Leitsatz
Auswertung in Arbeit
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG gestützten Antrag, begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge den Wortteil "un" im Wort "unzulässig" in §34 letzter Satz DSt als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
§34 des Bundesgesetzes über das Disziplinarrecht der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter – DSt), BGBl 474/1990 lautet wie folgt (der angefochtene Wortteil ist hervorgehoben):
"§34. Der Beschuldigte hat das Recht, sich im Disziplinarverfahren durch einen Rechtsanwalt oder substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärter verteidigen zu lassen. Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter, gegen die eine der im §16 Abs1 Z3 angeführten Disziplinarstrafen rechtskräftig verhängt, sowie Rechtsanwälte, gegen die die im §19 Abs3 Z1 litd angeführte einstweilige Maßnahme oder die Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §34 Abs2 der Rechtsanwaltsordnung beschlossen ist, sind von der Verteidigung ausgeschlossen. Die Vertretung durch einen Machthaber ist un zulässig."
III. Antragsvorbringen und Sachverhalt
1. Der Antragsteller sei Rechtsanwalt in Wien und habe einen Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 31. Jänner 2025 betreffend eine für den 17. März 2025 anberaumte Disziplinarverhandlung als Disziplinarbeschuldigter vor dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien erhalten. Mit Beschluss vom 17. März 2025 sei die genannte Disziplinarverhandlung auf unbestimmte Zeit verlegt worden.
2. Der Antragsteller wolle sich in der Disziplinarverhandlung durch seinen Mitarbeiter, einen näher bezeichneten emeritierten Rechtsanwalt, vertreten lassen, was allerdings gegen §34 DSt verstoße.
3. Zu seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vor:
3.1. Der angefochtene Wortteil greife tatsächlich, unmittelbar, aktuell und in eindeutig bestimmter Weise in die Rechte des Antragstellers ein. Die Regelung bewirke den Ausschluss eines beim Antragsteller angestellten, näher bezeichneten Mitarbeiters von der Vertretungsmöglichkeit.
3.2. Ein zumutbarer anderer Weg zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit des Wortteils "un" in §34 letzter Satz DSt stehe dem Antragsteller nicht zur Verfügung. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien könne die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers nicht aufgreifen, weil es sich dabei um kein Gericht iSd Art89 Abs2 B VG handle. Ein Parteiantrag auf Normenkontrolle aus Anlass einer Berufung gegen eine Entscheidung des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien sei ebenso ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des Art140 Abs1 Z1 litd B VG nicht vorliegen würden. Der Oberste Gerichtshof habe in einem vorangegangenen Disziplinarverfahren (OGH 9.9.2024, 23 Ds 12/23a) die Bedenken des Antragstellers gegen §34 DSt nicht geteilt und sei der Anregung der Stellung eines Gerichtsantrages gemäß Art140 Abs1 Z1 lita B VG nicht nachgekommen.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
3. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
4. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
5. Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unter anderem dann eröffnet, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist (oder anhängig war), das dem Betroffenen Gelegenheit bietet (bzw bot), eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl zB VfSlg 13.871/1994 mwN, 15.786/2000, 17.110/2004, 17.276/2004, 18.370/2008).
6. Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist der Partei in einem solchen Fall nur bei Vorliegen besonderer außergewöhnlicher Umstände das Recht zur Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages eingeräumt (vgl VfGH 12.10.2016, G269/2016 ua). Andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (zB VfSlg 8312/1978, 19.674/2012; vgl auch VfGH 19.2.2016, V150/2015 ua; 12.10.2016, G269/2016 ua; 12.6.2023, G177/2023).
7. Ein solcher zumutbarer Weg stand dem Antragsteller offen:
7.1. Wie der Antragsteller selbst ausführt, war ein Verfahren beim Obersten Gerichtshof (OGH 9.9.2024, 23 Ds 12/23a) in einer disziplinarrechtlichen Angelegenheit gegen ihn anhängig, in dem für den Antragsteller die Gelegenheit bestand, die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Bestimmung geltend zu machen und bei dem in dieser Rechtssache zuständigen Gericht die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B VG anzuregen. Gemäß Art89 Abs2 B VG ist das Gericht, sofern es Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines anzuwendenden Gesetzes hegt, zur entsprechenden Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet (vgl zB VfSlg 11.890/1988, 17.110/2004; VfGH 20.9.2010, G65/10 ua).
7.2. Der Antragsteller hat seine Bedenken gegen §34 DSt im Disziplinarverfahren vor dem Obersten Gerichtshof vorgebracht und die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B VG angeregt. Dazu hielt der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. September 2024, 23 Ds 12/23a, Folgendes fest:
"Einleitend ist zur – in der mündlichen Berufungsverhandlung wiederholten – schriftlichen Anregung einer Antragstellung iSd Art89 Abs2 B VG iVm Art140 Abs1 B VG betreffend die Wortfolge 'die Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter sein müssen' in §51 Abs1 zweiter Satz DSt auszuführen, dass dazu schon mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zur Verfassungskonformität der Bestimmung des §51 Abs1 DSt keine Veranlassung bestand (VfGH B1457/10 VfSlg 19.459). Gegenteiliges vermag der Beschuldigte nicht aufzuzeigen. §51 Abs1 DSt dient dem Schutz der Vertraulichkeit des Disziplinarverfahrens. Auch beigezogenen Vertrauenspersonen sind Mitteilungen über den Inhalt der Verhandlung untersagt, sofern diese nicht – über Antrag des Beschuldigten – öffentlich ist. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann nicht nur Strafbarkeit nach §301 Abs1 und Abs2 zweiter Fall StGB begründen, sondern zudem ein Disziplinarvergehen nach §79 DSt darstellen, dessen Schutzobjekt neben dem Disziplinarbeschuldigten selbst auch der Rechtsanwaltsstand in seiner Gesamtheit ist ( Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 11 §32 DSt Rz 1, §79 DSt Rz 1). Im Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter wird demnach die Vertraulichkeit durch dieses Verbot entsprechender Mitteilungen an die Öffentlichkeit besonders abgesichert. Nur Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter unterliegen der Disziplinargerichtsbarkeit der Rechtsanwaltskammern. Dies trifft auf emeritierte Rechtsanwälte nicht zu, deren Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft durch Verzicht erloschen ist (§34 Abs1 Z1, Abs1 letzter Satz RAO; RIS-Justiz RS0054824 und RS0072282). Eine vom Beschuldigten behauptete, dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 B VG; Art2 StGG) widersprechende unsachliche Differenzierung im Verhältnis zu nicht dem Rechtsanwaltsstand angehörigen Personen ist daher nicht auszumachen."
7.3. In der Folge des Unterbleibens eines Gesetzesprüfungsantrags durch den Obersten Gerichthof stellte der Antragsteller den vorliegenden Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG auf Aufhebung des Wortteils "un" im Wort "unzulässig" in §34 letzter Satz DSt auf Grund von Bedenken im Hinblick auf das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.
7.4. Der Umstand, dass der Oberste Gerichtshof trotz Anregung, aber mangels eigener Bedenken keinen derartigen Antrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt hat, ändert nichts an der Zumutbarkeit dieses Weges (vgl VfGH 5.6.2014, E258/2014; 12.10.2016, G269/2016 ua; 11.6.2018, G91/2018). Ob und inwieweit ein Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit eines anderen Weges nicht ausschlaggebend (vgl VfSlg 11.890/1988). Besondere außergewöhnliche Umstände, die die Einbringung eines Individualantrages im Fall der Gerichtsanhängigkeit ausnahmsweise zulässig machen könnten, sind im vorliegenden Fall weder behauptet worden noch ersichtlich.
7.5. Daran ändert auch die Anhängigkeit eines weiteren Disziplinarverfahrens bei der Rechtsanwaltskammer Wien gegen den Antragsteller nichts.
8. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund unzulässig.
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.