Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Wasniczek als Vorsitzenden und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek als Schriftführer, über die Beschwerde der R K in R gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 21. Februar 1961, Zl. 3973 2/1960, betreffend Einkommen und Gewerbesteuer 1958, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin erbte als langjährige Angestellte das Warenlager und das Umlaufvermögen der dem A L gehörenden Gemischtwarenhandlung. Der Erblasser räumte der Beschwerdeführerin außerdem das lebenslängliche Nutzungsrecht (Recht des Fruchtgenusses) an dem ihm gehörigen Wohn und Geschäftshaus sowie an den beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ein. Das von der Beschwerdeführerin erworbene Fruchtgenußrecht wurde anläßlich der Bemessung der Erbschaftssteuer mit 45.200 S bzw. 8.000 S veranschlagt. Die Beschwerdeführerin ermittelte den Gewinn aus der Gemischtwarenhandlung für das Jahr 1958 gemäß § 4 Abs. 1 EStG. In der Bilanz wies sie unter der Post „Anlagevermögen“ den Fruchtgenuß am betrieblich genutzten Teil des Hauses mit der Hälfte von 45.200 S, also mit 22.600 S, und den Fruchtgenuß an den beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens mit dem Betrage von 8.000 S aus. Diese Werte schrieb sie unter Annahme einer elfjährigen Nutzungsdauer, die sie nach den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes unter Rücksichtnahme auf ihr Alter ermittelte, mit 2.055 S und 727 S, bei der Berechnung des steuerpflichtigen Gewinnes für das Jahr 1958 ab. Das Finanzamt versagte dieser Absetzung die steuerrechtliche Anerkennung, weil das Fruchtgenußrecht keinem Wertverzehr unterliege. Die Beschwerdeführerin berief. Der Wert des Fruchtgenußrechtes nehme ständig ab. Einerseits seien die der Nutzung unterworfenen Wirtschaftsgüter einem Verschleiß ausgesetzt und würden zum Teil schon vor dem Tode der Beschwerdeführerin aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden. Anderseits werde die Belastung des Eigentümers dieser Wirtschaftsgüter mit dem zunehmenden Alter der Nutzungsberechtigten ständig geringer. Der Erbe könne die Abschreibung vom ererbten Wohn und Geschäftshaus sowie von den beweglichen Wirtschaftsgütern vornehmen, wobei die Belastung durch das Nutzungsrecht vom Wert abzuziehen sei. Hingegen stehe der Beschwerdeführerin das Recht zu, die entsprechenden Abschreibungen von dem erwähnten Nutzungsrecht zu machen.
Die Berufungskommission wies die Berufung ab. Nur für den hier nicht vorliegenden Fall, daß der Erblasser bereits ein Fruchtgenußrecht besessen hätte, könnte der Erbe vom letzten Buchwert dieses Rechtes die der mutmaßlichen Nutzungsdauer entsprechenden Absetzungen für Abnutzung vornehmen.
Die gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde bekämpft den Standpunkt der belangten Behörde mit den Erwägungen, die bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht worden sind. Sie hebt besonders hervor, daß die Belastung mit dem Fruchtgenußrecht bei der Einkommensbesteuerung des Erben anerkannt werde und daß die Beschwerdeführerin das Fruchtgenußrecht als Vermögenswert versteuern müsse. Für den Fall, daß die Beschwerdeführerin das Fruchtgenußrecht nach dem Tode des Erblassers verkauft hätte, hätte sie dafür den in ihrer Bilanz ausgewiesenen Betrag erhalten bzw. hätte sie denselben Preis zahlen müssen, wenn sie gezwungen gewesen wäre, „das Fruchtgenußrecht entgeltlich von einem Dritten zu erwerben“.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Das Eigentum an dem Wohn und Geschäftshaus und an dem Geschäftsinventar ist nach dem Tode des Alois Lins im Erbweg auf dessen Neffen übergegangen. Diesem sind daher auch die erwähnten Wirtschaftsgüter unbeschadet des der Beschwerdeführerin eingeräumten lebenslänglichen Nutzungsrechtes gemäß § 11 Z. 4 Steueranpassungsgesetz zuzurechnen. Ihm steht das uneingeschränkte Recht auf Absetzung für Abnutzung für diese Wirtschaftsgüter zu, weil er die Folgen der Abnutzung wirtschaftlich zu tragen hat (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofes vom 21. August 1941, RStBl. S. 862, und Haas, Recht und Rechnungswesen, S. 492). Diese steuerrechtliche Beurteilung der AfA für Wirtschaftsgüter, an denen ein Fruchtgenußrecht besteht, ist auch mit der Bestimmung des § 513 ABGB. im Einklang. Nach dieser ist eine abweichende vertragliche Regelung liegt hier nicht vor der Fruchtnießer für eine Wertminderung, die ohne sein Verschulden bloß durch den rechtmäßigen Genuß eintritt, nicht verantwortlich. Es hat also auch zivilrechtlich der Eigentümer der mit dem Fruchtgenußrecht belasteten Sache deren natürliche Abnutzung selbst zu tragen. Bei dieser Rechtslage ist aber eine Aufteilung des Wertes der dem Fruchtgenußrecht unterworfenen Sache in einen Anteil des Eigentümers und einen Anteil des Fruchtnießers ausgeschlossen. Eine AfA von dem Fruchtgenußrecht selbst kommt hier schließlich auch deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerdeführerin das Recht nicht entgeltlich erworben hat. Der Hinweis der Beschwerde auf die Vermögensbesteuerung und auf die Erbschaftssteuer geht schon deshalb fehl, weil es sich dort nicht um die steuerliche Erfassung eines Gewinnes handelt, bei dessen Ermittlung Ertrag und Aufwand gegenüberstehen. Mithin war die Beschwerde nicht begründet und mußte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG. 1952 abgewiesen werden.
Wien, 22. September 1961