JudikaturVwGH

1535/71 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 1972

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Leibrecht, Dr. Hrdlicka und Dr. Straßmann als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungskommissär Dr. Schuszter, über die Beschwerde der F R in W, vertreten durch Dr. Günther Rustler, Rechtsanwalt in Wien XV, Mariahilferstraße 196, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Mai 1971, Zl. MA 64 37/71/Str., betreffend die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung nach § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.030, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Auf Grund einer Anzeige des Wiener Magistrates Magistratsabteilung 36 vom 20. Juli 1970 wurde gegen die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Verwalterin des Hauses W, in Anwendung des § 47 VStG 1950 eine Strafverfügung erlassen. Mit dieser Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien Magistratisches Bezirksamt für den III. Wiener Gemeindebezirk wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, sie habe als Verwalterin des vorgenannten Hauses in der Zeit vom 15. Dezember 1969 bis zum 17. Juni 1970 insofern nicht für die Erhaltung dieser Baulichkeit im guten, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechenden Zustand Sorge getragen, als sie es ohne Veranlassung und Vorwissen der Miteigentümer unterlassen habe, die engen Rauchfänge I/4 und II/6 rauchdicht instandsetzen zu lassen. Darin sei, so heißt es im Spruch der Strafverfügung weiter, eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien gelegen. Wegen dieser als erwiesen angenommenen Verwaltungsübertretung wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von S 300, und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafe eine Arreststrafe in der Dauer von einem Tag verhängt. In dem dagegen rechtzeitig erhobenen und daher gemäß § 49 Abs. 3 VStG 1950 das Außerkrafttreten der Strafverfügung bewirkenden Einspruch rechtfertigte sich die Beschwerdeführerin wie folgt: Die Instandsetzung der engen Rauchfänge I/4 und II/6 sei ihr mit Bescheid des Magistrates vom 15. Dezember 1969 aufgetragen worden. Sie habe sofort einer (namentlich genannten) Firma den entsprechenden Auftrag erteilt; am 15. Jänner 1970 sei darüber Rechnung gelegt worden. Eine Ablichtung der Rechnung schloß die Beschwerdeführerin ihrem Einspruch an.

Am 1. Dezember 1970 leitete der Magistrat gegen die Beschwerdeführerin in Gestalt ihrer Vernehmung als Beschuldigte das ordentliche Strafverfahren ein; zur Last gelegt wurde der Beschwerdeführerin das in der Strafverfügung umschriebene Verhalten. Zur Rechtfertigung brachte die Beschwerdeführerin über das schon im Einspruch Gesagte hinaus vor, es sei ihr nicht zuzumuten, etwa noch nach Durchführung der Arbeiten durch eine fachkundige Firma vorhandene Mängel selbst festzustellen, weshalb sie kein Verschulden treffe. Mit Straferkenntnis des Magistrates vom 4. Jänner 1971 wurde die Beschwerdeführerin der ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretung unter Beibehaltung des in der Strafverfügung angenommenen Tatzeitraumes neuerlich für schuldig befunden und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 150, , für den Nichteinbringlichkeitsfall eine Arreststrafe in der Dauer von einem Tag, verhängt. Der Rechtfertigung der Beschwerdeführerin hielt die Behörde in der Bescheidbegründung im wesentlichen entgegen, um mangels Verschuldens straffrei zu bleiben, hätte die Beschwerdeführerin alles in ihren Kräften Stehende unternehmen müssen, um die vollständige Beseitigung der festgestellten Gebrechen zu erreichen. Dazu gehöre es auch, daß sich die Beschwerdeführerin selbst oder durch einen Angestellten von der tatsächlichen Beseitigung der Gebrechen zu überzeugen gehabt hätte. Auch durch Einholung eines Rauchfangbefundes des zuständigen Rauchfangkehrers hätte sich die Beschwerdeführerin Gewißheit über die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten verschaffen können. Den gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 nötigen Entlastungsbeweis habe die Beschwerdeführerin daher nicht erbracht. In tatsächlicher Hinsicht stützte sich die Behörde auf einen Bericht der Magistratsabteilung 36 vom 13. November 1970, demzufolge die engen Rauchfänge zwar zwischen den Kehrtürchen und den Wohnungen Nr. 4 und Nr. 6 instandgesetzt worden waren, die Undichtheiten zwischen Kehrtürchen und Mündung jedoch nach wie vor bestanden hatten.

In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, sie habe sich darauf verlassen, daß das von ihr beauftragte konzessionierte Fachunternehmen nach Durchführung der Reparatur überprüfen werde, ob die Rauchfänge nunmehr tatsächlich rauchdicht seien. Darauf habe sie umso eher vertrauen dürfen, als sie dieses Unternehmen seit etwa 15 Jahren beschäftige und bisher nie Reklamationen dieser Art aufgetreten seien. Erst durch den vorerwähnten Bericht der Magistratsabteilung 36 habe sie davon Kenntnis erlangt, daß (noch immer) Undichtheiten vorhanden seien. Auf ihre Reklamation hin seien auch diese Schäden. mittlerweile beseitigt worden. Daß sie nicht von vornherein einen „zusätzlichen“ Rauchfangbefund eingeholt habe, könne ihr nicht als Verschulden angerechnet werden. In Erledigung dieser Berufung erging der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid der Wiener Landesregierung vom 10. Mai 1971, mit welchem das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Abänderung bestätigt wurde, daß die als erwiesen angenommene Tatzeit mit dem Zeitraum zwischen 27. Dezember 1969 und 17. Juni 1970 festgelegt, die Strafe gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 auf S 130, , bei Uneinbringlichkeit 13 Stunden Arrest, herabgesetzt und der erstinstanzliche Kostenbeitrag entsprechend ermäßigt wurde. Zur Begründung wies die belangte Behörde zunächst auf die den Hauseigentümer oder den Hausverwalter an dessen Stelle treffende Überwachungspflicht hin und führte unter Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 8. Juni 1916, Zl. 981/59, und vom 1. April 1963, Zl. 2146/61, aus, daß die Beschwerdeführerin dann, wenn sie nicht selbst zur Erfüllung ihrer Überwachungspflicht in der Lage gewesen sei, durch andere Personen oder im Wege der Baupolizei hätte feststellen lassen können, ob die von den Professionisten genommenen Arbeiten tatsächlich zur Behebung der Baugebrechen geführt hätten. Erwiesen sei, daß die Baugebrechen am 17. Juni 1970 nicht behoben gewesen seien. Wenn also bis zu diesem Zeitpunkt, so heißt es in diesem Zusammenhang, Arbeiten durchgeführt worden seien, so hätten sie nicht zur Herstellung des dem § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien entsprechenden Zustandes geführt. Die Einschränkung des Tatzeitraumes begründete die belangte Behörde damit, daß der Beschwerdeführerin der Bauauftrag vom 15. Dezember 1969 erst am 27. desselben Monates zugestellt worden sei, ihr aber vorher das Vorhandensein von Baugebrechen nicht habe bekannt sein müssen.

Gegen diesen Bescheid ist die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde gerichtet. Der Verwaltungsgerichtshof hat über sie erwogen:

Die Beschwerdeführerin stellt das Vorliegen des objektiven Tatbestandes der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht in Abrede. Sie bestreitet jedoch, daß ihr ein Verschulden, und zwar auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit, zuzurechnen sei. Sie ist damit aus folgenden Erwägungen im Recht:

Die den Eigentümer eines Hauses bzw. dessen Verwalter anstelle des Eigentümers treffende Instandhaltungspflicht wird zwar, wie die belangte Behörde in der Bescheidbegründung sowie in der Gegenschrift zutreffend hervorgehoben hat, tatsächlich nicht schon dadurch erfüllt, daß Eigentümer oder Verwalter den Auftrag zur Beseitigung festgestellter Baugebrechen an ein Fachunternehmen einen befugten Gewerbetreibenden erteilen. Den gemäß § 5 VStG 1950 zu führenden und von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren auch angetretenen Nachweis ihrer Schuldlosigkeit durfte und mußte die belangte Behörde vielmehr nur dann als gelungen anerkennen, wenn die Beschwerdeführerin über die Auftragserteilung hinaus ihrer Überwachungspflicht nachgekommen war und den Beweis erbracht hatte, daß ihr auch in dieser Hinsicht keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Diese Überwachungspflicht geht indes und dies hat die belangte Behörde verkannt keineswegs so weit, daß der Eigentümer oder Verwalter jede Reparatur, die er an ein befugtes, sachlich erfahrenes und ihm als verläßlich bekanntes Unternehmen vergeben hat und über deren prompte Durchführung ihm ordnungsgemäß Rechnung gelegt worden ist, unter allen Umständen bei sonstiger Strafbarkeit entweder selbst auf ihre vollständige und wirksame Durchführung überprüfen oder aber, falls er hiezu nicht in der Lage ist, durch geeignete Personen oder durch die Baupolizei überprüfen lassen müßte. Ein solcher Inhalt ist dem hier in Rede stehenden Begriff der Überwachungspflicht auch nicht durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, und zwar auch nicht in seinem Erkenntnis vom 1. April 1963, Zl. 2146/61, die belangte Behörde hat sich in ihrer Gegenschrift auf dieses Erkenntnis berufen gegeben worden. In dem durch dieses Erkenntnis erledigten Beschwerdefall hatte es sich vielmehr nach dem Beschwerdevorbringen so verhalten, daß über den Umfang des Auftrages, der dem Gewerbetreibenden erteilt worden war, Mißverständnisse obwaltet hatten und der damalige Beschwerdeführer nur „angenommen“ hatte, das von ihm beauftragte Unternehmen werde neben anderen Reparaturen auch das Ausschleifen undichter Rauchfänge besorgen. Die „Vollzugsmeldung“ des Baumeisters, auf die sich der damalige Beschwerdeführer berufen und die sich offenbar ganz allgemein auf die Durchführung der dem Baumeister übertragenen Arbeiten erstreckt hatte, kann demnach mit der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Rechnung schon insofern nicht verglichen werden, als erstere nicht einmal die Behauptung der Behebung der Undichtheiten der Rauchfänge in sich geschlossen hatte. Die Beschwerdeführerin hatte demgegenüber nicht nur einen unmißverständlichen Auftrag erteilt, sondern auch vom Beauftragten konkret bescheinigt erhalten, daß er den Auftrag auch ausgeführt habe. Sie hatte ferner nach der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde bis zur Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens keinerlei Anhaltspunkte gehabt, auch nur zu vermuten, daß ihrem Auftrag nicht vollständig entsprochen sein könnte. Bei einem solchen Sachverhalt kann nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofes von einer Verletzung der Überwachungspflicht, gelegen darin, daß eine Nachprüfung der vom Gewerbetreibenden geleisteten Arbeiten in Gestalt der Einholung eines Rauchfangbefundes, einer Befragung der Mieter des Hauses oder einer Befassung der Baupolizei unterblieben ist, nicht die Rede sein; dies unbeschadet der den Beschuldigten im Sinne des § 5 VStG treffenden Beweislast. Daß aber die Beschwerdeführerin in der Lage gewesen wäre, bei dem Gegenstand der Instandsetzung (Beseitigung von Undichtheiten an Rauchfängen) sich durch eigenen bloßen Augenschein ohne fremde sachverständige Hilfe von der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten zu überzeugen, behauptet nicht einmal die belangte Behörde. Der Beschwerdeführerin ist daher entsprechend ihrer Behauptung zu Unrecht ein Verschulden angelastet worden, was ihre Bestrafung als mangels subjektiven Tatbestandes inhaltlich rechtswidrig erkennen läßt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4.

Wien, 28. Februar 1972

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