JudikaturVwGH

0051/66 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. September 1966

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde des Dr. WB in W, vertreten durch Dr. Anton Hannl in Wien VII, Lerchenfelderstraße 45, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. November 1965, Zl. GA Va 1675/65, betreffend Einheitsbewertung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheide hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Einheitswertbescheid des Finanzamtes B. vom 17. Dezember 1964 abgewiesen. Sie hat sich dabei - soweit das für den Streit vor dem Verwaltungsgerichtshofe von Belang ist - auf folgende Gründe gestützt:

Der Beschwerdeführer hatte auf Grund eines Kaufvertrages vom 22. Mai 1963 gemeinsam mit seiner Ehefrau von der gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossenschaft „P.“ die Liegenschaft EZ. 1440 Grundbuche R., erworben. Das Bezirksgericht B. hatte mit Grundbuchbeschluß vom 2. März 1964 u.a. folgende Eintragungen bewilligt:

1.) im Eigentumsblatte die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Dr. WB (den Beschwerdeführer) und CB je zur Hälfte,

2.) im Lastenblatte das Vorkaufsrecht für die Zeit bis zum 14. Mai 1983 und das Wiederkaufsrecht für die Zeit bis zum 1. Mai 1983.

Die grundbücherlich einverleibten Beschränkungen nahm der Beschwerdeführer zum Anfasse, gegen den Einheitswertbescheid des Finanzamtes B., das für die Liegenschaft auf den 1. Jänner 1964 im Wege der Art- und Zurechnungsfortschreibung einen Einheitswert von S 151.000,-- festgestellt hatte, Berufung zu erheben. Er führte aus, daß die Verkäuferin ein vertragsmäßig festgelegtes und grundbücherlich eingetragenes „Rückkaufsrecht“ habe und im Falle der Ausübung dieses Rechtes nur S 110.879,25 für die gesamte Liegenschaft bezahlen müsse. Der Einheitswert sei daher mit insgesamt S 110.000,-- festzusetzen. Eine diese Berufung abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes B. verlor durch den Antrag des Beschwerdeführers auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ihre Wirksamkeit. Die belangte Behörde erließ gleichfalls einen abweisenden Bescheid, in dem sie davon ausging, daß Bewertungsmaßstab des streitigen Grundstückes der gemeine Wert sei, der nach den gesetzlichen Bestimmungen durch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten grundbücherlichen Beschränkungen nicht beeinflußt werde.

Über die gegen diese Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefalle die Höhe des „Bodenwertes“, den das Finanzamt mit 68.400 S (abzüglich eines 25%igen Abschlages) angenommen hatte, während er im Kaufe vertrage mit nur 11.680 S ausgewiesen war. Der Beschwerdeführer meint, die Einheitsbewertung könne den von der Verkäuferin seinerzeit festgesetzten Kaufpreis nicht überschreiten, weil diese nach den §§ 1 und 5 des Kaufvertrages berechtigt sei, unter bestimmten Voraussetzungen das Grundstück im Wege des ihr zustehenden Vorkaufsrechtes oder allenfalls des Wiederkaufrechtes zum Preise von S 150.680,-- - abzüglich eines Abnützungsbetrages von jährlich 2 %, insgesamt aber höchstens 15 % - zu kaufen.

Nach § 55 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG, BGBl. Nr. 148/1955) in der für den vorliegenden Streitfall geltenden Passung sind unbebaute Grundstücke mit dem gemeinen Werte zu bewerten. Gemäß § 10 Abs. 2 des gleichen Gesetzes wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehre nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht, zu berücksichtigen. Nach § 10 Abs. 3 BewG sind als persönliche Verhältnisse auch Verfügungsbeschränkungen anzusehen, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind.

Das Finanzamt hat bei der Ermittlung des für die Liegenschaft festzusetzenden Einheitswertes als Bodenwert einen Quadratmeterpreis von S 100,-- zugrunde gelegt. Es hat daher für die Gesamtfläche (684 m 2 ) S 68.400,-- errechnet. Der Beschwerdeführer hatte schon in der Berufung eingewendet, der Bodenwert könne nicht höher als S 20,-- je m 2 sein, weil er (Beschwerdeführer) das Grundstück zu diesem Preise gekauft habe und verpflichtet sei, es im Fall einer berechtigten Geltendmachung des „Rückkaufsrechtes durch die Genossenschaft“ zum gleichen Preise (S 13.680,-- abzüglich eines Abnutzungsbetrages) zu verkaufen. In der Umgebung des Grundstückes gebe es zwar auch Grundstücke, die hinsichtlich der Preisbildung vollkommen frei seien und daher mit dem gemeinen Werte bewertet werden könnten. Die im vorliegenden Falle bestehende Beschränkung aber sei eine dingliche und müsse, da sie übrigens alle, im Bezirke B. gelegenen früheren Genossenschaftsgrundstücke belaste, bei der behördlichen Wertermittlung berücksichtigt werden.

Mit diesem Beschwerdeeinwand ist für die vorliegende Rechtsfrage nichts zu gewinnen. Unbestritten ist, daß der Bewertung des Bodens der gemeine Wert zugrunde zu legen ist. Nach Abs. 2 des § 10 BewG wird der gemeine Wert, wie bereits dargelegt, durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehre nach der Beschaffenheit des Grundstückes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Unter „gewöhnlichem Geschäftsverkehr“ kann aber nur ein Verkehr verstanden werden, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt (vgl. Twaroch Frühwald Wittmann, Kommentar zum Bewertungsgesetz, Anmerkung 3 zu § 10 Abs. 2 BewG). Für die Bestimmung des gemeinen Wertes ist aber der Preis maßgebend, der bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Der Beschwerdeführer meint, dieser erzielbare Veräußerungspreis für den Boden richte sich nach dem Preise, den die Verkäuferin im Falle des Wiederkaufes entrichten müsse (S 13.680,--). Dieser Anschauung kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Nach den im Kaufvertrage getroffenen Vereinbarungen kann der Beschwerdeführer die Liegenschaft grundsätzlich frei verkaufen. Er ist nach § 3 Abs. 1 dieses Vertrages lediglich verpflichtet, innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren auf das Vorliegen zwingender Gründe einzuschränken. In einem solchen Falle muß er die Liegenschaft mit Rücksicht auf das bestehende Vorkaufsrecht zunächst der Genossenschaft „F.“ zum Kauf anbieten. In diesem Falle wäre der Beschwerdeführer allerdings genötigt, sich mit einem Grundwerte von S 13.680,-- zufrieden zu geben. Nun kann aber nicht mit Erfolg bestritten werden, daß ein solcher lediglich vertragsmäßig vorgesehener Vorgang keineswegs als gewöhnlicher Geschäftsverkehr angesehen werden kann. Außerdem ist da Vorkaufsrecht gemäß § 1072 ABGB an die Bedingung geknüpft, daß der Käufer die gekaufte Sache wieder verkaufen will. Die nach dem Beschwerdevorbringen vorliegende Beschränkung ist somit als bedingte Last im Sinne des § 6 Abs. 1 BewG aufzufassen, die wie auch die Behörde in der Gegenschrift zutreffend ausführt, nicht zu berücksichtigen ist. Bei dieser Rechtslage vermochte auch der Beschwerdeeinwand, die Beschränkung habe im Hinblick auf die grundbücherliche Eintragung dingliche Wirkung keinen Erfolg herbeizuführen, sodaß sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage, ob die Eintragung eines persönlichen Rechtes in die öffentlichen Bücher die Verwandlung in ein dingliches Recht zur Folge haben muß, nicht mehr zu befassen hatte (§ 9 des Grundbuchsgesetzes zählt z. B. einverleibte Vorkaufsrechte nicht zu den „dinglichen Lasten“, vgl. Kapfer, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, Anmerkung zu § 1073) Außerdem bestimmt § 19 Abs. 3 BewG. daß als „persönliche Verhältnissen auch Verfügungsbeschränkungen anzusehen sind, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind. Demnach hat die Behörde im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift mit Recht angenommen, daß nach dem für die Beurteilung des gemeinen Wertes allein maßgebenden Bewertungsgesetze zwischen grundbücherlich eingetragenen und nicht eingetragenen Beschränkungen ein recht hoher Unterschied nicht besteht, da eine andere Auslegung durch das Gesetz (§ 10 Abs. 3 BewG) nichtgedeckt wäre (vgl. Twaroch - Frühwald - Wittmann, Kommentar zum Bewertungsgesetz, Anmerkung 7, letzter Absatz zu § 10 Abs. 3 BewG).

Somit ist der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht belastet. Die Beschwerde war daher unbegründet und mußte somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abgewiesen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 2, § 59 Abs. 2 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. 1 B der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (BGBl. Nr. 4/1965).

Wien, am 15. September 1966

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