JudikaturVwGH

Ra 2020/21/0200 1 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
14. Februar 2022

Die Wertungen der ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 (die durch das FrÄG 2018 aufgehoben wurden) sind im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiterhin beachtlich, und es sind daher in diesen Fällen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen zulässig. Orientierung für eine derartige Gefährdung bieten die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach den Z 6, 7 und 8 des § 53 Abs. 3 FrPolG 2005, wobei auch andere Formen gravierender Straffälligkeit in Frage kommen (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238; vgl. EGMR, 15.11.2012, Shala gg. Schweiz, 52873/09, wonach es bei einem im Kindesalter eingereisten Fremden "einigermaßen außergewöhnlicher Umstände", die etwa in der "außerordentlichen Schwere" der begangenen Straftaten liegen könnten, bedarf, um in einer solchen Situation die Außerlandesbringung zu rechtfertigen); das gilt umso mehr für Fälle, in denen die Voraussetzungen der Z 2 des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 erfüllt sind (vgl. VwGH 15.2.2021, Ra 2020/21/0246; VwGH 22.1.2021, Ra 2020/21/0506; VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0088; VwGH 7.10.2021, Ra 2021/21/0272; vgl. EGMR 23.6.2008, Maslov gg. Österreich, 1638/03, wonach bei Fremden, die ihre gesamte oder den größten Teil ihrer Kindheit und Jugend (rechtmäßig) im Vertragsstaat verbracht haben, nur sehr gewichtige Gründe ["very serious reasons"] eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen; EGMR 12.1.2021, Khan gg. Dänemark, 26957/19; EGMR 12.1.2021, Munir Johana gg. Dänemark, 56803/18; EGMR 22.12.2020, Z gegen Schweiz, 6325/15).

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