JudikaturVwGH

1619/68 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 1969

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Naderer und die Hofräte des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Härtel, Dr. Hinterauer, Dr. Knoll und Dr. Zach als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bily, über die Beschwerde der JL in W, vertreten durch Dr. Ignaz Brandstetter, Rechtsanwalt in Wien I, Herrengasse 5, gegen den Beschluß des Wiener Stadtsenates vom 29. Oktober 1968, Pr. Zl. 3012, der Beschwerdeführerin mitgeteilt mit Bescheid der Magistratsabteilung 2 vom 31. Oktober 1968, Zl. MA 2 a/13/139/68, betreffend Versorgungsgenuß einer früheren Ehefrau, nach der am 19. Juni 1969 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Erriet Alfred Palitzer, und des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsoberkommissärs Dr. KM, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Ehe der Beschwerdeführerin mit Oberstadtphysikus Dr. EL wurde mit Urteil des Landgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. Oktober 1938 aus dem alleinigen Verschulden des Dr. EL geschieden. In dem am gleichen Tag für den Fall der rechtskräftigen Ehescheidung abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich verpflichtete sich Dr. EL zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 200 RM an die Beschwerdeführerin. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vorn 7. März 1955, 38 C 310/54, wurde Dr. EL schuldig erkannt, der Beschwerdeführerin an Stelle des im Vergleich vom 24. Oktober 1938 vereinbarten monatlichen Unterhaltsbeitrages von 200 RM bzw. des zuletzt freiwillig geleisteten Unterhaltes von monatlich S 850,-- ab 25. März 1954 einen solchen von monatlich S 985,-- zu leisten. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, in welcher Weise das Gericht den Betrag von S 985,-- ermittelte.

Nachdem Dr. EL am 5. Juli 1968 gestorben war, stellte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsfreund am 17. Juli 1968 an den Magistrat der Stadt Wien den Antrag auf Zahlung einer Witwenpension. In dem Antrag brachte sie vor, im Sinne des Urteils des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 7. März 1955 seien die jeweiligen von Dr. EL zu zahlenden Unterhaltsbeiträge erhöht worden. Zuletzt habe Dr. EL. seit 1. August 1967 monatlich S 1854,-- geleistet. Diese Behauptung belegte die Beschwerdeführerin durch Vorlage von zehn Postanweisungsabschnitten; der erste mit Poststempel vom 30. September 1967, der letzte mit Poststempel vom 29. Mai 1968, auf denen als Einzahler von je S 1854,-- Dr. EL angegeben erscheint.

Mit Bescheid vom 20. September 1968 stellte sodann der Magistrat der Stadt Wien fest, daß der Beschwerdeführerin gemäß § 19 der Pensionsordnung 1966 ab 1. August 1968 ein Versorgungsgenuß von monatlich S 985,-- gebührt. Die Höhe des Versorgungsgenusses wurde damit begründet, daß die Beschwerdeführerin bis zum Tode des Dr. EL auf Grund des Urteils des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. März 1955 gegen Dr. EL Anspruch auf Alimentationsleistungen gehabt habe, die ab 25. März 1955 monatlich S 985,-- betragen hätten, und eine „rechtsgültige Abänderung des Urteils“ nicht erfolgt sei. Dieser Ansicht setzte die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung die Behauptung entgegen, sie habe nach dem erwähnten Urteil in Anbetracht der Änderung der Lebenshaltungskosten und der Steigerung der Bezüge des Verpflichteten jeweils brieflich die Erhöhung der zu zahlenden Unterhaltsbeträge gefordert und Dr. EL habe daraufhin die Unterhaltsleistungen erhöht und habe „zuletzt auf Grund des Schreibens vom 4. August 1967 einen Unterhalt von S 1.854,-- seit 1. August 1967 bezahlt. Damit sei eine Erhöhung der gerichtlich vereinbarten bzw. zugesprochenen Unterhaltsbeträge gleich einer Wertsicherung vorgenommen worden“.

Über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Magistrates vom 20. September 1968 entschied der Wiener Stadtsenat in seiner Sitzung vom 29. Oktober 1968 dahin, daß die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen und der Bescheid des Magistrates bestätigt wurde. Die Beschwerdeführerin beantragt, diesen ihr mit Bescheid des Magistrates vom 31. Oktober 1968 mitgeteilten Beschluß wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Rechtsgrundlage für den Versorgungsbezug der Beschwerdeführerin bildet § 19 der Pensionsordnung 1966 (PO 1966), LGBl. für Wien Nr. 19/1967. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle gelten die Bestimmungen über den Anspruch auf Witwenversorgung und über das Ausmaß der Witwenversorgung - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen -, soweit im § 19 der Pensionsordnung 1966 nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für die frühere Ehefrau des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seiner früheren Ehefrau aufzukommen oder dazu beizutragen hatte. Das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. März 1955 stellt einen derartigen Rechtstitel dar. Mit diesem Urteil wurde der frühere Gatte der Beschwerdeführerin verpflichtet, an sie einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 985,-- zu leisten. Gemäß § 19 Abs. 4 der Wiener Pensionsordnung 1966 darf der Versorgungsbezug die Unterhaltsleistung nicht übersteigen; auf die die frühere Ehefrau gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag-Anspruch gehabt hat. Die Beschwerdeführerin behauptet, einen rechtswirksamen Anspruch auf eine Unterhaltsleistung von monatlich S 1.854,-- besessen zu haben, auf welchen Betrag der mit dem erwähnten Urteil festgesetzte Unterhalt im August 1967 durch Vereinbarung mit Dr. EL erhöht worden sei. Mit der Erhöhung von Unterhaltsleistungen befaßt sich der Abs. 6. des § 19 der Pensionsordnung 1966 Nach dieser Gesetzesstelle ist eine Erhöhung der. Unterhaltsleistungen durch gerichtlichen Vergleich oder durch schriftlichen Vertrag unbeachtlich, wenn zwischen dem Abschluß des Vergleiches oder des Vertrages und dem Sterbetag des Beamten nicht mindestens ein Jahr vergangen ist.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Beschwerdeführerin zur Stützung ihrer Ansicht, ihr gebühre ein Versorgungsgenuß in der Höhe jenes Unterhaltsbetrages, den ihr Dr. EL auf ihr am 4. August 1967 brieflich gestelltes Erhöhungsbegehren hin bis zu seinem Sterbetag geleistet hat (S 1.854,--), auf den Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 16. Jänner 1968, 4 Ob 96/67, hingewiesen. In diesem Beschluß hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, aus der Bestimmung des § 19 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 30/1965, sei nicht zu entnehmen, daß eine Erhöhung des erstmalig in der vorgeschriebenen, Form festgesetzten Unterhaltsbetrages nur durch gerichtliches Urteil ausgesprochen, durch gerichtlichen Vergleich oder schriftlichen Vertrag vereinbart werden könne. Die von dieser Gesetzesstelle geforderte Form der Schriftlichkeit der Vereinbarung beziehe sich nur auf die erstmalige Unterhaltsvereinbarung; aus § 19 Abs. 6 PG 1965 ergebe sich nur, daß die Erhöhung unbeachtlich sein soll, wenn sie innerhalb des letzten Lebensjahres des Beamten vereinbart worden ist, selbst dann, wenn dies unter Einhaltung der der Beweiswürdigung dienenden Form des § 19 Abs. 1 PG 1965 geschah. Es sei - führt der Oberste Gerichtshof weiter aus - verständlich, daß der Gesetzgeber für die erste Begründung des Unterhaltsanspruches besondere Formerfordernisse aufgestellt hat. Die Sicherung der Beweisgrundlage erfordere diese Vorsichtsmaßnahme. Einen anderen Zweck verfolge aber die Bestimmung des § 19 Abs. 6 PG 1965. Durch sie solle verhindert werden, daß etwa im Fall einer schweren Erkrankung oder einer Todeskrankheit des Angestellten der früheren Ehefrau durch eine nur dem Parteiwillen unterliegende Vereinbarung ein höherer Pensionsanspruch verschafft werde als jenen, der ihr auf Grund. der bisherigen Rechtslage zugekommen wäre. Es sei die Absicht des Gesetzgebers gewesen, die die früheren Ehefrauen treffende Härte zu beseitigen, die bisher keinen Pensionsanspruch nach ihrem verstorbenen Mann hatten, obwohl sie ihm gegenüber bis zum Tod einen Unterhaltsanspruch besessen hatten. Die unterhaltsberechtigte frühere Ehefrau sollte durch den Tod des geschiedenen Mannes in ihrer Lebenshaltung keine Veränderung erfahren. Es könne daher nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, diesen von ihm angestrebten Erfolg mehr oder weniger dem Zufall zu überlassen, nämlich ob sich die Ehefrau,-deren Anspruch in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form begründet war, die Erhöhung der den Lebenserfordernissen nicht mehr entsprechenden Unterhaltsleistungen hatte schriftlich geben oder nur mündlich versprechen lassen.

Im Hinblick darauf, daß § 19 der Pensionsordnung 1966 mit § 19 des Pensionsgesetzes 1965 völlig übereinstimmt, erscheint die Auslegung des § 19 PG 1965 durch den Obersten Gerichtshof auch für die Auslegung des § 19 PO 1966 bedeutsam. Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch aus folgenden Gründen dieser Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes nicht zu folgen: Wenn der Oberste Gerichtshof - zu Recht - vermeint, die Sicherung der Beweisgrundlage erfordere für die erste Begründung des. Unterhaltsanspruches die Normierung von Formerfordernissen, so ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die gleiche Notwendigkeit auch für eine Erhöhung der Unterhaltleistungen gegeben. Wäre die Auffassung des Obersten Gerichtshofes richtig, daß bei der Bemessung des Versorgungsbezuges der früheren Ehefrau außer einer Erhöhung der Unterhaltsleistungen durch gerichtliches Urteil und durch gerichtlichen Vergleich auch eine Erhöhung durch Vertrag ohne Rücksicht auf seine Form grundsätzlich zu beachten sei, dann wäre die Bestimmung des § 19 Abs. 6 PG 1965 (§ 19. Abs. 6 PO 1966) unverständlich, wonach eine Erhöhung durch gerichtlichen Vergleich oder durch schriftlichen Vertrag nicht zu beachten ist, wenn zwischen dem Abschluß des Vergleiches oder des Vertrages nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. Müßte doch, Sofern diese Einschränkung auch für ansonsten beachtliche Unterhaltserhöhungen durch mündlichen Vertrag gelten soll, die Bestimmung lauten: „Eine Erhöhung der Unterhaltsleistung durch gerichtlichen Vergleich oder durch Vertrag ist unbeachtlich, wenn ... .“ Da aber § 19 Abs. 6 leg. cit. der dort normierten Einschränkung nur schriftliche Verträge unterwirft und es widersinnig wäre, anzunehmen, daß zwar schriftlich vereinbarte Unterhaltserhöhungen unbeachtlich seien, wenn zwischen. Vertragsabschluß und dem Sterbetag des Beamten nicht mindestens ein Jahr vergangen ist, nicht aber auch innerhalb der genannten Frist mündlich vereinbarte Unterhaltserhöhungen, kann aus § 19 Abs. 6 PG 1965 (§ 19 Abs. 6 PO 1966) nur der Schluß gezogen werden, daß Unterhaltserhöhungen, die - wann immer - nicht in Schriftform vereinbart wurden, bei der Bemessung des Versorgungsbezuges der früheren Ehefrau unbeachtlich sind.

Es versagt aber auch das weitere Argument, dem der Oberste Gerichtshof für die Auslegung des § 19 Abs. 6 PG 1965 Bedeutung beimaß. Es ist wohl richtig, daß der Regelung des § 19 PG 1965 wie auch der völlig gleichen Regelung des § 19 PO 1966 die Absicht des Gesetzgebers zugrunde liegt, die Härte zu beseitigen, diedarin gelegen war, daß der früheren Ehefrau eines. Beamten bisher gegen den öffentlich-rechtlichem Dienstgeber kein Versorgungsanspruch nach dem Tode des Beamten zustand, obwohl dieser ihr bis zu seinem Tode Unterhalt geleistet hatte. Doch wurde durch die neuen Pensionsgesetze nicht allen diesen früheren Ehefrauen ein Versorgungsanspruch eingeräumt, sondern nur jenen, deren Unterhaltsanspruch erstmalig auf die im § 19 Abs. 1 PG 1965 (§ 19 Abs. 1 PO 1966) bezeichnete Art begründet wurde. Wenn es der Gesetzgeber sonach für richtig erachtete, die früheren Ehefrauen, die sich eine Unterhaltsleistung erstmalig nur mündlich oder, wenngleich schriftlich, erst nach der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe hatten versprechen lassen, von jedwedem Anspruch auf einen Versorgungsbezug auszuschließen, kann nicht mit Fug behauptet werden, es sei ihm nicht zumutbar, den mit der Regelung des § 19 leg. cit. angestrebten Erfolg „mehr oder weniger dem Zufall zu überlassen, ob sich die Ehefrau die Erhöhung der Unterhaltsleistungen schriftlich geben oder nur mündlich versprechen ließ“.

Ist aber, wie ausgeführt, nach dem Gesetz eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen durch mündlichen Vertrag oder durch konkludente Handlungen nicht zu berücksichtigen, dann sind alle nach dem oben angeführten Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. März 1955 erfolgten Erhöhungen der Unterhaltsleistungen des Dr. EL an die Beschwerdeführerin bei der Bemessung ihres Versorgungsbezuges unbeachtlich, weil sie nicht schriftlich vereinbart wurden. Liegt doch eine schriftliche Vereinbarung nur dann vor, wenn Anbot und Annahme in Schriftform erfolgen (§ 886 ABGB). Nach der Darstellung der Beschwerdeführerin kamen aber alle Unterhaltserhöhungen so zustande, daß Dr. EL in die von der Beschwerdeführerin. begehrten Erhöhungen in der Form einwilligte, daß er die jeweils brieflich verlangten Beträge zählte.

Auf einen Versorgungsbezug von S 1.854,-- hätte übrigensdie Beschwerdeführerin selbst dann keinen Anspruch, wenn man bei der Auslegung des § 19 Abs. 6 PO 1966 der Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes folgen wollte, weil, wie die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in der Berufung gegen den Bescheid der ersten Instanz die Erhöhung der Unterhaltsleistung auf dengenannten Betrag am 4. August 1967 verlangte Dr. EL daraufhin stillschweigend (erstmals für August 1967) an sie Unterhaltsbeträge in der Höhe von S 1.854,-- zahlte, die Vereinbarung also zu einem Zeitpunkt erfolgte, von dem bis zum Sterbetag des Dr. EL. (5. Juli 1968) nicht mindestens ein Jahr vergangen ist.

Da nach dem Gesagten die belangte Behörde nicht rechtswidrig handelte, indem sie der Bemessung des Versorgungsbezuges der Beschwerdeführerin die Unterhaltsleistung zugrunde legte, auf die die Beschwerdeführerin auf Grund des Urteils des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. März 1955, 38 C 310/54, am Sterbetag ihres früheren Ehemannes Anspruch gehabt hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen,

Der Ausspruch über den Ersatz der Aufwendungen der belangten Behörde gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 a, b und d VwGG 1965 und auf Art. I Z. 4, 5 und 6 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4.

Wien, am 3. Juli 1969

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