestoßen werde, trifft nicht zu, weil ihm der Anspruch aus seiner Dienstzeit (Stadtpolizei, Bundesgendarmerie) nach dem ASVG gewahrt bleibt und er bis zur Erlangung eines neuen Berufes eine Überbrückungshilfe gemäß BG Nr. 174/63 bzw. im Hinblick auf seine Sorgepflichten für die Angehörigen einen Unterhaltsbeitrag gemäß § 49 Pensionsgesetz 1965 (BG Nr. 340/65) beantragen kann. Als relativ noch junger und gesunder Mensch müßte er in der Lage sein, sich eine neue Existenz in seinem erlernten Beruf oder einem sonstigen Berufszweig aufzubauen.
Eine strafweise Ruhestandsversetzung war in Anbetracht des Alters (36 Jahre) und der relativ kurzen Dienstzeit (17 Jahre) des Beschuldigten nicht in Erwägung zu ziehen.“
In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt, und zwar im wesentlichen mit folgender Begründung: Die Ursache der Verfehlungen, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren hingezogen hätten, sei ausschließlich im damaligen Alkoholmißbrauch des Beschwerdeführers zu suchen. Das angefochtene Erkenntnis stelle auch fest, daß der Beschwerdeführer erst nach dem Kulminationspunkt dieser Alkoholexzesse und nach seiner Suspendierung eine Alkoholentwöhnungskur in Kalksburg angetreten habe. Ungeachtet des aktenkundigen Umstandes, daß er nach diesem Zeitpunkt nie wieder als Alkoholiker in seiner Umgebung in Erscheinung getreten sei, was auch durch eingehende Erhebungen bestätigt worden sei, nehme die belangte Behörde nunmehr an, er biete nicht zuverlässig die Gewähr dafür, sich künftig wohl zu verhalten. Das Schwergewicht der Argumentation der belangten Behörde liege allerdings bei der Entziehung des Waffenpasses und der Waffenbesitzkarte durch die Verwaltungsbehörde, worin die belangte Behörde einen unlösbaren Widerspruch zur Verpflichtung des Waffentragens im Dienst sehe. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten habe der Beschwerdeführer aber niemals dienstlich seine Dienstwaffe mißbraucht. Auch die allgemeine Überlegung, daß keine Entziehungskur mit Sicherheit die Gewähr dafür biete, der Patient werde nicht rück-fällig werden, führe nicht zwangsläufig zur Entlassung eines sonst korrekten Beamten, der zeitweilig den Alkoholeinflüssen unterlegen sei, sich jedoch nachher einer 1ntwöhnungskur unterzogen habe. Überhaupt biete niemand zuverlässig die Gewähr dafür, daß er in der Zukunft niemals unter Alkoholeinfluß irgendeine Verfehlung begehen werde, weil dies in der menschlichen Natur begründet sei und schließlich auch Beamte mit menschlichen Schwächen behaftet seien. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde stünden daher öffentliche Interessen der Wiederverwendung des Beschwerdeführers nicht entgegen, weil ja schon durch eine Versetzung jeder äußere Zusammenhang mit seinem Vorleben für seine Umwelt unterbrochen werden könnte. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre daher nach Ansicht des Beschwerdeführers weder die Disziplinarstrafe der Entlassung noch die der strafweisen Ruhestandsversetzung, sondern lediglich der Ausschluß von der Vorrückung sowie die Minderung der Bezüge für angemessene Zeit schuldangemessen gewesen.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens die Abweisung der Beschwerde, dies im wesentlichen mit folgender Begründung: In den Erkenntnissen der ersten und der zweiten Instanz sei ausführlich dargelegt worden, warum der Beschwerdeführer für den Gendarmeriedienst nicht mehr tragbar und die Disziplinarstrafe der Entlassung schuldangemessen sei. Es könne zwar nicht widerlegt werden, daß der Beschwerdeführer nach der Alkoholentwöhnungskur nie wieder in seiner Umgebung als Alkoholiker in Erscheinung getreten sei, doch bestehe auch keine Gewähr dafür, daß er sich weiterhin wohl-verhalten werde. Aus einer diesbezüglichen Meldung des Bezirksgendarmeriekommandos Krems/Stadt könne weder auf ein positives noch auf ein negatives Verhalten des Beschwerdeführers eindeutig geschlossen werden. Durch seine Alkoholexzesse und den Mißbrauch einer Privatwaffe als besonders gravierende Umstände erscheine die Verläßlichkeit des Beschwerdeführers als Waffenträger und daher auch als Gendarmeriebeamter nicht mehr gegeben. Das Fehlen dieser Verläßlichkeit habe die Verwaltungsbehörde bewogen, ihm die waffenrechtlichen Urkunden zu entziehen. Es möge zutreffen, daß er seine Dienstwaffe nie dienstlich mißbraucht habe, doch sei dies nicht relevant, weil in bezug auf die Verläßlichkeit nicht zwischen Dienst- und Privatwaffe unterschieden werden könne. Der Exzeß sei nur deshalb mit der Privatwaffe erfolgt, weil der Beschwerdeführer sich außer Dienst befunden habe und die Dienstwaffe auf der Dienststelle verwahrt worden sei. Die Verläßlichkeit im Gebrauch einer Waffe aber müsse bei einem Exekutivbeamten als Angehörigen eines bewaffneten Wachkörpers in besonderem Maße vorliegen. An seinen moralischen und charakterlichen Eigenschaften würde auch eine Versetzung von Krems nichts ändern. Außerdem liege eine Vielzahl von Verfehlungen vor, welche schon für sich allein den Weiterverbleib des Beschwerdeführers in der Gendarmerie als untragbar erscheinen ließen und die Disziplinarstrafe der Entlassung rechtfertigten. Insbesondere werde auf die wiederholte Fahrerflucht des Beschwerdeführers nach Verkehrsunfällen hingewiesen. Überdies müsse nach dem langen Zeitraum der Verfehlungen eine Besserungsfähigkeit des Beschwerdeführers berechtigt in Zweifel gezogen werden, selbst wenn er sich nach seiner Suspendierung einer Alkoholentwöhnungskur unterzogen habe. Dem Beschwerdeführer sei die Einleitung disziplinärer Maßnahmen bekannt gewesen, die aber infolge der noch laufenden Verwaltungsverfahren nicht hätten weitergeführt werden können. Trotzdem seien weitere schwere Dienstvergehen begangen worden. Das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, wie es sich auf Grund des Schuldspruches präsentiere, rechtfertige die. Annahme, daß er nicht die für einen Gendarmeriebeamten erforderlichen charakterlichen und moralischen Eigenschaften erbringe. Unter all diesen Umständen sei es nicht zu verantworten, daß er weiterhin als Gendarmeriebeamter verwendet werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 93 Abs. 1 der Dienstpragmatik sind Disziplinarstrafen: a) Der Verweis, b) die Ausschließung von der Vorrückung in höhere Bezüge, c) die Minderung des Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage, d) die Versetzung in den Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuß, e) die Entlassung. Gemäß § 99 Abs. 1 der Dienstpragmatik ist bei Bestimmung der Disziplinarstrafe im einzelnen Fall auf die Schwere des Dienstvergehens und die daraus entstandenen Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte bisherige Verhalten des Beamten Rücksicht zu nehmen. Die Zuständigkeit der Disziplinarbehörden richtet sich gemäß § 103 Abs. 1 der Dienstpragmatik nach der dienstlichen Verwendung und der Stellung des Beamten im Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens, und zwar auch dann, wenn der Beschuldigte das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen in einem früheren, anders gearteten Bundesdienstverhältnis begangen hat. In Fällen letzterer Art ist das Vorhandensein und die Strafbarkeit des Dienstvergehens zunächst nach denjenigen Dienstvorschriften zu beurteilen, welchen der Beschuldigte zur Zeit der Begehung der pflichtwidrigen Handlung unterworfen war. Bei dem Erkenntnis ist jedoch auch die Eignung und die Vertrauenswürdigkeit des Beamten in Hinsicht auf die gegenwärtig bekleidete Stellung zu berücksichtigen.
Im vorliegenden Fall hat nun die belangte Behörde nach dem Wortlaut der Begründung des angefochtenen Bescheides zu einem wesentlichen Grade die Auswahl der Strafart, nämlich der Entlassung, davon abhängig gemacht, daß ihrer Auffassung nach der Beschwerdeführer nicht mehr jene Voraussetzungen besitze, die von einem Exekutivbeamten im öffentlichen Interesse gefordert werden müßten. Wenngleich aus der letzterwähnten Bestimmung des § 103 Abs. 1 dritter Satz der Dienstpragmatik gefolgert werden kann, daß die Eignung und Vertrauenswürdigkeit des Beamten bei der Auswahl der Strafart mitberücksichtigt werden dürfen, kann diese, vorwiegend eine Zuständigkeitsabgrenzung bezweckende Vorschrift nur im Rahmen der Grundsätze des § 99 Abs. 1 der Dienstpragmatik angewendet werden, dies allerdings nicht nur in jenen Fällen, in denen sich die Art des Dienstverhältnisses zwischen der Begehung der Tat und der Einleitung des Disziplinarverfahrens geändert hat (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1967, Zl. 1992/65, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird). Eine Berücksichtigung solcher Momente kann nur bei der Beurteilung der aus dem Dienstvergehen entstandenen Nachteile in Betracht kommen, welche neben der Schwere des Dienstvergehens, des Grades des Verschuldens und des gesamten bisherigen Verhaltens des Beamten bei Bestimmung der Disziplinarstrafe maßgebend sind. Es entspricht hingegen nicht dem Gesetz, bei der Bestimmung der Disziplinarstrafe dem öffentlichen Interesse am Ausscheiden eines Beamten aus dem Bundesdienst außerhalb des Rahmens der entstandenen Nachteil ein entscheidendes Gewicht beizumessen, wie dies die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides und auch nach den Ausführungen in der Gegenschrift offenbar getan hat. Daran kann nichts ändern, daß der Vertreter der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung von dieser Auffassung abrückte, weil der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof der angefochtene Bescheid, so wie er erlassen wurde, zugrunde zu legen ist.
Somit hat die belangte Behörde auf Grund einer unzutreffenden Rechtsauffassung den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt. Der angefochtene Bescheid war deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben. Damit ist es entbehrlich, auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975. Das Kostenmehrbegehren war zurückzuweisen, weil in der Beschwerde nur Schriftsatzaufwand von S 2.160,--geltend gemacht worden war.
Wien, am 4. Dezember 1975