Ra 2019/15/0045 3 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Ein Steuerpflichtiger, der sich an einer das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdenden Steuerhinterziehung beteiligt hat, kann sich für die Zwecke der Steuerbefreiung nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität berufen, sodass in einem solchen Fall die Nichteinhaltung einer formellen Anforderung den Verlust des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung nach sich zieht. Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu fordern, dass er in gutem Glauben handelt und alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Sollte der betreffende Steuerpflichtige gewusst haben oder hätte er wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und hat er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um diese zu verhindern, muss ihm der Anspruch auf Mehrwertsteuerbefreiung versagt werden (vgl. zu Ausfuhrlieferungen EuGH 28.3.2019, Vins, C-275/18, Rn. 33, sowie 8.11.2018, Cartrans Spedition, C-495/17, Rn. 41). Dabei ist es nicht maßgeblich, ob der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung zum Nachteil des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems begeht oder ob er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seiner Lieferung an einem Umsatz beteiligt, der in eine von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist (vgl. EuGH 6.7.2006, Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C-440/04).