Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Penzinger und die Hofräte Dr. Hinterauer, Dr. Knoll, Dr. Leibrecht und Dr. Schima als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungskommissär Dr. Schuszter, über die Beschwerde des VW, des AZ, des FK in F, des JF, des AT, des JR, des GM, des JT und des HM in N, alle vertreten durch Dr. Anton Gradischnig und Dr. Peter Gradschnig, Rechtsanwälte in Villach, Moritschstraße 7, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. April 1971, Zl. Landw. 116/6/71 (mitbeteiligte Partei: Jagdgesellschaft F, vertreten durch Dr. Viktor Michitsch, Rechtsanwalt in Villach, Postgasse 2/1), betreffend freihändige Verpachtung einer Gemeindejagd, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 1.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Die Bezirkshauptmannschaft Villach genehmigte mit Bescheid vom 3. Dezember 1970 gemäß § 25 Abs. 3 und 4 des Kärntner Jagdgesetzes 1961, LGBl. Nr. 54, in der Fassung des Gesetzes vom 28. Oktober 1969, LGBl. Nr. 11/1970 (kurz: Jagdgesetz), den vom Gemeinderat der Gemeinde F einvernehmlich mit dem Jagdverwaltungsbeitrat gefaßten Beschluß auf freihändige Verpachtung der Gemeindejagd F für die kommende, vom 1. April 1971 bis 31. März 1981 reichende Jagdpachtperiode an die „Jagdgesellschaft F“ unter dem Obmann FK zu einem Jahrespachtschilling von S 4,-- je ha. Gleichzeitig wies die Bezirkshauptmannschaft Villach die gegen diesen Beschluß von 19 Grundeigentümern - darunter den Beschwerdeführern - im Bereiche des Gemeindejagdgebietes vorgebrachten Einwendungen zurück. Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer Berufung ein.
Mit dem Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. April 1971 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 3. Dezember 1970 bestätigt. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt:
„Nach § 16 des Jagdgesetzes ist das Jagdrecht der Eigentümer der Grundstücke, die ein Gemeindejagdgebiet bilden, durch die Gemeinde als Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich (§ 10 Abs. 3 der Allgemeinen Gemeindeordnung LGBl. Nr. 1/1966) auszuüben. Zur Verwertung der Gemeindejagd ist daher der Gemeinderat als das nach der Gemeindeordnung zuständige Organ berufen, der gemäß § 17 Abs. 1 des Jagdgesetzes im Einvernehmen mit dem zuständigen Jagdverwaltungsbeirat vorzugehen hat. Diesen Organen obliegt die Beschlußfassung über die Verwertung der Gemeindejagd. Wie aus der bezüglichen Niederschrift des Gemeinderates vom 6. April 1970 hervorgeht, wurde die Frage der Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern besprochen und vom Bürgermeister die Erklärung abgegeben, daß er sich in dieser Angelegenheit nicht als befangen fühle, da er nicht mehr Mitglied der Jagdgesellschaft sei. Hiezu muß auf § 40 der Allgemeinen Gemeindeordnung verwiesen werden, der die Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern regelt. Nach der Allgemeinen Gemeindeordnung ist ein unter Mitwirkung befangener Organe zustande gekommener Beschluß nicht mit Rechtsunwirksamkeit oder Nichtigkeit bedroht, wie z. B. ein Beschluß, welcher nicht unter Vorsitz des Bürgermeisters oder seines Stellvertreters zustande kam oder der von einem beschlußunfähigen Gemeinderat gefaßt wurde oder für den nicht die erforderliche Mehrheit gestimmt hat § 36 Abs. 4 Allgemeine Gemeindeordnung in Verbindung mit § 36 Abs. 3, §§ 38 und 39 Allgemeine Gemeindeordnung). Im besonderen bestimmt § 40 Abs. 2 Allgemeine Gemeindeordnung, daß die Entscheidung über die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der die volle Unbefangenheit eines Gemeindeorganes in Zweifel zieht, im Streitfalle der Gemeinderat trifft. Eine solche Entscheidung hat der Gemeinderat der Gemeinde Feistritz/Gail in seiner Sitzung vom 4. Februar 1971 getroffen. Er stellte hiebei fest, daß eine Befangenheit des Bürgermeisters L anläßlich der Behandlung des die Jagdvergabe betreffenden Tagesordnungspunktes der Gemeinderatssitzung vom 6. April 1970 nach § 40 Abs. 1 und 2 Allgemeine Gemeindeordnung nicht vorlag. Aus den gleichen Gründen schien auch eine Befangenheit des Bürgermeisters L wegen persönlicher Differenzen mit dem bisherigen Jagdpächter nicht gegeben. Wie aus den gutachtlichen Stellungnahmen der Bezirksbauernkammer Villach und der Bezirksgruppe Villach der Kärntner Jägerschaft hiezu hervorgeht, ist die beschlossene Jagdverpachtung als im Interesse eines geordneten Jagdwesens gelegen zu bezeichnen, die den Interessen der Land- und Forstwirtschaft nicht widerstreitet. Wenn die Berufungswerber in der zu einem Pachtzins von S 4,-- beschlossenen Jagdverpachtung eine Beeinträchtigung der Interessen der Land- und Forstwirtschaft erblicken, weil der bisherige Jagdpächter einen Pachtzins von S 10,-- geboten hat, wird darauf verwiesen, daß der Behörde eine Einflußnahme auf die Bestimmung der Höhe des Pachtschillings nicht zusteht. Wie die Gemeinde F bekanntgab, habe sie sie sich bei Festsetzung des Pachtschillings mit je S 4,-- ha die vergleichbaren Nachbargemeinden des Bezirkes Villach gehalten, weshalb dieser Pachtschilling als ortsüblich zu bezeichnen sei. Auch die Bezirksgruppe Villach der Kärntner Jägerschaft bezeichnete in ihrem Gutachten diesen Pachtschilling als angemessen, weil er seiner Höhe nach den Nachbarrevieren angepaßt und im Hinblick auf den geringen Rotwildbestand gerechtfertigt wäre. Es wurde von den Berufungswerbern auch nicht behauptet, daß der beschlossene Pachtschilling in einem Mißverhältnis zum Werte der Jagd stünde. Wenn daher der Gemeinderat und der Jagdverwaltungsbeirat als die nach dem Jagdgesetz zur Verwertung der Gemeindejagd zuständigen Organe zu einem solchen Entschluß gekommen sind, bestand für die Verwaltungsbehörde keine Veranlassung, aus der Tatsache, daß in anderen Nachbarjagden etwa von nicht ortsansässigen Pächtern ein höherer Pachtschilling tatsächlich bezahlt oder von einer Person (selbst wenn dieselbe bisher Pächter der fraglichen Jagd gewesen sein sollte) ein höherer Pachtzins geboten wird, die beschlossene Verpachtung aus diesen angeführten Gründen als unzulässig zu befinden.“
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat über sie erwogen:
Die Beschwerdeführer behaupten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides mit dem Hinweis, daß weder ein wirksamer Beschluß des Gemeinderates noch ein solcher des Jagdverwaltungsbeirates vorliege, weil in beiden Organen der Bürgermeister als Vorsitzender mitgewirkt habe, der einerseits wegen persönlicher Differenzen mit dem bisherigen Jagdpächter und neuerlichen Pachtwerber K sowie andererseits infolge seiner persönlichen Mitgliedschaft beim Jagdverein „Jagdgesellschaft F“ als befangen zu bezeichnen sei. Beide Beschlüsse seien deshalb nichtig und der sich auf diese Beschlüsse stützende Berufungsbescheid aus diesem Grunde rechtswidrig.
Nach § 4 Abs. 2 Jagdgesetz ist zur Ausübung des Jagdrechtes auf einem Gemeindejagdgebiet die Gemeinde berechtigt, welche nach § 17 Abs. 1 Jagdgesetz im Einvernehmen mit dem Jagdverwaltungsbeirat vorzugehen hat. Gemäß § 25 Abs. 1 Jagdgesetz beschließt die Verpachtung einer Gemeindejagd aus freier Hand das nach der Gemeindeordnung zuständige Organ. Für die Frage der Gesetzmäßigkeit solcher Beschlüsse ist daher auch die Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 1/1966, heranzuziehen. Nach § 40 Abs. 1 dieser Gemeindeordnung ist ein Mitglied des Gemeinderates befangen und darf an der Beratung und Beschlußfassung nicht teilnehmen:
1. in Sachen, in denen es selbst, der andere Eheteil, ein Verwandter oder Verschwägerter in auf- oder absteigender Linie, ein Geschwisterkind oder eine noch näher verwandte oder im gleichen Grade verschwägerte Person beteiligt ist;
2. in Sachen seiner Wahl- oder Pflegeeltern, Wahl- oder Pflegekinder, seines Mündels oder Pflegebefohlenen;
3. in Sachen, in denen es als Bevollmächtigter einer Partei bestellt war oder noch bestellt ist;
4. wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle entscheidet im Zweifelsfalle der Gemeinderat, ob ein wichtiger Grund im Sinne des Abs. 1 Z. 4 vorliegt.
Dazu hat die belangte Behörde festgestellt, daß der Bürgermeister AL im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die freihändige Verpachtung am 6. April 1970 nicht mehr Mitglied der Jagdgesellschaft F war, sodaß er an dieser Sache nach § 40 Abs. 1 Z. 1 Gemeindeordnung nicht mehr beteiligt gewesen sei. Wenn die Beschwerdeführer dies bestreiten, so befinden sie sich mit der Aktenlage (Schreiben der Jagdgesellschaft F vom 18. Jänner 1971 an das Gemeindeamt F) im Widerspruch, wonach AL am 23. März 1970 schriftlich seinen Austritt aus der Jagdgesellschaft bekanntgegeben hat.
Die Beschwerdeführer behaupten aber weiters, daß Bürgermeister AL auch im Sinne des § 40 Abs. 1 Z. 4 Allgemeine Gemeindeordnung befangen gewesen sei und bei der Abstimmung über die Vergabe der Gemeindejagd am 6. April 1970 nicht hätte mitstimmen dürfen. Sie brachten dazu bereits in ihrer Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 3. Dezember 1970 vor:
„Der Bürgermeister der Gemeinde F und Vorsitzender des Jagdverwaltungsbeirates hat mit dem letzten Jagdpächter WK seit Jahren Auseinandersetzungen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Bürgermeisters bei der Entscheidung einer Rechtssache, die auch WK betrifft, in Zweifel zu ziehen. Da WK den Antrag auf freihändige Verpachtung der Gemeindejagd gestellt hat und sohin in den Sitzungen vom 6. 4. 1970 im Gemeinderat und vom 2. 4. 1970 im Jagverwaltungsbeirat über dessen Antrag abgestimmt werden mußte, hätte sich der Bürgermeister in beiden Sitzungen der Stimme enthalten müssen.“
Die belangte Behörde begnügte sich hiezu mit einem Hinweis auf die nach§ 40 Abs. 2 Allgemeine Gemeindeordnung getroffene Entscheidung des Gemeinderates F vom 4. Februar 1971, offenbar aus der irrigen Rechtsanschauung, daß damit über die Befangenheit des Bürgermeisters bindend und endgültig entschieden worden sei. Sie unterzog daher auch diese Entscheidung in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht keiner Überprüfung, wie ihr dies auch in solcher Richtung im § 25 Abs. 3 Jagdgesetz aufgetragen erscheint. Auch mit der aktenkundigen Tatsache, daß der Gemeinderat bereits in seiner Sitzung vom 14. Oktober 1969 unter dem Vorsitz des Bürgermeisters L eine Vorbesprechung über die freihändige Verpachtung der Jagd an die F Jagdgesellschaft abgehalten hat, hat sich die belangte Behörde nicht weiter auseinandergesetzt. Damit erscheint der angefochtene Bescheid in der Richtung der Befangenheit des Bürgermeisters nach § 40 Abs. 1 Z. 4 Allgemeine Gemeindeordnung nicht nur mit Verfahrensmängeln, sondern auch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Die Beschwerdeführer machen weiters geltend, der frühere Pächter und neue Pachtwerber WK habe einen Pachtschilling von S 10,-- pro ha geboten, welcher für die Grundeigentümer vorteilhafter als der vereinbarte Pachtschilling von S 4,-- pro ha sei.
Nach § 18 Abs. 1 Jagdgesetz ist die Gemeindejagd freihändig zu verpachten oder öffentlich zu versteigern. Beide Verwertungsarten sind vom Gesetz gleichgestellt. Nur bei der öffentlichen Versteigerung ist nach § 18 Abs. 2 Jagdgesetz die Jagd an den Meistbieter zu verpachten, während bei der freihändigen Verpachtung andere Bestimmungen, nämlich die des § 25 Jagdgesetz gelten. Hinsichtlich der im § 25 angeführten Interessen ist zu bemerken, daß das Fehlen eines Widerstreites gegen die Interessen der Land- und Forstwirtschaft im gegenständlichen Fall von der belangten Behörde auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere durch den Vergleich mit den Pachtzinsen anderer Gemeindejagden und auf Grund der Stellungnahmen des Jagdverwaltungsbeirates F, der Bezirksbauernkammer Villach und der Bezirksgruppe Villach der Kärntner Jägerschaft unbedenklich festgestellt werden konnte. Wenn aber die Behörde dies mit Recht annehmen konnte, dann kommt dem Beschwerdevorbringen bezüglich der Höhe des Pachtschillings keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1956, Slg. N. F. Nr. 3977/A, u. a.).
Der angefochtene Bescheid war indes aus den oben dargestellten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz an die Beschwerdeführer gründet sich auf die §§ 48 Abs. 1 lit. a und b und 53 VwGG 1965 sowie Art. I Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965, die Abweisung des Mehrbegehrens auf § 58 VwGG 1965.
Wien, am 25. Februar 1972