Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strau und die Hofräte Dr. Krzizek, Penzinger, Dr. Knoll und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers Administrationsrat Dohnal über die Beschwerde der ÖD AG in W, vertreten durch Dr. Karl Dänemark, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 21, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 20. Februar 1968, Zl. 96.173/891 91.027/67 (mitbeteiligte Partei: JB, K, H), betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Wasserrechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Mit dem namens des Landeshauptmannes gefertigten Bescheid des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Oktober 1967 wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, an JB, die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die umgestaltete Anlage der Donaufähre K Ö zu übertragen und für die durch die Errichtung und den Betrieb des Donaukraftwerkes A verursachte Beeinträchtigung des Betriebes dieser Fähre die im Bescheid im einzelnen angeführte Entschädigung zu bezahlen. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin mit einem Rückscheinkuvert nach Formular 2 zu § 25 Abs. 1 AVG zugestellt. Auf diesem Rückschein findet sich ein Stampiglienaufdruck „Ö AG“ und eine unleserliche Unterschrift. Als Zustelldatum ist der 2. November 1967 angegeben. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die sie am 17. November 1967 der Post zur Beförderung, übergab. In der Berufung ist als Zustelltag der 3, November 1967 angeführt. In einer Eingabe vom 27. November 1967 nahm die Beschwerdeführerin zur Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung Stellung und führte aus, am 2. November 1967 (Allerseelentag) sei nachmittags den Angestellten freigegeben worden. Die Posteinlaufstelle sei daher nicht besetzt gewesen. Wenn der Rückschein eine Unterschrift trage, so könne diese nur vom Hausportier stammen, der jedoch zur Empfangnahme des Schriftstückes nicht berechtigt gewesen sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen, weil der Bescheid laut Rückschein am 2. November 1967 zugestellt worden sei, die Berufung jedoch erst am 17. November 1967, sohin außerhalb der zweiwöchigen Berufungsfrist zur Post gegeben worden sei. Zu den Ausführungen in der Eingabe vom 27. November 1967 heißt es, der Zustellnachweis sei mit einem Stempel der Ö AG, dem Datum und einer Unterschrift versehen. Es bestünde daher kein Grund zu der Annahme, daß dieser Zustellnachweis formell nicht einwandfrei sei. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Eingabe vom 27. November 1967 keinen Nachweis erbracht, daß die Ersatzzustellung irrigerweise oder zu Unrecht erfolgt sei, weshalb für die Frage des Zustelltages die Bestimmung des § 31 AVG nicht herangezogen werden könne. Die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung seien gegeben gewesen, da der 2. November 1967 kein gesetzlicher Feiertag sei. Selbst wenn den Bescheid ein betriebsfremder Portier übernommen habe, stünden der von der Beschwerdeführerin daraus gezogenen Folgerung die Bestimmungen des § 23 Abs. 2 AVG entgegen. Die zwischen der Beschwerdeführerin und der Post- und Telegraphenverwaltung bestehende Postvollmacht vermöge die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht außer Kraft zu setzen.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt die Beschwerdeführerin vor, der Umstand, daß das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz die Zustellung zu eigenen Handen nicht ausdrücklich vorsehe, dürfe keinesfalls zu einer Beeinträchtigung der gesetzlichen Berufungsfrist und damit des Rechtsschutzes führen. Damit ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Mangels einer Norm über die Zustellung eines Bescheides zu eigenen Handen ist die Anordnung einer solchen Zustellung, sofern sie im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist - ein solcher Fall ist hier nicht gegeben -, in das Ermessen der Behörde gestellt. In dem Umstand, daß die Behörde nicht die Zustellung zu eigenen Handen verfügt hat, liegt daher keine Gesetzwidrigkeit (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Dezember 1949, Slg. N. F. Nr. 1141/A).
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die belangte Behörde hätte den ergänzenden Schriftsatz jedenfalls als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ansehen und darüber entscheiden müssen. Auch hier vermag sich der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht anzuschließen. Das im § 71 Abs. 3 aufgestellte Erfordernis, im Falle der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen, schließt es aus, daß ein nach Einbringung des verspäteten Rechtsmittels gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer sachlichen Erledigung zugeführt werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1967, Zl. 323/509/0). Im übrigen hat über einen solchen Antrag zufolge § 71 Abs. 4 AVG die Behörde zu entscheiden, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war, im Falle einer Berufung daher die Behörde, bei der die Berufung einzubringen ist. Dies ist zufolge § 63 Abs. 5 AVG die Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher davon abhängig, ob der in Rede stehende Bescheid entsprechend den Vorschriften über die Ersatzzustellung zugestellt wurde.
Der zweite November (Allerseelentag) ist kein gesetzlicher Feiertag im Sinne des Feiertagsgesetzes 1957 (BGBl. Nr. 153/1967), sodaß eine Verlängerung der zweiwöchigen Berufungsfrist zufolge der Vorschrift des § 33 Abs. 2 AVG nicht eingetreten ist. An diesem Tage konnte sohin eine Zustellung durchgeführt werden. Die Beschwerdeführerin behauptet nun - darauf läuft das sonstige Beschwerdevorbringen hinaus - die Zustellung sei deswegen nicht dem Gesetz gemäß erfolgt, weil die Zustellung weder an den Postbevollmächtigten noch an einen Angestellten der Beschwerdeführerin und schließlich auch nicht in den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerin vorgenommen worden sei. Mit diesem Vorbringen vermag jedoch die Beschwerdeführerin nicht durchzudringen.
Was zunächst die Frage des Zustellortes anlangt, so bestimmt § 22 Abs. 1, daß die Zustellung in der Wohnung, in der gewerblichen Betriebsstätte, im Geschäftsraum oder am Arbeitsplatz der Person, der zugestellt werden soll (Empfänger), und bei Anwälten und Totalen in deren Kanzlei zu erfolgen hat; eine außerhalb dieser Räume vorgenommene Zustellung ist nur dann gültig, wenn die Annahme des Schriftstückes nicht verweigert wurde. Gemäß § 23 Abs. 1 AVG kann, wenn der Empfänger in der Wohnung (Kanzlei, gewerbliche Betriebsstätte, Geschäftsraum, Arbeitsplatz) nicht angetroffen wird, an jeden daselbst befindlichen, dem Zusteller bekannten erwachsenen Angestellten oder zur Familie gehörigen Hausgenossen des Empfängers zugestellt werden. Nach Abs. 2 der gleichen Gesetzesstelle kann, wenn auch solche Personen nicht angetroffen werden, das zuzustellende Schriftstück dem in demselben Hause wohnenden Vermieter oder einer von diesem bestellten, ebenda wohnenden Aufsichtsperson eingehändigt werden, wenn diese Personen zur Annahme bereit sind. Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergibt sich, daß bei der Ersatzzustellung nach § 23 Abs. 2 die Zustellung auch außerhalb der im § 22 Abs. 1 AVG angeführten Räume erfolgen kann, weil der Gesetzgeber offenbar davon ausgeht, daß die dort genannten Personen sich nicht in der Wohnung, dem Geschäftslokal usw. des Empfängers aufhalten werden. Die Zustellung des hier in Rede stehenden Bescheides an den Portier des Hauses, in dem die Beschwerdeführerin ihre Geschäftsräume hat, wäre nur dann keine ordnungsgemäße, wenn die Annahme verweigert worden wäre. Dies ist aber nicht geschehen. Allerdings muß die Bereitschaft zur Annahme des Schriftstückes von einer Person ausgesprochen werden, die zur Empfangnahme des Schriftstückes legitimiert ist. Diese Voraussetzung ist aber bei dem Portier eines Wohn- und Geschäftshauses gegeben, weil es sich hiebei um eine vom Vermieter bestellte Aufsichtsperson handelt. Bei der Ersatzzustellung hat aber der Empfänger das Risiko zu tragen, das sich aus der Übergabe eines Schriftstückes an eine andere taugliche Person ergibt (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 3. April 1951, Zl. 406/50).
Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 und 48 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. 1 lit. B Z. 4 und 5 der Verordnung, BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am 17. September 1968