Betreff
Der Verwaltungsgerichtshofhat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Naderer, Dr. Lehne, Dr. Striebl und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers, Regierungskommissärs Öhler, über die Beschwerde des A in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. März 1963, Zl. M. Abt. 64 B XX 36/62, betreffend die Erteilung eines Abtragungsauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Rahmen von Maßnahmen, die den Ausbau der A straße vorbereiten sollten, hielt der Magistrat der Stadt Wien am 8. November 1962 eine mündliche Verhandlung auf der Liegenschaft W XX, M straße 3 (durch den Beschwerdeführer von der Stadt Wien gepachtete Teilflächen der in der Einlagezahl x des Grundbuches der Katastralgemeinde B inneliegenden Grundstücke Nr. A und B), ab, deren Gegenstand die baupolizeiliche Überprüfung der dort vorhandenen Baulichkeiten war. Nach den Feststellungen der Behörde befinden sich dort folgende Objekte:
1. Ein lang gestrecktes hölzernes, teilweise gemauertes „schuppenartiges“ Gebäude, das an der linken Grenze der Pachtfläche situiert ist und als Einstellplatz für Kraftfahrzeuge sowie als Arbeitsraum verwendet wird;
2. im Anschluß an das zu 1. beschriebene Objekt ein hölzerner Pferdestall;
3. ein zwischen diesem Pferdestall und dem Betriebsgebäude auf dem hinteren Teil der Liegenschaft situiertes, gemauertes, ebenerdiges Gebäude mit einer Wohnung, die jedoch nicht in die künftige Straße fällt;
4. ein an der rechten Grenze der Pachtfläche gelegener kleiner hölzener Schuppen;
5. ein kleinerer gemauerter Schuppen, der auf dem rechten Teil der Pachtfläche situiert ist sowie
6. drei freistehende Abborte, die sich gleichfalls auf dem rechte Teil der Pachtfläche befinden.
In der über die Verhandlung aufgenommenen Niederschrift ist ferner festgehalten, daß für keines der aufgezählten Bauwerke eine Baubewilligung vorhanden sei und auch eine nachträgliche Bewilligung deshalb nicht erteilt werden könne, weil die Bauwerke auf zukünftigem Straßengrund lägen.
Der Beschwerdeführer wendete ein, die Gebäude seien seinerzeit genehmigt worden, denn sie dienten dem Gewerbebetrieb großen Schlosserei, die zweifellos nicht ohne Baubewilligung gebaut habe; die Unterlagen seien jedoch im Laufe der Zeit abhanden gekommen. Er verwies weiter auf einen Bescheid vom 26. März 1937, Zl. M. Abt. 38/4023/37, mit dem die Auswechslung schadhafter Mauerteile im Pferdestall gemäß § 61 der Bauordnung für Wien zur Kenntnis genommen worden sei.
Mit dem Beschluss vom 20. November 1962 erteilte das Magistrat dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien den Auftrag, sämtliche oben beschriebene Baulichkeiten, die im Bescheid im einzelnen aufgezählt wurden, binnen einer Frist von drei Monaten abtragen zu lassen. In der Begründung dieses Bescheides wurde auch auf das den Bescheid des Magistrats vom 28. März 1937 betreffende Vorbringen des Beschwerdeführers Bezug genommen: Die Behörde gab der Auffassung Ausdruck, durch die bloße Kenntnisnahme einer Instandsetzung des Pferdestalles keinen Beweis für das Vorliegen einer baubehördlichen Bewilligung darstelle.
Die gegen diesen Bescheid durch den Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die Bauoberbehörde für Wien mit Sitzungsbeschluss vom 28. März 1963 als unbegründet ab. In der dem in Ausfertigung dieses Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid vom gleichen Tage beigegebenen Begründung wurde ausgeführt, daß das Berufungsvorbringen, der Magistrat sei zur Freimachung von Grundstücken nicht zuständig, zwar zutreffe, daß aber eine solche Freimachung nicht angeordnet, sondern lediglich der Auftrag erteilt worden sei, konsenslose Baulichkeiten zu beseitigen. Hiezu aber sei die Baubehörde jedenfalls zuständig, Zur Frage allenfalls vorhandener älterer Baubewilligungen nahm die Bauoberbehörde für Wien nur insofern Stellung, als sie darauf hinwies, der Beschwerdeführer könne keine Baubewilligung nachweisen. Auch habe er bis jetzt keinerlei Anstrengungen unternommen, eine nachträgliche Bewilligung zu erwirken. Auf die Frage, inwieweit etwa die durch den Beschwerdeführer behauptete und von der Vorinstanz nicht in Zweifel gezogene Tatsache, daß die in einem Gebäude vor einem Vierteljahrhundert durchgeführten Instandsetzungsarbeiten damals durch die Baubehörde zur Kenntnis genommen worden seien, auf die Sachverhaltsannahme, von der der Berufungsbescheid ausgeht, von Einfluß sein könnte oder nicht, ging die belangte Behörde nicht ein.
Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer eine auf Art. 144 B VG, gegründete Beschwerde wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums beim Verfassungsgerichtshof.
Mit Erkenntnis vom 21. Juni 1963, Zl. B 150/63, erkannte der Verfassungsgerichtshof zu Recht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist, und wies die Beschwerde als unbegründet ab. Gleichzeitig trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde antragsgemäß zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer in einem sonstigen Recht verletzt worden sei, dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der vorliegende Beschwerdefall unterscheidet sich von dem mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1963, auf das im übrigen verwiesen sei, zur hg. Zl. 1200/63, erledigten in einem, allerdings entscheidenden Punkte. Während nämlich dort dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, es könne von ihr nicht verlangt werden, daß sie einen Bescheid über eine Baubewilligung in Händen habe, entgegengehalten werden mußte, daß sie ihrer Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes nicht oder doch nur unvollständig nachgekommen war sie war der Feststellung der Behörde, es sei keine Baubewilligung nachweisbar, bei der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht und in der Berufung nur in Form allgemeiner Behauptungen entgegengetretenhat der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren auf einen von ihm mit Datum und Geschäftszahl bezeichneten Bescheid hingewiesen, der nach seiner Auffassung als Beweismittel für das Vorhandensein einer Genehmigung, das er gleichfalls behauptet hatte, in Betracht kam. Die Erstinstanz hat diesen Bescheid als ein solches Beweismittel nicht gelten lassen wollen. Die belangte Behörde selbst hat sich dieser Beurteilung offenbar angeschlossen und es daher ebenso wie der Magistrat unterlassen, Nachforschungen darüber anzustellen, ob in den Archiven Unterlagen über den Bescheid vom 26. März 1937 vorhanden sind. Dies wäre aber selbst dann gegeben gewesen, wenn die belangte Behörde ebenso wie der Magistrat von der Rechtsmeinung ausging, daß die bloße Kenntnisnahme von Instandsetzungsarbeiten eine Baubewilligung nicht zu ersetzen vermöge. Denn waren über das Bauwerk überhaupt schriftliche Aufzeichnungen vorhanden, dann lag es im Bereiche der Möglichkeit, daß auch Unterlagen über extra erteile Baubewilligungen dem betreffenden Verwaltungsakt angeschlossen sein konnten. In dieser Hinsicht bedarf der Sachverhalt auch vom Boden der Rechtsmeinung der belangten Behörde aus gesehen in einem wesentlichen Punkte einer Ergänzung. Dies mußte gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG. 1952 zur Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes führen.
Wien, 9. März 1964