Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Präsidenten Dr. Guggenbichler, sowie die Hofräte Dr. Schimetschek, Dr.Krzizek, Penzinger und Dr. Knoll als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters DDr. Hofmann, über die Beschwerde des Dkfm. Dr. LR in W gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 18. April 1963, Zl. VI 914 1963, betreffend Bestrafung nach dem Kraftfahrliniengesetz 1952, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Otto Kern, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Kraftfahrlinienunternehmer X in U erstattete im Juli 1960 beim Amte der Burgenländischen Landesregierung gegen den Beschwerdeführer eine Anzeige, wonach dieser beim Betriebe der Kraftfahrlinie Wien Nikitsch die ihm konzessionsmäßig auferlegten Bedienungsverbote, Fahrpreise und Wagenbeschränkungen wiederholt nicht eingehalten habe. Diese Anzeige wurde an die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf zwecks Einleitung des Strafverfahrens übermittelt, welche Behörde den in Wien ansässigen Beschwerdeführer im Rechtshilfeverfahren durch die Bundespolizeidirektion Wien (Polizeikommissariat Döbling) als Beschuldigten vernehmen ließ. In seiner Verantwortung (Eingabe vom 5. November 1960) machte der Beschwerdeführer geltend, daß ihm nach der Konzessionsurkunde des Bundesministeriums für Verkehr und verstaatlichte Betriebe, Zl. 22.375 I/6 55, das in der Anzeige behauptete Bedienungsverbot ab Weppersdorf in Richtung Wien nicht auferlegt sei, daß er auf Grund eines Stoßbedarfes gelegentlich aus öffentlichen Rücksichten mehr als einen Omnibus habe einsetzen müssen und daß er keineswegs die ihm auferlegten Fahrpreise nicht eingehalten habe.
Eine gleichartige Anzeige richtete der Unternehmer X am 10. Oktober 1960 unmittelbar an die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf, worauf der Beschwerdeführer abermals durch das Polizeikommissariat Döbling im Rechtshilfeverfahren als Beschuldigter vernommen wurde und sich dazu verantwortete.
Am 28. Dezember 1960 zeigte der Unternehmer X auch bei der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf an, daß der Beschwerdeführer die amtlich festgesetzten Fahrpreise nicht einhalte. Diese Behörde trat die Anzeige im Hinblick auf den Wohnsitz des Beschwerdeführers in Wien gemäß § 29 a VStG 1950 dem Magistratischen Bezirksamte für den XIX. Wiener Gemeindebezirk ab, welches wiederum den Akt an das Magistratische Bezirksamt für den XX. Wiener Gemeindebezirk mit Rücksicht auf den in diesem Bezirke gelegenen Betriebsstandort des Beschwerdeführers abtrat. Letztere Behörde erachtete das Bezirkspolizeikommissariat Brigittenau als zuständig und gab den Akt dorthin ab, von wo er an das Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien weitergeleitet wurde. Als der Beschwerdeführer bei dieser Behörde abermals als Beschuldigter vernommen wurde, verwies er auf die übrigen angeblich gleichlautenden Strafanzeigen und die darüber erfolgten Beschuldigtenvernehmungen. Seines Wissens sei die „Sache“ dann an die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf, wo sich der eigentliche Betriebsort seiner Firma befinde, zurückgegangen. Eine weitere Verfügung der Bundespolizeidirektion Wien (Verkehrsamt) über dieses letztere Verfahren findet sich nicht, ausgenommen ein Amtsvermerk darüber, daß gleichlautende Anzeigen vom 13. September 1960 und 24. Oktober 1960 durch das Polizeikommissariat Döbling (nach Einvernahme des Beschwerdeführers) an die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf zurückgeleitet worden seien.
Schließlich brachte der Transportunternehmer X am 21. Jänner 1961 bei der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf neuerlich Übertretungen des Beschwerdeführers der bereits geschilderten Art zur Anzeige, worüber der Beschwerdeführer ebenfalls im Rechtshilfewege durch das Polizeikommissariat Döbling gehört wurde. Anschließend daran führte die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf eine Zeugeneinvernahme durch bzw. ließ Zeugen im Rechtshilfewege vernehmen und gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme. Sodann erkannte sie mit Straferkenntnis vorn 21. Februar 1963 den Beschwerdeführer schuldig, in der Zeit vom Juli 1960 bis Jänner 1961 wiederholt gegen die Bedingungen seiner Kraftfahrlinienkonzession (Nikitsch Wien) dadurch verstoßen zu haben, daß er die genehmigten Beförderungspreise nicht eingehalten und mehr Omnibusse als zulässig zur Personenbeförderung eingesetzt habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gegen § 8 des Kraftfahrliniengesetzes 1952, BGBl. Nr. 84, begangen und es werde gegen ihn gemäß § 16 dieses Gesetzes hiefür eine Geldstrafe von S 2.000,--, im Nichteinbringungsfalle zehn Tage Ersatzarrest, verhängt. In der Begründung heißt es, daß der Beschwerdeführer auf Grund der ihm erteilten Konzession berechtigt sei, auf der Strecke Nikitsch Großwarasdorf Raiding-Unterfrauenhaid-Ritzing-Weppersdorf-Wien eine Kraftfahrlinie mit einem Kurspaar täglich und mit einem Wagen ohne Anhänger unter bestimmten Bedingungen (Bedienungsverboten) zu betreiben. Der Beschwerdeführer habe diesen Bedingungen entgegen mehr Autobusse als zulässig eingesetzt. Seine Verantwortung, daß er den Bedarf ohne diese Konzessionsüberschreitung nicht hätte decken können, gehe ins Leere, da er dann eben um eine Konzessionserweiterung hätte einkommen müssen. Weiters habe der Beschwerdeführer die genehmigten Fahrpreise nicht eingehalten, sondern ohne die erforderliche Genehmigung trotz der Vorschrift des § 12 des Kraftfahrliniengesetzes Begünstigungen gewährt.
In der gegen diesen Strafbescheid eingebrachten Berufung machte der Beschwerdeführer vor allem die Unzuständigkeit der eingeschrittenen Behörde geltend, weil der Sitz seines Unternehmens ebenso wie der Standort der betreffenden Konzession Wien sei. Die ihm angelasteten und im übrigen nicht näher konkretisierten strafbaren Handlungen könnten sich bestenfalls nur im Bereiche der Bezirkshauptmannschaften Oberpullendorf oder Mattersburg ereignet haben, niemals aber im Bereiche der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf. Er habe. bereits vor längerer Zeit um Konzessionserweiterung angesucht. Daß dieses Ansuchen bisher noch nicht erledigt worden sei, könne ihm nicht zum Verschulden gereichen. Das von ihm bekämpfte Straferkenntnis lasse jeden Hinweis auf konkrete Tatbestände vermissen und begnüge sich gesetzwidrig mit allgemeinen Behauptungen.
Mit dem Bescheide vom 18. April 1963 gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge. Sie bezog sich hiebei auf die als im wesentlichen zutreffend bezeichnete Vorinstanzliche Begründung. Nach der maßgeblichen Konzessionsurkunde vom 29. September 1955 sei im übrigen Jennersdorf der Betriebssitz des Unternehmens. Die Anführung der einzelnen Tatbestände habe unterbleiben können, weil der Beschwerdeführer Beschwerdeführer vom Ergebnis des Ermitt2ungsIrerfahrens in Kenntnis gesetzt worden sei.
Der gegen diesen Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde mußte schon aus nachstehenden Erwägungen die Berechtigung zuerkannt werden:
Als Strafbehörde erster Instanz ist die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf ausschließlich auf Grund der ihr unmittelbar zugeleiteten Anzeigen eingetreten. Ihre sachliche Zuständigkeit hiezu war gemäß § 16 Abs. 1 des Kraftfahrliniengesetzes 1952 an sich gegeben, nicht aber auch die örtliche Zuständigkeit, denn gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 ist im Verwaltungsstrafverfahren jene Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist und in welchem mithin der Täter gehandelt hat. Handlungen beim Betriebe einer Kraftfahrlinie, die in keinem Punkte - so wie hier - den Sprengel, der einschreitenden Behörde berührt, können also die örtliche Zuständigkeit einer außerhalb des Linienbereiches gelegenen Behörde unmittelbar nicht begründen. Dies mußte der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf bereits aus der Tatsache gegenwärtig sein, daß sich der Anzeiger regelmäßig auf den Linienbetrieb Nikitsch Wien bezogen hatte und daher auch der besondere Zuständigkeitsfall des § 28 VStG 1950 von vornherein nicht in Betracht gezogen werden konnte. Aber auch aus der Bestimmung des § 27 Abs. 2 VStG 1950, wonach bei der örtlichen Zuständigkeit mehrerer Behörden (was beim Linienbetriebe über mehrere Verwaltungsbezirke immerhin denkbar war) oder bei der Ungewißheit, in welchem Sprengel die Übertretung begangen wurde, jene Behörde zuständig ist, die zuerst eine Verfolgungshandlung vorgenommen hat, könnte die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf zur Strafverfolgung nicht abgeleitet werden.
Denn der zweite Absatz des § 27 VStG 1950 kann nur im Zusammenhalt mit dem vorausgehenden ersten Absatz, und zwar so verstanden werden, daß es sich jedenfalls insgesamt um Behörden handeln muß, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung nach den Umständen des Falles überhaupt begangen werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof befindet sich dabei übrigens in Übereinstimmung mit dem Erkenntnis des vormaligen Bundesgerichtshofes vom 12. Jänner 1937, Slg. Nr. 1093/A.
Die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf hätte demgemäß nur dann zur Verfolgung des Beschwerdeführers zuständig werden können, wenn ihr eine Strafanzeige gemäß § 29 a VStG 1950 durch die an sich zuständige Behörde deshalb abgetreten worden wäre, weil der Beschwerdeführer - was aber im Verfahren keineswegs eindeutig hervorgekommen ist - in Jennersdorf etwa seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Eine solche Abtretung lag indes nach den Akten des Verwaltungsverfahrens in keinem Falle vor.
Da die belangte Behörde diese Rechtslage nicht erkannte, mußte ihr Bescheid bereits aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Eine Auseinandersetzung mit dem sonstigen Beschwerdevorbringen hat sich bei diesem Ergebnis erübrigt.
Wien, am 20. Februar 1964