JudikaturVwGH

0752/65 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 1965

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Mathis, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Leopold Mittelbach, Rechtsanwalt in Graz, Reitschulgasse 5/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 26. Februar 1965, Zl. GV 21-158-V-1965, betreffend Befreiung von der Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Steiermark) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstigem Zwange zu ersetzen.

Mit Kaufvertrag vom 13. Juli 1963 erwarb der beschwerdeführende Verein (Beschwerdeführer) von E die Grundstücke nn/4 und nn/18 aus EZ. 232, Grundbuch G in G, um den Preis von S 600.000,--.

Für diesen Erwerbsvorgang schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz dem Beschwerdeführer die 8%ige Grunderwerbsteuer im Betrage von S 48.000,-- vor.

Gegen diesen Steuerbescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte vor, ihm sei mit Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 5. Juli 1957 die Gemeinnützigkeit nach der „Gemeinnützigkeitsverordnung“ zugebilligt worden. Seither sei er nicht zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer herangezogen worden. Dem Finanzamte sei auch die Satzung des Beschwerdeführers vorgelegt worden, aus der ersichtlich sei, daß der Beschwerdeführer ausschließlich gemeinnützige und mildtätige Zwecke verfolge. Er berief sich auch auf die Befreiungsbestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a und Z. 2 lit. a des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140 (im folgenden kurz mit GrEStG bezeichnet), und behauptete, er nehme Gesellen und Arbeiter auf, die in dem (zu errichtenden) Haus eine Wohnstätte hätten und gegebenenfalls beim Verein auch die Verpflegung einnehmen könnten. Er beabsichtige, „einen weiteren Ausbau des Gebäudes durchzuführen, wobei neuer Wohnraum mit den dazugehörigen Nebenräumlichkeiten geschaffen“ werden sollen, Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1963, Zl. 1642/62, Slg. 2913(F), könne für den vorliegenden Streitfall keine Bedeutung haben, „da es sich ja um den Erwerb eines Grundstückes und nicht um den Erwerb eines Gebäudes handelt und die entsprechenden Wohnstätten erst errichtet werden sollen und beabsichtigt ist“, für die Gesellen (Arbeiter) entsprechenden Wohnraum zu schaffen. Das Finanzamt ließ sich im weiteren Verfahren den Bauplan für den beabsichtigten Erweiterungsbau vorlegen.

Mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 26. Februar 1965 wurde die Berufung sodann aus den, nachfolgenden Gründen abgewiesen: Dem Beschwerdeführer komme nicht die Eigenschaft eines gemeinnützigen Bauträgers zu, Er habe zwar auf einen Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 5. Juli 1957 hingewiesen, der sich aber nur mit der Frage befasse, wie der Beschwerdeführer auf dem Gebiete der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer zu behandeln sei, daß ihm die Eigenschaft der Gemeinnützigkeit nach dem „Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz“ zuerkannt worden sei, sei in der Berufungsschrift nicht behauptet worden. Der Beschwerdeführer sei auch kein Bau- oder Siedlungsunternehmen. Da nur gemeinnützigen Bauträgern die Freiheit von der Grunderwerbsteuer nach § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a GrEStG zukomme, könne er sich auf diese Befreiungsvorschrift nicht mit Erfolg berufen. Abgesehen davon beabsichtige er auch nicht, Kleinwohnungen zu schaffen, weil aus dem Bauplane zu ersehen sei, daß nicht ein Haus mit in wich geschlossenen Wohneinheiten, sondern ein Heim für Gesellen und Arbeiter errichtet werden sollte. In dem Heime würden zunächst Aufenthalts- und Schlafräume geschaffen, in denen die Insassen einzeln, zu zweit oder auch zu mehreren Personen untergebracht werden. Darüber hinaus seien für die Befriedigung der übrigen Wohnbedürfnisse Gemeinschaftsräume vorgesehen, z. B. Speisesaal und sonstige Säle. Auch eine Abgabenfreiheit nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG könne nicht in Frage kommen, weil als eine Arbeiterwohnstätte nur eine Wohnstätte verstanden werde, die einem Arbeiter allein oder einem Arbeiter samt seiner Familie zur Deckung des Wohnbedürfnisses dient, ohne daß die Wohnstätte mit familienfremden Personen geteilt werden müsse. Ein solches Wohnhaus werde vom Beschwerdeführer nach dessen Bauplänen aber nicht errichtet. Es könne sein, daß das neu zu errichtende Gebäude eine Hausbesorgerwohnung besitzen werde. Dieser Umstand würde aber nicht ausreichen, um das Haus als ein solches mit Arbeiterwohnstätten oder als ein solches mit Kleinwohnungen im Sinne der einschlägigen Vorschriften anzusehen, wenn der überwiegende Teil der Gesamtnutzfläche nicht auf in sich geschlossene Wohnungen entfällt.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, in der ausgeführt wird, daß es sich bei der dem Finanzamte vorgelegten Bauskizze noch um keine endgültige Fassung der Gesamtplanung handle. Allein schon aus ihr könne aber ersehen werden, daß bei dem Neubau eine Küche fehle, sodaß das Gebäude lediglich zur Beherbergung, also zum Wohnen der Gesellen, dienen werde. Wenn auch einzelne Gemeinschaftsräume vorhanden seien, so könnten solche Räume die Eigenschaft einer Arbeiterwohnstätte nicht beeinträchtigen. In vielen Wohnhäusern, die für Pensionisten oder für alte Leute geschaffen werden, befänden sich neben normalen Wohnungen auch Gemeinschaftsräume wie Leseräume, Fernsehräume, Gesellschaftsräume usw., und dennoch könnte man den dort errichteten Wohnungen die Eigenschaft von in sich abgeschlossenen Wohnungen nicht absprechen. Beim Beschwerdeführer handle es sich um eine Einrichtung, die dem Jugendlichen bis zu seiner Verheiratung ein dauerndes Wohnen ermöglichen solle. Es gebe unzählige Fälle, in denen Gesellen oder Arbeiter schon länger als zehn Jahre beim Beschwerdeführer wohnten und auch weiterhin dort ihre Wohnstätte beibehalten würden. Das neu zu errichtende Bauwerk solle den modernsten Anforderungen des heutigen Wohnbaues gerecht werden. Es werde größtenteils auf die Errichtung von Einzelzimmern, in denen die Vereinsmitglieder (Gesellen) die Möglichkeit haben sollen, sich selbst ein Frühstück und ein Abendessen zu bereiten, Bedacht genommen werden. Das Einnehmen größerer Mahlzeiten sei undenkbar, weil in den Betrieben, in denen die Gesellen beschäftigt sind, die Zeiten des Arbeitsbeginnes und der Arbeitsbeendigung nicht einheitlich seien. Es bestehe auch kein Bedarf für die Einnahme von Hauptmahlzeiten im Hause. In den Einzelzimmern sollten auch Waschgelegenheiten geschaffen werden, damit sich die Vereinsmitglieder selbst Elch kleine Wäschestücke waschen können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer fühlt sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem vermeintlichen Recht auf Ausnahme von der Besteuerung des Erwerbsvorganges vom 13. Juli 1963 nach den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit a und Z. 2 lit. a GrEStG verletzt. Die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Gesetzes kann im Streitfalle - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheide mit Recht hervorhebt schon deshalb nicht zum Zuge kommen, weil dem Beschwerdeführer nicht die Eigenschaft eines gemeinnützigen Bauträgers zukommt. Dies wäre aber eine der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Besteuerung nach § 4 Abs. 1 Z 1 lit. a GrEStG der lediglich den Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Kleinwohnungen durch ein Unternehmen, das als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder als Organ der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt ist, von der Grunderwerbsteuer ausnimmt. Daß der Beschwerdeführer von einem der Ämter der Landesregierungen oder vom Bundesministeriums für soziale Verwaltung als ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder als Organ der staatlichen. Wohnungspolitik im Sinne des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 29. Februar 1940, DRGBl. I S. 437, anerkannt worden sei, ist aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten nicht ersichtlich und im übrigen vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet worden.

Nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG ist der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. In der Beschwerde und auch schon im Verwaltungsverfahren wurde behauptet, der Beschwerdeführer habe das Grundstück zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten erworben, weil er ein Heim zur Beherbergung von Arbeitern (Gesellen) errichten werde. Es ist also zu prüfen, ob Gesellenheime der Art wie sie der Beschwerdeführer errichten wird, als Arbeiterwohnstätten im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes anzusehen sind. Das Gesetz hat diesen Begriff nicht näher umschrieben. Er ist daher nach der Verkehrsauffassung und den Erfahrungen des täglichen Lebens auszulegen. „Arbeiterwohnstätten“ sind - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnisse vom 31. Jänner 1964, Zl. 1573/1574/63, ausgeführt hat - Wohnstätten, die für den Arbeiter bestimmt sind und die sich ein Arbeiter leisten kann. (Auf Verlangen werden den Parteien Abschriften dieses Erkennnisses übermittelt werden,) Nun kann im Streitfalle nicht bestritten werden, daß die Wohnräume, die der Beschwerdeführer zu errichten beabsichtigt, für „Arbeiter“ bestimmt sind, weil Gesellen darin wohnen sollen. Immer muß es sich aber, soll die Steuerbefreiung zum Zuge kommen, um Wohnungen handeln. Unter einer Wohnung versteht man grundsätzlich einen in sich abgeschlossenen Teil eines Gebäudes, der der Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wohnungsinhabers und seiner Familie im weitesten Sinne zu dienen bestimmt ist. Das Wohnungsbedürfnis umfaßt den Aufenthalt in den Wohnräumen, das Schlafen, das Kochen und Essen, die Möglichkeit der Unterbringung und Aufbewahrung von Kleidung, Wäsche und anderen Habseligkeiten. Die Erfüllung des Wohnbedürfnisses in bestimmten Räumen macht diese aber erst dann zur Wohnung, wenn dies ohne ungewollte Beeinträchtigung durch familienfremde Personen möglich ist. Diese Überlegung führte den Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Juli 1963, Slg, 2913(F), dazu, auszusprechen, daß Studentenheime keine Arbeiterwohnstätten sind. Die gleichen Überlegungen führen aber auch im Streitfalle dazu, den Gesellenunterkünften, die der Beschwerdeführer zu schaffen beabsichtigt, die Eigenschaft von Arbeiterwohnungen abzusprechen, Der Beschwerdeführer räumt ein, daß er im wesentlichen nur Räume (grundsätzlich zwar nur Einzelräume) schaffen will, die den Gesellen das Wohnen ermöglichen sollen, in denen diese jedoch nicht ihr Wohnbedürfnis zur Gänze befriedigen können, weil zu den Wohnräumen Gesellschaftsräume darzutreten, in denen bestimmte andere Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigt werden können. Der Beschwerdeführer räumt weiter ein, daß den Gesellen im Heim ein Wohnen nur bis zu deren Verheiratung ermöglicht werden soll. Räume, die aber nur einem zeitlich begrenzten (wenn auch zeitlich im voraus nicht bestimmbaren) Zwecke dienen, sind keine Wohnungen, ganz abgesehen davon, daß die Geschlossenheit nicht gegeben ist, wenn die Einheit de; Wohnung grundsätzlich nicht die Befriedigung aller Lebensbedürfnisse im Wohnungsverbande zuläßt. Der strittige Grundstückserwerb durch den Beschwerdeführer diente daher nicht der Verwirklichung der Absicht, Arbeiterwohnstätten zu errichten. Die Beschwerde erwies sich, da nach dem Gesagten weder die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Z 1 lit. a GrEStG, noch die des Abs. 1 Z. 2 lit. a des gleichen Paragraphen zur Anwendung kommen konnte, als unbegründet, welcher Umstand gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 zu ihrer Abweisung durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hatte.

Die belangte Behörde hat für diesen Fall die Zuerkennung eines Kostenzuspruches in Höhe von S 390,-- (für den Vorlageaufwand S 60,-- und für den Schriftsatzaufwand S 330,--) beantragt, Diesem Antrage war gemäß § 47 Abs. 1 und 2 lit. b, § 48 Abs. 2 lit. a und b, § 59 Abs. 1 und 2 lit. a und b VwGG 1965, BGBl. Nr. 2, im Zusammenhalte mit § 49 VwGG 1965 und Art, I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4, stattzugeben. Die Festsetzung der Leistungsfrist gründet sich auf § 59 Abs. 4 VwGG 1965.

Wien, am 7. Oktober 1965

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