Ra 2022/09/0149 2 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gilt nicht nur für "Nachrichten" oder "Ideen", die ein positives Echo haben oder die als unschädlich oder gleichgültig angesehen werden, sondern auch für solche, die provozieren, schockieren oder stören. Eine disziplinäre Bestrafung unsachlicher, unwahrer oder das Standesansehen der Ärzteschaft beeinträchtigender Informationen kann jedoch im öffentlichen Interesse des Schutzes der Gesundheit liegen, nämlich sich bei der Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen (vgl. VwGH 22.3.2023, Ra 2021/09/0269). Da durch die Äußerungen des Arztes bei einem nicht fachkundigen oder laienhaften Leser ein falscher Eindruck über die Sicherheit und die Wirksamkeit von Impfungen erweckt wird und unter Berücksichtigung, dass es sich bei diesen Äußerungen auch nicht um die Darstellung einer begründeten Mindermeinung im Rahmen eines wissenschaftlichen Diskurses handelt, liegt die disziplinäre Bestrafung nach Auffassung des VwGH im öffentlichen Interesse des Schutzes der Gesundheit. Es ist nicht zu ersehen, dass die mit der Disziplinierung erfolgte Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit des Arztes im Hinblick auf das in Art. 10 Abs. 2 MRK genannte Ziel im vorliegenden Einzelfall unverhältnismäßig wäre.