Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Naderer, Dr. Krzizek, Dr. Striebl und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Morscher, über die Beschwerde des A in W gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung im selbständigen Wirkungsbereich des Landes vom 18. Jänner 1963, Zl. M. Abt. 64/175/61/Str., betreffend Übertretung des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung im selbständigen Wirkungsbereiche des Landes vom 18. Jänner 1963 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, in der Zeit vom 5. April 1961 bis zum 22. Juni desselben Jahres nicht für die Trockenlegung der Wohnung Nr. 2 des Hauses Wien IV, G Gasse 16, gesorgt und es ferner unterlassen zu haben, den schadhaften Außenverputz der auf dieser Liegenschaft vorhandenen zwei Lichthöfe, der hinteren Hofschaufläche und der linken Feuermauer vollständig instandzusetzen. Wegen dieser Unterlassungen, die die Behörde als eine Übertretung des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1956, LGBl. für Wien Nr. 28/1956, wertete, verhängte sie über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 450,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafe eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von vier Tagen und zwölf Stunden. In der Begründung dieses nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides nahm die belangte Behörde zunächst auf eine im Rahmen des Berufungsverfahrens abgegebene Äußerung des Beschwerdeführers vom 13. November 1962 Bezug, in welcher er erklärt hatte, die für die Erfüllung der Instandsetzungspflicht erforderlichen Arbeitsaufträge schon vergeben zu haben und den Beginn der in der kalten Jahreszeit ausführbaren Arbeiten für den Lauf des Winters, der Verputzarbeiten hingegen für das Frühjahr 1963 angekündigt hatte. Aus diesem Vorbringen ergebe sich, so heißt es in der Begründung weiter, daß innerhalb der angenommenen Tatzeit die bezeichneten Baugebrechen nicht behoben worden seien und somit der objektive Tatbestand erwiesen sei. Zur subjektiven Tatseite wurde in Erwiderung des Berufungsverbringens folgendes ausgeführt: Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er verwalte das instandzusetzende Gebäude auf Grund einer anwaltlichen Vollmacht, sei an die Weisungen des Machtgebers gebundene habe diesen von der Notwendigkeit der Reparaturen in Kenntnis gesetzt und von ihm den Auftrag erhalten, einen Antrag auf Erhöhung des Mietzinses zu stellen, und habe diesem Auftrag auch entsprochen, sei unbewiesen geblieben. Insbesondere sei der Beschwerdeführer trotz Aufforderung den Beweis dafür schuldig geblieben, wann er den Hauseigentümer von dem Baugebrechen in Kenntnis gesetzt habe. Zu Unrecht berufe sich der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht, auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht: Sei doch nicht seinem Machtgeber, sondern ihm selbst die Begehung einer Verwaltungsübertretung vorgeworfen worden. Im Strafverfahren falle ihm daher nicht die für das Bestehen einer Verschwiegenheitspflicht vorauszusetzende Rolle des Parteienvertreters zu. Wohl sei es gemäß § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien für die Strafbarkeit des Beschwerdeführers wesentliche daß er die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers. begangen habe; ein solcher Tatbestand sei aber nicht schon deshalb ausgeschlossene weil er auf Grund zivilrechtlicher Abmachungen verpflichtet sei, für größere Instandsetzungsarbeiten die Genehmigung, des Hauseigentümers einzuholen. Über einen solchen Genehmigungsvorbehalt hinaus müsse, solle der Beschwerdeführer straffrei bleiben, ein „bewußtes und gewolltes Zusammenwirken“, also eine aktive Mitwirkung des Hauseigentümers an der Verwaltungsübertretung, vorliegen. Dies zu beweisen habe der Beschwerdeführer nicht vermocht. Schließlich habe er auch nicht dargetan, weshalb er den Antrag auf Erhöhung der Mietzinse erst am 2. Jänner 1961 habe einbringen können, und nicht unter Beweis gestellt, daß er hiefür tatsächlich einer Zustimmung des Hasseigentümers bedurft habe.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß der Bestimmung des § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien, jener Rechtsvorschrift also, deren Anwendbarkeit auf ihn der Beschwerdeführer an der Spitze seiner dem Nachweis der inhaltlichen Rechtswidrigkeit gewidmeten Ausführungen in Abrede stellt, ist derjenige, der die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, für Verletzungen der den Eigentümer des Gebäudes durch das angeführte Gesetz auferlegten Pflichten an dessen Stelle verantwortlich, und zwar dann wenn er ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers handelt bzw. untätig bleibt. Zum Tatbild einer nach dieser Norm dem Verwalter eines Gebäudes angelasteten strafbaren Handlung gehört es demnach, wie Beschwerdeführer und belangte Behörde richtig erkannt haben, daß der Eigentümer an der Pflichtverletzung des Verwalters nicht mitgewirkt oder doch nicht schon vor deren Begehung von ihr gewußt hat. Mit der Frage, wann dieses Tatbestandselement als gegeben angesehen werden kann, hat sich der Verwaltungsgerichtshof schon in seinen Erkenntnis vom 18. Jänner 1963, Zl. 481/62, befaßt und dort ausgesprochen, daß der Tatbestand in dieser Hinsicht (nur) dann nicht erfüllt ist, wenn der Hauseigentümer, obwohl er wußte, daß eine Verpflichtung zur Beseitigung von Baugebrechen bestehe, den Hausverwalter an der Erfüllung dieser Verpflichtung in irgendeiner Weise gehindert hat. Der Gerichtshof verweist in dieser Hinsicht unter Erinnerung an Artikel 19 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf dieses Erkenntnis. Es trifft also nicht zu, daß, wie dies der Beschwerdeführer wahrhaben möchte, schön der bloße Zustimmungsvorbehalt des Eigentümers eine Mitwirkung am strafbaren Untätigbleiben des Verwalters darstellt. Daß der Mandant des Beschwerdeführers weitergehend in das Geschehen eingegriffen habe, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Verwaltungsgerichtshof behauptet.
Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit ist nach Auffassung des Beschwerdeführers darin gelegen, daß die belangte Behörde trotz durchgeführter Teilinstandsetzungen den Tatbestand des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien als verwirklicht ansah. Die belangte Behörde selbst habe, so wird in dieser Beziehung ausgeführt, zugegeben, daß die beiden Lichthöfe bis zu einer Höhe von 2 m verputzt worden seien. Ferner sei ein allerdings nicht voll erfolgreicher Versuch der Trockenlegung der Wohnung Nr. 2 unternommen worden. Auch damit kann indessen eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides unter dem Gesichtspunkt des Fehlens des objektiven Tatbestandes nicht dargetan werden. Daß durch nicht voll wirksame Maßnahmen der in der letztangeführten Gesetzesstelle begründeten Rechtspflicht nicht entsprochen wird, liegt offen zutage und bedarf keiner weiteren Erörterung. Aber auch die teilweise Instandsetzung des Verputzes kann diese Wirkung deshalb nicht auslösen, weil die davon nicht erfaßten Mauerteile nach wie vor mit einem Baugebrechen behaftet sind. Übrigens hat die belangte Behörde die Anbringung des Verputzes bis auf eine Höhe von 2 m in ihrem Straferkenntnis insofern berücksichtigt, als sie dem Beschwerdeführer in dieser Hinsicht nur eine teilweise Vernachlässigung seiner Instandsetzungspflicht vorwarf. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die belangte Behörde den objektiven Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung unbedenklich als verwirklicht ansehen durfte. In dieser Beziehung bleibt lediglich zu sagen, daß die am schleppenden Gang des straf- und mietenrechtlichen Verfahrens geübte Kritik für das Schicksal der vorliegenden Beschwerde schon allein deshalb nicht von Bedeutung sein kann, weil die durch die Behörde angenommene Tatzeit in den Beginn des Jahres 1961, also in einen Zeitraum fallt, in dem beide Verfahren eben erst begonnen hatten.
Der Beschwerdeführer hat des weiteren, und zwar ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit, die Frage angeschnitten, ob er sich im Verwaltungsstrafverfahren mit Recht auf die ihm gemäß § 9 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung obliegende Verschwiegenheitspflicht berufen hat. Die von der belangten Behörde in dieser Hinsicht vertretene Rechtsauffassung, es sei für das Bestehen der Verschwiegenheitspflicht Voraussetzung, daß der Rechtsanwalt der Behörde als Parteienvertreter gegenüberstehe, ist allerdings verfehlt. Die belangte Behörde stützt ihre Rechtsmeinung offensichtlich auf die gemäß § 24 VStG auch für das Verwaltungsstrafverfahren maßgebliche Bestimmung des § 49 Abs. 2 AVG, nach welcher die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Personen die Zeugenaussage auch darüber verweigern können, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Vertreter einer Partei von dieser anvertraut worden ist. § 49 AVG regelt indessen nur die Ausnahmen von der Zeugenpflicht; eine Einschränkung der anwaltlichen Schweigepflicht auf den Fall der zeugenschaftlichen Vernehmung enthält diese Norm nicht. Daraus läßt sich aber für den Beschwerdeführer deshalb nichts gewinnen, weil es bei der gegebenen, weiter oben umschriebenen Rechtslage nur darauf ankommen kann, ob er durch den Hauseigentümer an der Instandhaltung gehindert worden war, er aber selbst eingeräumt hat, daß es sich so nicht verhalten hatte. Die belangte Behörde konnte daher von der Aufnahme der vom Beschwerdeführer verlangten Beweise ohne Rücksicht darauf absehen, ob deren Erhebung zulässig war oder nicht. Die gleiche Erwägung gilt auch in Ansehung der Frege des subjektiven Verschuldens, da dem Beschwerdeführer das Bestehen der nichtbehobenen Baugebrechen spätestens seit Ende 1959, dem Zeitpunkt des Erfließens eines bezüglichen Bauauftrages, bekannt war. Auch die behauptete, im übrigen nicht näher begründete Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet daher den angefochtenen Bescheid nicht. Die gegen ihn gerichtete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 23. März 1964