Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strau und die Hofräte Penzinger, Dr. Knoll, Dr. Leibrecht und Dr. Schima als Richter, im Beisein des Schriftführers Administrationsrat Dohnal, über die Beschwerde des JS in O, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, Kaiserfeldgasse 15/11, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Oktober 1967, Zl. 8 253 Ste 21/3 1967, betreffend Übertretung des Feldschutzgesetzes, LGBl. für Steiermark Nr. 57/1904, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.135,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist Landwirtschaftsmeister und bezeichnet sich selbst als verantwortlichen Betriebsführer des landwirtschaftlichen Betriebes seiner Mutter, der Frau JS vlg. H, in O, Steiermark. Zu diesem Betrieb gehören Grundflächen (Wald, Acker und Weinland) im Gesamtausmaß von ca. 149 ha, darunter Weide- und Waldflächen auf der sogenannten K, auf der sich auch ein Stallgebäude für Rinder befindet. An diese Weide auf der K grenzen landwirtschaftliche Nutzflächen der Eheleute RS und Anna SS sowie verschiedener anderer Landwirte an.
Am 1. Juli 1966 erstattete der Gendarmeriepostenkommandant von O an die Bezirkshauptmannschaft Judenburg die Meldung, daß die Eheleute RS und AS am 27. Juni 1966 angezeigt hätten, „daß seit einiger Zeit ständig die Kühe der S in den landwirtschaftlichen Nutzflächen der Besitzersleute S weiden und enormen Schaden anrichten“. Seit 10. Juni 1966 kämen fast täglich 13 Kühe der JS entlang des Interessentenweges in die Erdäpfel-, Gersten- und Haferäcker und auf die Wiesen der Eheleute S und richteten überall Schaden an. Die Besitzersleute (S) ließen ihre Kühe am Morgen aus dem Stall, um sich dann den ganzen Tag über nicht mehr darum zu kümmern. Auch ein wiederholtes Zurücktreiben der Rinder nütze nichts, da diese immer wieder zurückwanderten. Weiters heißt es in dieser Meldung, auch am 1. Juli 1966 habe ein Gendarmeriebeamter festgestellt, daß acht Rinder der JS auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen der Eheleute S geweidet hätten. Abschließend wird in dieser Meldung an die Bezirkshauptmannschaft Judenburg wörtlich ausgeführt:
„Die Marktgemeinde O wolle mit dem Strafverfahren nicht betraut werden, weil der Herr Bürgermeister ein Nachbar der genannten Besitzer ist und daher ausgesprochene Schwierigkeiten entstehen dürften. Der Herr Bürgermeister hat schon wiederholt eine friedliche Regelung versucht, aber JS war mit nichts einverstanden.“
Seitens der Bezirkshauptmannschaft Judenburg erging sodann am 11. Juli 1966 an den Beschwerdeführer ein Beschuldigtenladungsbescheid, in dem ihm zur Last gelegt wurde, eine Absicherung seiner Weide durch entsprechende Einzäunung bzw. durch ein Weidetor nicht erfüllt zu haben, wodurch seine Kühe wiederholt auf die nachbarlichen landwirtschaftlichen Grundstücke gekommen seien und dort Schaden verursacht hätten. Er habe hiedurch eine Übertretung nach dem Feldschutzgesetz vom 10. April 1904, LGBl. für Steiermark Nr. 57/1904, begangen. Vor der Bezirkshauptmannschaft Judenburg verantwortete sich der Beschwerdeführer im wesentlichen damit, es sei zwar die Abzäunung seiner Grundflächen ursprünglich völlig in Ordnung gewesen, es sei aber infolge, der Neuanlage eines Interessentenweges aus verschiedenen, nicht von ihm verursachten Gründen zur teilweisen Zerstörung einerseits der Weidetore, andererseits auch der Umzäunung gekommen. Seither bestünden Meinungsverschiedenheiten darüber, wer nun für die Errichtung der entsprechenden Zäune bzw. Tore aufzukommen habe. Er bestreite zwar nicht, daß deine Kühe auch auf fremde fand wirtschaftliche Grundflächen kämen, er erleide aber andererseits den gleichen Nachteil, da aus dem gleichen Grund auch fremdes Vieh auf seine Grundflächen überwechsle und ihm den gleichen Flurschaden zufüge. Die Bezirkshauptmannschaft Judenburg vernahm hiezu auch noch einige weitere Zeugen, die im wesentlichen gleichlautend aussagten, die Ursache dafür, daß das Vieh des Beschwerdeführers auf ihrem Grund übertreten kann, sei darin, zu suchen, daß der Beschwerdeführer seine Umzäunung nicht wieder instandsetzen.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 28. Juni 1967 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe „es absichtlich unterlassen, eine Absicherung der Weide des Besitzes seiner Mutter JS vlg. H, durch eine entsprechende. Einzäunung- bzw. Wiedererrichtung eines Weidetores durchzuführen, wodurch das Vieh des Besitzes vlg. H, sowohl, bei Tag, als auch während der Nacht immer wieder auf die nachbarlichen landwirtschaftlichen Grundstücke kommen konnte und dort Schaden verursachte, obwohl 1.) außerhalb geschlossener oder sonst eingefriedeter Plätze kein Vieh ohne Aufsicht freigelassen werden darf, 2.) das Weiden von Vieh außerhalb geschlossener und eingefriedeter Plätze nur unter Aufsicht eines hiezu geeigneten Hirten gestattet ist, 3.) das Weiden von Vieh auf fremden Gründen, unbeschadet besonderer Rechtstitel, nur bei ausdrücklicher Zustimmung des betreffenden Grundbesitzers gestattet ist und dadurch die Verwaltungsübertretungen zu 1.) § 4 des Gesetzes vom 10. 4. 1904, betreffend den Schutz des Feldgutes, LG. u. VdgBl. Nr. 57/1904, 2.) § 5 leg. cit., 3.) § 10 leg. cit. begangen“. Gemäß § 12 in Verbindung mit § 13 leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer für jede der drei Verwaltungsübertretungen eine Geldstrafe von S 600,-- (zusammen S 1.800,--) bzw. eine Ersatzarreststrafe von je sechs Tagen (zusammen 18 Tagen) verhängt. Zur Begründung des Straferkenntnisses wurde ausgeführt, daß die strafbaren Tatbestände durch die Erhebungen der Gendarmerie sowie durch die Stellungnahme des Marktgemeindeamtes O und durch übereinstimmende Zeugenauesagen erwiesen seien. Der Beschwerdeführer sei als verantwortlicher Betriebsführer des landwirtschaftlichen Betriebes seiner Mutter für die Einhaltung der zitierten Gesetzesbestimmungen verantwortlich. Seine Rechtfertigung sei durch die übereinstimmenden Zeugenaussagen widerlegt. Bei der Strafbemessung seien seine Einkommens- und Familienverhältnisse berücksichtigt worden.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen eine vor der Bezirkshauptmannschaft Judenburg zu Protokoll gegebene Berufung, in der er sowohl bestritt, die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, wie er auch die Höhe der verhängten Strafen als zu hoch bemessen bekämpfte.
Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Oktober 1967 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG keine Folge gegeben. Zur Begründung des Bescheides heißt es im wesentlichen, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die Absicherung der Weide des vom Beschwerdeführer geführten landwirtschaftlichen Betriebes gegenüber den Nachbargründen mangelhaft gewesen sei. Dadurch sei es ermöglicht worden, daß von dem Besitz, den der Beschwerdeführer als verantwortlicher Leite führe, Weidevieh (Rinder und Schafe) auf Nachbargrund gekommen sei und dort Flurschaden verursacht habe. Der Beschwerdeführer, der zur Erhaltung der Grenzzäune verpflichtet sei und längst Abhilfe hätte schaffen müssen, habe dadurch, daß er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, grob fahrlässig und rücksichtslos gehandelt. Zur Frage der vom Beschwerdeführer bekämpften Strafhöhe wird wörtlich ausgeführt: „Für eine Strafherabsetzung fehlt jegliche Voraussetzung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde hat hiezu lediglich die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet. Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Zufolge § 41 Abs. 1 VwGG 1965 hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde von Amts wegen, ohne Rücksicht auf die geltend gemachten Beschwerdepunkte, zu prüfen. Diese Prüfung ergibt aber, wie im felgenden dargelegt werden wird, daß die belangte Behörde rechtswidrig, als Verwaltungsstrafbehörde zweiter Instanz entschieden hat, weil sie nicht erkannt hatte, daß die Bezirkshauptmannschaft Judenburg als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz nicht einschreiten dürfte.
Dem Beschwerdeführer wurde eine Übertretung des Gesetzes vom 10. April 1904, betreffend den Schutz des Feldgutes, Landesgesetz- und Verordnungsblatt für das Herzogtum Steiermark Nr. 57 (in der Folge Feldschutzgesetz bezeichnet), zur Last gelegt. Der Inhalt dieses Gesetzeskann im wesentlichen damit umschrieben werden, daß die darin enthaltenen Gebote und Verbote sowie die sonstigen Vorschriften dazu dienen, das Feldgut, das sind alle Gegenstände, welche mit dem Betrieb der Land- und Feldwirtschaft in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehen, insolange sie sich auf offenem Feld befinden, vor Beschädigung oder widerrechtlichen Eingriffen zu schützen. Seinem Inhalt nach fällt dieses Gesetz unter den Begriff „Flurenpolizei“, derzufolge Art. V Z. 3 des Reichsgemeindegesetzes, RGBl. Nr. 18/1862, als zum selbständigen Wirkungskreis der Gemeinden zugehörig bestimmt wurde und nunmehr seit dem Inkrafttreten der B VG Novelle 1962 am 31. Dezember 1965 in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten eigenen Wirkungsbereich der Gemeine fällt (Art. 118 Abs. 3 Z 5 „Flurschutzpolizei“). Ausgenommen von dieser Zuständigkeit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde sind jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem, von einem Verstärkten Senat gefällten Erkenntnis vom 28. November 1967, Slg. N. F. Nr. 7227/A, ausgesprochen hat, grundsätzlich alle Verwaltungsstrafsachen. Diese konnten und können von der Gemeinde nur im übertragenen Wirkungsbereich geführt werden. Dies bedeutet, daß der Gesetzgeber - seit dem Inkrafttreten des Bundes Verfassungsgesetzes 1920 nur der Landesgesetzgeber berechtigt war, zur Entscheidung in erster Instanz ein Organ der Gemeinde zu berufen. Diese Art der Einschaltung der Gemeinde wird auch seit dem Inkrafttreten der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 als „übertragener Wirkungsbereich der Gemeinde“ bezeichnet und ist in Art. 119 B VG geregelt. Art. 119 Abs., 1 B VG bestimmt, daß der übertragene Wirkungsbereich die Angelegenheiten umfaßt; die die Gemeinde nach Maßgabe - nunmehr auch der Bundesgesetze im Auftrag und nach Weisungen des Bundes oder nach Maßgabe der Landesgesetze im Auftrage und nach den Weisungen des Landes zu besorgen hat. Abs. 2 erster Satz bestimmt, daß die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches vom Bürgermeister besorgt werden. Voraussetzung dafür, daß eine Angelegenheit, im übertragenen Wirkungsbereich durch die Gemeinde bzw. von deren Bürgermeister geführt wird, ist demnach eine ausdrückliche im Gesetz enthaltene Ermächtigung. Als eine derartige Gesetzesbestimmung, die die Gemeinde zur Besorgung einer Angelegenheit im übertragenen Wirkungsbereich beruft, stellt sich nun § 29 Abs. 1 des Feldschutzgesetzes dar. Danach steht die Durchführung des Verfahrens aus Anlaß vorkommender Feldfrevel bzw. die Untersuchung und Bestrafung derselben dem Gemeindevorsteher (nunmehr Bürgermeister) jener Gemeinde zu, in deren Gebiet die Gesetzesübertretung begangen wurde. Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung verweist darauf, daß das Strafrecht hach der Vorschrift der Gemeindeordnung - das war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Steiermärkische Gemeindeordnung 1959, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 169/1965 - im übertragenen Wirkungsbereich ausgeübt wird. § 29 Abs. 3 Feldschutzgesetz bestimmt nun, daß dann, wenn die Organe einer Gemeinde des Feldfrevels zum Nachteil einer anderen Gemeinde beschuldigt sind, das Strafverfahren der politischen Bezirksbehörde (Bezirksverwaltungsbehörde) zusteht. Weiters wird bestimmt, daß die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde auch dann gegeben ist, wenn es sich um die Verfolgung eines Feldfrevels handelt und der hiefür zuständige Gemeindevorsteher (Bürgermeister) befangen erscheint. Zusammenfassend ist nun zu § 29 Feldschutzgesetz zu sagen, daß vom Gesetzgeber grundsätzlich der Bürgermeister jener Gemeinde, in deren Gebiet sich die Übertretung des Feldschutzgesetzes ereignet hat, als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz bestimmt wird. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat zufolge § 41 leg. cit. als Berufungsbehörde zu fungieren. Von dem Grundsatz normiert das Gesetz „zwei Ausnahmen, einmal, daß sich die Organe der Gemeinde selbst des Feldfrevels zum Nachteil einer anderen Gemeinde schuldig gemacht haben dieser Fall kann in der Folge außer Betracht bleiben - und zum zweiten, daß der an sich zuständige Bürgermeister befangen erscheint. In diesen beiden Fällen bestimmt das Gesetz, daß Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde ist. In diesem Falle ist Berufungsbehörde die Landesregierung. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist eine derartige Zuständigkeitsregelung (§ 29 Abs. 3 leg. cit.) weder mit der Bundesverfassung im Widerspruch, noch erscheint sie mit dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 im Hinblick auf dessen § 1 unvereinbar. Das Feldschutzgesetz selbst enthält nun keinerlei Bestimmung darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Befangenheit des Bürgermeisters anzunehmen und wie verfahrensrechtlich vorzugehen ist, damit die Zuständigkeit des Bürgermeisters, als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz einzuschreiten, auf die Bezirksverwaltungsbehörde übergeht. Es ist daher zunächst zu untersuchen, ob sich aus den Verwaltungsverfahrensgesetzen, insbesondere aus dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 und dem Verwaltungsstrafgesetz 1950, diese Frage klären läßt. Was die Frage der Zuständigkeit anlangt, so ergibt sich, daß zufolge § 24 VStG sowohl § 5 wie auch6 AVG, in Verwaltungsstrafverfahren Anwendung finden. § 5 AVG kann dabei im vorliegenden Fall, da ja kein Zuständigkeitsstreit entstanden ist, außer Betracht bleiben. § 6 AVG bestimmt nun, und zwar in Ausführung des in Art. 18 Abs. B VG geforderten Rechtsstaatsprinzipes, daß jede Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen hat. Langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an 'die zuständige Stelle weiter zuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen. Durch Vereinbarung der Parteien kann die Zuständigkeit der Behörde weder begründet noch geändert werden. (Diese letzte, im § 6 Abs. 2 AVG geregelte Bestimmung hat im Hinblick auf § 30 des Feldschutzgesetzes auch für das, vorliegende Verwaltungsstrafverfahren eine gewisse Bedeutung, auf die noch näher einzugehen sein wird.) In diesem Zusammenhang, muß auch auf § 26 VStG Bedacht genommen werden, der bestimmt, daß der Bezirksverwaltungsbehörde in erster Instanz die Untersuchung und Bestrafung aller Übertretungen zusteht, deren Ahndung nicht anderen Verwaltungsbehörden oder den Gerichten zugewiesen ist. Diese Bestimmung kommt aber im Hinblick auf die Sonderregelung des § 29 Feldschutzgesetz, der oben etwas anderes bestimmt, im vorliegenden Beschwerdefall nicht zur Anwendung. Da nun - wie bereits ausgeführt - weder § 29 Abs. 3 noch die sonstigen Bestimmungen des Feldschutzgesetzes etwas darüber aussagen, wann der Bürgermeister als befangen anzusehen ist und damit der vom Gesetz für diesen Fall bestimmte Übergang der Zuständigkeit eintritt, kann diese Frage nur anhand der allgemein für die Bestimmung der Zuständigkeit einer Behörde geltenden Grundsätze bzw. Bestimmungen der Bundesverfassung bzw. des § 6 und des § 7 AVG gelöst werden.
§ 29 Abs. 1 Feldschutzgesetz beruft grundsätzlich den Bürgermeister als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz. Zufolge § 6 AVG ist es daher dieser , der von Amts wegen seine sachliche und örtliche Zuständigkeit wahrzunehmen hat. Diese Zuständigkeit geht zufolge § 29 Abs. 3 Feldschutzgesetz nur dann auf die Bezirksverwaltungsbehörde über, wenn der Bürgermeister befangen ist. Unter welchen Voraussetzungen der Bürgermeister als befangen anzusehen ist, ergibt sich aus § 7 AVG (Dies würde auch dann zutreffen, wenn das Feldschutzgesetz zwar eine Legaldefinition des Begriffes „Befangenheit“ enthielte, die aber von § 7 AVG abweicht, da in diesem Fall der anders lautenden Definition zufolge Art. 11 Abs. 2 B VG mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes derogiert worden wäre.) Von den im § 7 Abs. 1 AVG aufgezählten Befangenheitsgründen kommt - soweit aus den Verwaltungsstrafakten zu entnehmen ist - lediglich in Frage, wonach sich ein Verwaltungsorgan der Ausübung seines Amtes zu enthalten hat, „wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen“. Da sich nun auf Grund des Rechtsstaatsrinzipes (Art. 18 Abs. 1 B VG) in Verbindung mit § 6 AVG ergibt, daß jede nach dem Gesetz für zuständig erklärte Behörde nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, die ihr eingeräumten Befugnisse auszuüben, und zwar selbst auszuüben, kann es auch ohne eine ausdrückliche bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung kein freies Ermessen einer Behörde - im konkreten Fall der Bezirksverwaltungsbehörde - geben, zu bestimmen, ob sie nur als Berufungsbehörde oder als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz einschreiten will. Wäre § 29 Abs. 3 Feldschutzgesetz nur so auszulegen, dann wäre er verfassungswidrig Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch der Ansicht, daß § 29 Abs. 3 Feldschutzgesetz in einer sowohl mit Art. 18 Abs. 1 B VG als auch den Zuständigkeitsbestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes bzw. des Verwaltungsstrafgesetzes durchaus vereinbaren Weise ausgelegt werden kann. Aus § 29 Abs. 1 Feldschutzgesetz in Verbindung mit § 6 Abs. 1 erster Satz AVG einerseits, aber auch aus § 6 Abs. 2 AVG, wonach durch Vereinbarung der Parteien die Zuständigkeit der Behörde weder, begründet noch geändert werden kann, ergibt sich nun, daß zunächst niemand berechtigt ist, dem Bürgermeister diese Zuständigkeit als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz nach dem Feldschutzgesetz abzusprechen und zu bestimmen, daß nicht er, sondern die Bezirksverwaltungsbehörde als Strafbehörde erster Instanz einzuschreiten hat. Dieses Recht hat weder die Bezirksverwaltungsbehörde, noch ein Anzeiger, sei dieser nun der im Sinne des § 30 Feldschutzgesetz Geschädigte, sei es ein Feldhüter oder ein Gendarmeriebeamter. Es besteht daher zunächst grundsätzlich die gesetzliche Pflicht, den Bürgermeister als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz anzusehen. Erst § 7 AVG macht es diesem, nämlich dem Bürgermeister, zur Pflicht, darüber zu entscheiden, ob er befangen ist und sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten hat oder nicht. Hält er sich nicht für befanL4en, so ist zufolge der Besonderheit des § 29 Abs. 1 und 3 Feldschutzgesetz zunächst seine Zuständigkeit als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz gegeben. Erst nach seiner Entscheidung könnte die Bezirksverwaltungsbehörde, sei es als Berufungsbehörde, sei es von Amts wegen (§ 68 Abs. 4 lit. a AVG.) prüfen, ob hier nicht wegen Befangenheit des Bürgermeisters dieser als im Sinne des § 29 Abs. 3 Feldschutzgesetz unzuständige Behörde eingeschritten ist. Ist aber der Bürgermeister von Anfang an der Meinung, daß er im Sinne des § 7 AVG befangen ist, dann ist er, da diese Befangenheit den Übergang der der Zuständigkeit als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz zu entscheiden auf die Bezirksverwaltungsbehörde bewirkt, verpflichtet , vom Befangenheitsgrund selbst der sodann zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden Anzeige zu erstatten. Erst dann hat die Bezirksverwaltungsbehörde darüber zu entscheiden, ohne daß gegen diese Entscheidung, da es sich um eine nur das Verfahren betreffende Anordnung handelt (§ 63 Abs. 2 AVG), eine abgesonderte Berufung der dadurch betroffenen Partei zulässig wäre. Die unrichtige Annahme der Befangenheit kann dann nur in der Berufung gegen den Bescheid selbst geltend gemacht werden. Festzuhalten ist aber, daß erst die im Bescheid zutreffende Feststellung der - vom Bürgermeister selbst behaupteten - Befangenheit durch die Bezirksverwaltungsbehörde deren Zuständigkeit als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz im Sinne des § 29 Abs. 3 Feldschutzgesetz zunächst zu begründen vermag.
Prüft man nun anhand dieser rechtlichen Grundsätze das gegen den Beschwerdeführer abgeführte Verwaltungsstrafverfahren, so zeigt sich, daß weder der Bürgermeister der Marktgemeinde O sich für befangen erklärt hat, noch daß die als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz eingeschrittene Bezirkshauptmannschaft Judenburg geprüft und formell festgestellt hat, ob für ihre Zuständigkeit überhaupt die nach dem Gesetz (§ 29 Abs. 3 Feldschutzgesetz) geforderten Voraussetzungen gegeben waren. Daß die Bezirkshauptmannschaft Judenburg als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz eingeschritten ist, beruht, wie bereits in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt worden ist, allein auf der vom Gendarmeriepostenkommandanten in O erstatteten Anzeige vom 1. Juli 1966. Die Meinung eines Anzeigers, welche Funktion dieser immer haben mag, ist aber - wie oben dargelegt worden ist - ungeeignet, im Sinne des § 29 Abs. 3 Feldschutzgesetz den Übergang der Zuständigkeit vom Bürgermeister auf die Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz, zu begründen. Daraus ergibt sich aber, daß als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz eine unzuständige Behörde, nämlich die Bezirkshauptmannschaft Judenburg tätig geworden ist. Nach dem Gesetz und der geschilderten Aktenlage hätte als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz der Bürgermeister der Marktgemeinde O und als Berufungsbehörde die Bezirkshauptmannschaft Judenburg einzuschreiten gehabt. Der Umstand, daß die belangte Behörde diese Unzuständigkeit nicht erkannt hat und, als sie mit, Berufung angerufen worden war, statt von Amts wegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg wegen deren Unzuständigkeit aufzuheben, diese als unbegründet abgewiesen hat, belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Aus allen diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 als rechtswidrig aufzuheben. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zufolge § 39 Abs. 2 lit. e VwGG 1965 ungeachtet des Parteiantrages abgesehen werden.
Bei dieser Rechtslage war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers sowie darauf einzugehen, ob überhaupt die Voraussetzungen dafür gegeben waren, das Verhalten des Beschwerdeführers als drei verschiedene selbständige Taten, mit denen er mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat, zu bewerten und außerdem noch in jedem Fall - ohne jede Begründung - die an sich zulässige Höchststrafe von S 300, zu verdoppeln, was nur unter besonderen im Gesetz taxativ aufgezählten Gründen zulässig ist.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 sowie auf Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Wien, am 21. November 1969